Westerwelle muss beim Dreikönigstag den Ausweg aus der Umfrage-Krise aufzeigen. Denn der Machtkampf um seine Nachfolge hat begonnen.

Stuttgart. Es sind schwere Tage für FDP-Parteichef Guido Westerwelle. Alle Augen und Ohren sind auf ihn gerichtet, wenn er beim Stuttgarter Dreikönigstag ans Rednerpult treten wird. „Reden kann er ja“, sagen selbst seine ärgsten Widersacher. Die „Rede seines Lebens“, eine „Ruck-Rede“, eine „Erweckungsrede“ – selten ist ein Kundgebungsauftritt eines Spitzenpolitikers vorher mit so viel Erwartungen aufgepumpt worden. Der Vertrauensverlust der Liberalen in den vergangenen Monaten ist dramatisch. Zu Beginn eines Superwahljahrs mit sieben Landtagswahlen bangt die FDP um ihre politische Existenz auf Länderebene. Das wird vor allem dem Parteichef angelastet, der seit fast zehn Jahren die Liberalen führt. Deshalb der Ruf nach einer Neuorientierung der Partei und – wenn auch inzwischen wieder eingefangen – nach einem neuen Gesicht an der Spitze.

Unmittelbar vor dem traditionellen Dreikönigstreffen streiten führende Freidemokraten über den künftigen Kurs der Partei. Nachdem sich Generalsekretär Christian Lindner, Gesundheitsminister Philipp Rösler und der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Daniel Bahr, jüngst in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für die Erneuerung der FDP stark gemacht haben, warnte Parteivize Rainer Brüderle am Mittwoch eindringlich vor einer Abkehr vom liberalen „Markenkern“.

Bei seiner umjubelten Grußrede auf dem Landesparteitag der baden-württembergischen FDP sagte Brüderle, die Positionen, mit denen die FDP ihren Erfolg bei der Bundestagswahl erreicht habe, seien nach wie vor richtig. Die Partei müsse auch weiterhin einen klaren Kurs verfolgen. „Zu Eiern und zu Wackeln, bringt keine Wahlerfolge“, rief er den Delegierten zu.

Zugleich lobte der Minister ausdrücklich das Engagement der Vorsitzenden der FDP-Fraktion im Bundestag, Birgit Homburger. Sie habe im vergangenen Jahr eine „hervorragende Leistung“ erbracht, indem sie die Fraktion „mit fast 50 Prozent Neulingen“ zusammengeschweißt habe. „Ich sage ganz deutlich: Ich finde Dich prima“, sagte er mit Blick auf Homburger, die auch FDP-Landeschefin ist.

Nach Informationen der „Bild“-Zeitung gibt es derzeit Spekulationen über die Nachfolge Homburgers. Wie das Blatt unter Berufung auf einflussreiche Parteikreise berichtete, soll Homburger bei einem entsprechenden Wahlergebnis in Baden-Württemberg als Ministerin nach Stuttgart wechseln. Als mögliche Nachfolger auf den Fraktionsvorsitz gelten vor allem Lindner und Bahr.

Seine Partei rief Brüderle auf, sich nicht von dem irritieren zu lassen, was geschrieben werde. Die FDP werde gemeinsam für gute Ergebnisse bei den anstehenden Landtagswahlen kämpfen und damit für eine Trendwende sorgen, zeigte er sich überzeugt. Die FDP verharrt derzeit in Umfragen zwischen drei und fünf Prozent.

Generalsekretär Lindner dämpfte derweil die Erwartungen an die Rede des angeschlagenen Parteichefs Guido Westerwelle bei der Dreikönigskundgebung am Donnerstag. Die FDP werde sich positionieren und der Vorsitzende seine Prioritäten darlegen, sagte der Parteimanager. „Das zu einer Schicksalsrede hochzujazzen, davon halte ich nichts.“

Westerwelle ist als Führungsfigur seit Monaten in der Partei umstritten, über seinen möglichen Rückzug wird heftig spekuliert. Zahlreiche Politiker forderten in den vergangenen Tagen eine wegweisende Rede des Vorsitzenden. Wegen der Umfrage-Misere blickt die FDP mit Sorge auf die bevorstehenden Landtagswahlen. Vor allem in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt drohen deutliche Verluste.

