Die Bundesregierung verschärft die Einfuhrverbote nach den Paketbomben-Funden. Die Abläufe im Frachtverkehr stehen auf dem Prüfstand.

Berlin/Washington/London. Die Bundesregierung stuft die Terrorgefahr nach den Funden von Paketbomben aus dem Jemen als ernst ein und prüft nun Verschärfungen im Frachtverkehr. Ein Paket mit einer Bombe wurde am Flughafen Köln/Bonn umgeladen. Nach dem Flugverbot für alle Maschinen aus dem Jemen erwägt die Bundesregierung jetzt Einfuhrverbote auch aus anderen Ländern. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: „Die Zuverlässigkeit der Drittstaaten und deren Kontrolle werden wir zu überprüfen haben.“ Beim Besuch eines Paketumschlagzentrums auf dem Flughafen Köln/Bonn sprach sich am Montagabend für eine europäische Lösung aus.

Terrorfahnder suchen Attentäter mit Seriennummern von Handys

Großbritannien lässt nun auch keine unbeaufsichtigte Luftfracht aus Somalia mehr ins Land. Die USA entsandten Experten in den Jemen. Sie sollen die Sicherheitsmaßnahmen an Flughäfen überprüfen und Airport-Personal schulen.

In deutschen Sicherheitskreisen war angesichts der Bombenkonstruktion von einer neuen Dimension der Bedrohung die Rede. Bei der internationalen Suche nach den Terroristen, die die Paketbomben gebaut und vom Jemen aus an Ziele in den USA verschickt hatten, gab es am Montag keine neuen Erkenntnisse. Konkrete Ländernamen für Einfuhrverbote wollte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag zunächst nicht nennen. Zur Analyse der Situation wurde ein Arbeitsstab von Auswärtigem Amt, Verkehrs- und Innenministerium sowie den Sicherheitsbehörden eingerichtet. Angestrebt werde ein EU-weites Vorgehen zusammen mit den USA, sagte Seibert.

Die Deutsche Flugsicherung wurde vom Verkehrsministerium angewiesen, bis auf weiteres nicht nur Flüge jemenitischer, sondern auch anderer Airlines aus dem arabischen Land nach und über Deutschland zu untersagen. „Mit unseren Sofortmaßnahmen soll sichergestellt werden, dass keine Fracht aus dem Jemen nach Deutschland kommt, sagte Minister Peter Ramsauer (CSU). „Jetzt müssen mögliche Lücken im System der Luftfrachtsicherheit aufgedeckt und geschlossen werden.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) informierte sich am Umschlagzentrum Köln/Bonn über Sicherheitsvorkehrungen bei der Luftfracht. Es gehe nun um eine Verbesserung der Sicherheit, sagte de Maizière. „Es macht Sinn, das europäisch zu tun.“ Deshalb werde das Thema die EU-Innenministerkonferenz in dieser Woche beschäftigen. Eine Nahost-Reise hatte er abgesagt. Deutschland war seiner Einschätzung nach in diesem Fall kein Anschlagziel. Den entscheidenden Hinweis auf die Paketbomben aus dem Jemen gab nach britischen Angaben ein ehemaliges Al-Kaida-Mitglied. Der Mann mit dem Namen Jaber al-Faifi habe sich vor zwei Wochen den saudi- arabischen Behörden gestellt, zitierte der britische Sender BBC nicht näher genannte offizielle Quellen. Al-Faifi soll früher Insasse im US-Gefangenenlager Guantánamo gewesen und sich danach Al-Kaida im Jemen angeschlossen haben.

US-Ermittler vermuten den Terroristen Ibrahim Hassan al-Asiri hinter den Attentatsplänen. Er gilt als eine der führenden Figuren der Terrororganisation Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel und als begabter Bombenbauer. Im Jemen ging die Fahndung nach einer Frau weiter, die das Paket aufgegeben haben soll. Eine zuvor dort festgenommene Medizinstudentin wurde freigelassen – wahrscheinlich hatten die Terroristen ihre Identität gestohlen und benutzt. Der Sprengstoff PETN war in Toner-Kassetten für Drucker versteckt. Laut deutschen Sicherheitskreisen ist er von Hunden nicht zu erspüren, auch eine Entdeckung durch Röntgengeräte ist fraglich. Es ist noch unklar, ob die an Synagogen in Chicago adressierten Pakete bereits Teil eines großen Anschlags waren oder ein Test.

Die in Frachtzentren in Dubai und Großbritannien gefundenen Mengen von 300 und 400 Gramm hätten jedenfalls große Schäden anrichten können. Hundertprozentige Sicherheit ist nach Experten-Meinung kaum möglich. Dies gilt auch, weil Sicherheitskreise bei den schwer aufzuspürenden Bomben von einer neuen Dimension sprechen. „Es ist bei dem jetzigen Frachtaufkommen derzeit praktisch unmöglich, die ganze Fracht zu scannen“, sagte der für Luftverkehr zuständige Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke (FDP) der Deutschen Presse- Agentur. Die Regierung wies Darstellungen zurück, die Behörden seien von den Vorgängen überrascht worden. „Der Frachtverkehr ist immer Gegenstand von Kontrollen gewesen“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Die Informationen seien „unglaublich schnell“ weitergegeben und bearbeitet worden. Regierungssprecher Seibert betonte, der Frachtverkehr sei nicht so leicht in den Griff zu bekommen wie der Personenverkehr.

Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft DeutscherVerkehrsflughäfen (ADV), Ralph Beisel, warnte vor Schnellschüssen. „Die Vorfälle der vergangenen Tage müssen zunächst detailliert aufgeklärt werden.“ An den 23 internationalen Verkehrsflughäfen in Deutschland wurden 2009 laut ADV 3,6 Millionen Tonnen Luftfracht umgeschlagen. Seit April gibt eine EU-Verordnung den Rahmen für eine „sichere Lieferkette“ vor. Danach müssen Unternehmen in Deutschland durch lückenlose Kontrollen den sicheren Transport von Fracht garantieren. Eine Sprecherin der Deutschen Post betonte, die Tochter DHL habe ein „robustes Sicherheitssystem“, das nationalen und internationalen Vorschriften entspreche. DHL arbeite mit den Sicherheitsbehörden im In- und Ausland eng zusammen. Am DHL-Luftfrachtdrehkreuz bei Leipzig werden pro Nacht etwa 1200 Tonnen Fracht umgeschlagen und 50 Flugzeuge abgefertigt.