Fraktionsgeschäftsführer Oppermann (SPD) bestätigt im Abendblatt die Gespräche. Bei der Reform von Hartz IV ist Eile geboten.

Berlin. Nach Angaben der SPD-Fraktion im Bundestag haben sich alle Bundestagsparteien auf einen Termin für den Vermittlungsausschuss zur geplanten Hartz-IV-Reform verständigt. „Alle Bundestagsfraktionen gehen davon aus, dass über die Hartz-IV-Reform in einem Vermittlungsausschuss beraten wird“, sagte Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, dem Hamburger Abendblatt (Mittwochausgabe). „Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass der Vermittlungsausschuss bereits am kommenden Montag tagen soll. Als Zeitpunkt für das Treffen ist 14 Uhr angesetzt“, sagte er dem Abendblatt.

FDP und Union fehlt im Bundesrat die notwendige Mehrheit, um die Reform wie geplant zum 1. Januar 2011 in Kraft zu setzen. Die Reform sieht unter anderem vor, die staatliche Leistung für Langzeitarbeitslose von 359 auf 364 Euro im Monat zu erhöhen. Zudem soll es ein Bildungspaket für Kinder von Hartz-IV-Familien und Geringverdienern geben.

Das Saarland will die Hartz-IV-Reform im Bundesrat blockieren. Bei der Abstimmung am Freitag muss die von CDU-Ministerpräsident Peter Müller geführte schwarz-gelb-grüne Koalition sich der Stimme enthalten: Die Stimmen eines Bundeslandes müssen einheitlich abgegeben werden. Daher kann die Jamaika-Koalition des Saarlands in der Länderkammer nicht der Hartz-IV-Reform zustimmen, wenn die saarländischen Grünen sich dagegen aussprechen. Ohne die drei Stimmen des Saarlands hat das schwarz-gelbe Regierungslager im Bundesrat jedoch keine Mehrheit. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss die Reform am 1. Januar in Kraft treten.

Bei Rechtsexperten fallen die neuen Vorschriften durch. „Die Hartz-IV-Probleme sind nicht gelöst“, ist der Rechtswissenschaftler Stephan Rixen von der Universität Bayreuth überzeugt. Die Gesetzesreform wurde notwendig, weil das Bundesverfassungsgericht am 9. Februar die bisherige Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig gewertet hat. Sie seien intransparent und willkürlich festgelegt worden. Nach dem Urteil des Gerichts in Karlsruhe sollen die Sätze auf einer nachvollziehbaren Grundlage beruhen. „Wie solch eine ,empirische Grundlage' aber aussehen soll, weiß keiner so genau“, sagt Rixen.

Friederike Mußgnug vom Bundesverband der Diakonie kritisiert, dass die Bundesregierung mit Rechentricks eine notwendige, deutliche Erhöhung der Regelsätze verhindert habe. „Bislang hatte sich der Bedarf bei Hartz IV für Alleinstehende an den Einkommen der unteren 20 Prozent der Erwerbsfähigen orientiert“, erklärt Mußgnug. Künftig würden aber nur noch die unteren 15 Prozent als Berechnungsgrundlage herangezogen. Eine Begründung für diese willkürliche Änderung gebe es nicht.

Die Folgen für die Bedürftigen seien bitter: Das ihnen zugebilligte Existenzminimum werde auf diese Weise abgesenkt. Es gebe eine systematische Untererfassung des Bedarfs, bestätigt Reiner Höft-Dzemski vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge. „Daher können Betroffene auch nichts ansparen – etwa für einen nötigen Kühlschrank.“ Auch Blumen, Tabak oder Alkohol wird Hartz-IV-Empfängern in den Regelsätzen nicht mehr zugestanden. „Was den Menschen ein bisschen Freude machen könnte, wurde aus den Regelsätzen herausgenommen“, sagt Höft-Dzemski.

Bernd Schulte vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Sozialrecht in München übt Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Darin sei der Gleichheitsgrundsatz vernachlässigt worden; es gebe in Deutschland eine massive Benachteiligung von Asylbewerbern. Denn diese erhielten nur knapp 225 Euro monatlich an Sach- und Geldleistungen. Die neuen Sätze für einen alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger belaufen sich dagegen auf 364 Euro monatlich. „Bei Asylbewerbern und Hartz-IV-Empfängern wird also eine unterschiedliche Menschenwürde vorausgesetzt“, kritisiert Schulte. Über die neuen Hartz-IV-Gesetz der Bundesregierung sind sich die Experten einig: „Das wird beim Bundesverfassungsgericht landen“, sagt Rixen voraus.