Dennoch wies Lindner Forderungen zurück, dass Westerwelle „die Rede seines Lebens“ halten müsse. „Guido Westerwelle ist einer der besten Redner der Politik. Ich halte aber nichts davon, eine einzelne Rede derart zu stilisieren. Dieser Auftritt sei ein wichtiger Baustein, die FDP wieder erfolgreich zu machen, aber nicht der alleinige“, beschwichtigte der 31-Jährige, der – ebenso wie Brüderle – als Nachfolger des Parteichefs gehandelt wird.

Homburger demonstrierte am Rande des Landesparteitags Gelassenheit. Sie rechne mit einer kämpferischen Rede des Vorsitzenden, betonte sie. Die Erfahrung zeige zudem, dass sich nach Dreikönig die Lage wieder beruhige.

Entwicklungsminister Dirk Niebel verwies darauf, dass vor allem der politische Gegner ein großes Interesse daran habe, Unruhe in die FDP zu tragen. „Das macht man am besten über Personaldiskussionen.“ Zugleich betonte er: „Man kann, bis zum 5. Januar einschließlich, über alles kräftig streiten – auch über Personal – und ab dem sechsten Januar ist Wahlkampf.“ (dapd/dpa)

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Vor dem Dreikönigstreffen liegen die Nerven bei der FDP blank

Der Führungsstreit innerhalb der FDP weitet sich auf die gesamte Regierungskoalition aus und droht das traditionelle Dreikönigstreffen in Stuttgart erheblich zu belasten. Der hessische FDP-Vorsitzende Jörg-Uwe Hahn hat Bundeskanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer wegen deren Schützenhilfe für den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle attackiert. Im Gespräch mit dem Hessischen Rundfunk verbat sich Hahn eine Einmischung in die parteiinterne Diskussion der FDP.

Kurz vor dem Dreikönigstreffen der Liberalen warf Hahn Merkel und Seehofer zugleich vor, ihre Treueschwüre seien gekünstelt. Er verbitte sich solch aufgesetzte „Krokodilstränen“ zu Personalfragen. Es sei weder kameradschaftlich noch klug, wenn sich die Vorsitzenden von CDU und CSU in innere Debatten des Koalitionspartners einmischten. Diese Aussagen belegen, wie sehr bei den FDP-Granden die Nerven auf der Haut liegen.

Hahn sagte, schließlich habe die Union selbst wichtige Projekte der FDP blockiert. So hätten CDU und CSU Westerwelle und die FDP weder bei der Gesundheitsreform noch bei den Plänen zur Steuervereinfachung unterstützt, monierte Hahn, der auch hessischer Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident ist. Der hessische FDP-Vorsitzende gilt selbst als einer der entschiedensten Gegner Westerwelles in der Partei. So hatte Hahn in einem internen Kreis von FDP-Spitzenpolitikern Westerwelle aufgefordert, beim Dreikönigstreffen bekannt zu geben, dass er nicht mehr für den Parteivorsitz kandidieren werde. Das hatte der FDP-Bundesvorsitzende und Außenminister aber entschieden abgelehnt.

Derweil wehrt sich auch FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger gegen Spekulationen über ihren baldigen Sturz. „Da versuchen jetzt natürlich alle möglichen Leute, Führungspersonal gegeneinander auszuspielen. Das ist in so einer aufgeheizten Situation aus meiner Sicht überhaupt nichts Besonderes“, sagte die Vorsitzende der baden-württembergischen FDP am Rande des Landesparteitags in Stuttgart.„Die FDP-Bundestagsfraktion ist ein stabilisierender Faktor in dieser Koalition in Berlin. Und das ist auch mein Erfolg“, sagte Homburger.

Die „Bild“-Zeitung hatte unter Berufung auf „einflussreiche FDP-Kreise“ berichtet, dass Homburger nach den Landtagswahlen im Frühjahr von Generalsekretär Christian Lindner oder NRW-Landeschef Daniel Bahr abgelöst werden könnte. Ein schlechtes Wahlergebnis in Baden-Württemberg, einem Stammland der Liberalen, werde die Debatte wohl verschärfen, sagte ein Vertreter der Fraktionsspitze.

Die FDP-Bundesspitze bemühte sich zugleich, die Erwartungen an die Rede von Westerwelle am Donnerstag im Stuttgarter Staatstheater zu drosseln. Er halte nichts davon, diese „zu einer Schicksalsrede hochzujazzen“, sagte Generalsekretär Lindner der „Welt“. Der Auftritt sei ein Baustein dafür, um die FDP im Frühjahr wieder erfolgreich zu machen.