Razzia gegen Islamisten, die Kämpfer für Tschetschenien anwerben wollten. Die Polizei beklagt die Personalnot und will keine Bundeswehr-Hilfe.

Brüssel/Hamburg/Berlin. Zehn Terrorverdächtige sind am Dienstagmorgen bei zeitgleichen Hausdurchsuchungen in Antwerpen, in Deutschland, Österreich und in den Niederlanden festgenommen worden. Das berichtete die belgische Staatsanwaltschaft. Es handele sich um Personen mit belgischer, niederländischer, marokkanischer und russischer Staatsangehörigkeit. Sie werden beschuldigt, im Auftrag einer internationalen islamistischen Gruppe einen Anschlag in Belgien geplant zu haben. Das genaue Ziel habe jedoch noch nicht festgestanden. Die Verdächtigen sollen Mitglieder für eine angebliche tschetschenische Terrororganisation angeworben haben.

Die Hausdurchsuchungen seien das Ergebnis von Ermittlungen gewesen, die bereits Ende 2009 in Antwerpen begonnen hätten. Die Festgenommenen sollten noch im Laufe des Dienstags einem Haftrichter vorgeführt werden. In Amsterdam wurden am Morgen drei Terrorverdächtige festgenommen. Es handele sich um drei Männer, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Ihre Festnahme sei auf Veranlassung der belgischen Behörden erfolgt. Die Aktion habe nichts mit den aktuellen Terrorwarnungen in Deutschland zu tun, sagte eine Sprecherin des niederländischen Koordinierungsbüros für Terrorismusbekämpfung (NCTB).

Bundeswehr im Innern?

In Deutschland stößt die Forderung nach einem stärkeren Bundeswehreinsatz im Inneren bei Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auf Widerstand. Hier gebe es klage Gesetzesregelungen und Verfassungsvorgaben, sagte Guttenberg. Daran werde sich die Bundeswehr halten. Guttenberg reagierte damit auch auf die jüngste Forderung des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, der aufgrund eines „polizeilichen Ausnahmezustandes“ vor allem Feldjäger der Bundeswehr stärker zum Schutz der Bevölkerung im Innern heranziehen will.

Guttenbergs Partei hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgehalten, Anti-Terror-Ermittlungen zu behindern. Bei Ermittlungen gegen vier Terrorverdächtige seien von Landesbehörden zwei Personen mit der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung („Quellen-TKÜ“) abgehört worden, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich. Nachdem das Verfahren wegen seiner Bedeutung an die Bundesanwaltschaft gegangen sei, habe das Justizministerium mit Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage das Abhören der beiden weiteren Verdächtigen untersagt.

„Das ist natürlich in einer akuten Bedrohungssituation kein Spaß“, kritisierte Friedrich, der keine Details nannte. Er forderte Leutheusser-Schnarrenberger auf, dringend ihre Entscheidung zu überdenken. Bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung gehe es um eine Handvoll akuter Fälle bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Bei der Maßnahme, die von einem Richter angeordnet werden muss und nach Angaben von Friedrich von allen Landessicherheitsbehörden angewendet wird, geht es um das Abhören von Telefongesprächen oder Internetkommunikation bereits vor einer Verschlüsselung. Dazu muss beispielsweise Software auf den betroffenen Computer eingeschleust werden.

Polizeigewerkschaft warnt vor Panikmache

Der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) , Bernhard Witthaut, hat Forderungen nach Anti-Terror-Einsätzen der Bundeswehr im Inland eine strikte Absage erteilt. „Die Bundeswehr hat im Inneren nichts verloren“, sagte Witthaut am Rande eines GdP-Bundeskongresses. Er bezog damit ausdrücklich Stellung gegen entsprechende Wünsche des Bundes der Kriminalbeamten (BDK). „Wir brauchen keine Feldjäger vor dem Reichstag oder in anderen Bereichen. Das ist Aufgabe der Polizei.“ Witthaut betonte, „Panikmache und Hysterie“ seien jetzt nicht hilfreich.

Witthaut lehnte eine Umstrukturierung der Polizeidienste des Bundes, wie sie derzeit diskutiert wird, ab. „Wir brauchen das Bundeskriminalamt und die Landeskriminalämter in den Ländern. Aber wir brauchen keine Bundeskriminalpolizei.“ Ein neue „Mammutbehörde“ sei überflüssig, „weil die kaum noch zu steuern ist“. Die Defizite bei der Führung derartiger Behörden seien erfahrungsgemäß am größten. Die Gründung einer Bundesfinanzpolizei nannte Witthaut hingegen sinnvoll. „Solche Vorschläge machen wir seit längerem.“

Witthaut forderte angesichts der aktuellen Terrorwarnungen und ständiger Polizeieinsätze etwa bei den Castor-Transporten ein Ende des Stellenabbaus bei der Polizei. In den vergangenen Jahren seien 9000 Stellen gestrichen worden, weitere 9000 würden folgen. „Bis 2020 fallen insgesamt 18 000 Stellen weg“, kritisierte er. „Die Polizei in Deutschland ist an der Grenze ihrer Belastung angekommen.“ Es gebe Kollegen mit 700 Überstunden. Das neue geflügelte Wort laute: „POW – Polizist ohne Wochenende“.

Aufregung nach Bombenfund in Norwegen

In Hamburg hatte es am Dienstag auch Alarm in der U-Bahn gegeben. Wegen einer Bomben-Attrappe für Militärübungen ist der Flugplatz der norwegischen Stadt Bergen gesperrt und das Hauptgebäude evakuiert worden. Wie die Nachrichtenagentur NTB berichtete, fanden Beschäftigte bei der Gepäckabfertigung einen verdächtigen Koffer und lösten Alarm aus. Alle Reisenden und das Personal des Flugplatzes Flesland mussten die Abfertigungshalle sofort verlassen. Noch ehe die aus der Hauptstadt Oslo herbeigerufenen Bombenexperten eingetroffen waren, meldete sich ein Angehöriger des(dpa/avebndnlatt.de) norwegischen Militärs als Eigner des Koffers. Darin seien „Nachbildungen von Sprengmitteln“, die er zu einem Manöver nach Trondheim schicken wollte.

Ein Sprecher des Militäroberkommandos in Oslo erklärte, es habe sich um einen „Dummy“ gehandelt, eine Attrappe für Manöver. „So ganz genau wissen wir auch noch nicht, ob es nun wie eine Granate oder etwas anderes ausgesehen hat“, sagte Stabssprecher Petter Lindqvist. Man untersuche noch, ob und wie hier Vorschriften verletzt worden seien. Wenig Verständnis für diese Transportaktivitäten der Armee über einen zivilen Flugplatz hatte die Polizei. „Das hätte er wohl besser bei der Gepäckaufgabe anmelden sollen“, sagte der zuständige Einsatzleiter Terje Hilland. Der Flugplatz der zweitgrößten Stadt Norwegens konnte nach gut einer Stunde wieder freigegeben werden.