Die Energiekonzerne sind entschieden gegen die geplante Brennelemente-Steuer. Jetzt vertagt die Regierung den Zeitpunkt der Entscheidung.

Berlin. Die Bundesregierung verschiebt ihre Entscheidung über eine Atomsteuer auf Ende September. Umweltminister Norbert Röttgen bestätigte am Mittwoch entsprechende Informationen aus Regierungskreisen mit den Worten: „Das ist auch mein Kenntnisstand.“ Ein Regierungssprecher äußerte sich in ähnlicher Weise. Derselbe Sprecher wollte wenig später aber nicht mehr von einem geänderten Zeitplan sprechen und sagte mit Blick auf die Kabinettssitzung am 1. September: „Die Brennelementesteuer liegt auf dem Tisch.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte ausweichend auf die Frage, ob das Kabinett die Brennelementesteuer in zwei Wochen beschließen werde. „Wichtig wird sein, dass am 1. September deutlich wird, es wird das Volumen erbracht, das wir uns vorgenommen haben“, sagte sie. In welcher Form dies geschehe, sei zweitrangig. Die Koalition habe sich auf ihrer Klausurtagung im Juni auf eine Brennelementesteuer festgelegt. „Wenn eine andere Lösung gefunden wird, ist es auch gut“, sagte Merkel.

Bisher war geplant, dass das Kabinett am 1. September die gesamten Gesetzentwürfe zur Umsetzung des Sparpakets und damit auch über die neue Atomsteuer beschließen soll. Nunmehr könnte dabei zwar über das Thema diskutiert werden, aber offenbleiben, ob es am Ende dann doch zu einer Fondslösung auf Grundlage eines Vertrages mit den Atomkonzernen kommt. Die Stimmen in der Regierung, die dieser Alternative Chancen geben, mehren sich zwar. Es gibt aber auch heftige Kritik, dass damit künftige Regierungen unzulässig gebunden und entmündigt würden.

Das Finanzministerium verhandelt derzeit mit den Stromkonzernen darüber, ob die von den Unternehmen bekämpfte Atomsteuer oder stattdessen eine Fondslösung auf vertraglicher Grundlage kommen soll. Nach Angaben der Regierung wird sich erst „demnächst“ entscheiden, ob und was genau das Kabinett am 1. September tatsächlich entscheidet. Und selbst wenn die Minister sich dann für eine Brennstoffsteuer entschlössen, könnte sich daran in den folgenden parlamentarischen Beratungen wieder etwas ändern, sagte der Regierungssprecher.

Den Widerspruch, dass Umweltminister Röttgen einerseits bestätigte, dass sich das Kabinett mit der Entscheidung länger Zeit lassen will, das Finanzministerium aber erklären ließ, in der Vorlage für die Sitzung der Ministerriege am 1. September sei nach derzeitigem Stand die Brennelementesteuer enthalten, wollten mehrere Regierungssprecher nicht auflösen.

Von den Grünen handelte sich die Regierung mit ihrem offensichtlichen Herausschieben der Entscheidung den Vorwurf ein, gegenüber der Atomindustrie einzuknicken. Bärbel Höhn, die Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, sagte: „Der Erpressungsversuch der Stromkonzerne hat offensichtlich gewirkt.“ Die Deutschland-Chefin der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Edda Müller warnte in der „Berliner Zeitung“, würde die Regierung auf die Bennelementesteuer verzichten, setze sie sich „ernsthaft dem Vorwurf der Käuflichkeit aus“.

Die großen Stromkonzerne hatten nach einem Medienbericht in den Verhandlungen mit der Regierung gedroht, dass sie im Falle einer Einführung der neuen Steuer ihre Atommeiler sofort stilllegen könnten. Kanzlerin Angela Merkel hatte daraufhin erklären lassen, solche Drohgebärde seien wenig hilfreich und beeinflussten das Gesprächsergebnis nicht.

Röttgen begrüßte, dass das Kabinett nun erst im Zusammenhang mit der Entscheidung über ein umfassendes Energiekonzept über Belastungen für die Betreiber der Kraftwerke entscheiden will. „Es ist richtig, das im Zusammenhang zu entscheiden“, sagte er in Düsseldorf. Der Industrieverband BDI hatte der Regierung bereits vorgeworfen, sie zäume das Pferd von hinten auf, wenn sie über neue Abgaben bereits vor der Entscheidung über den künftigen Energiemix und Laufzeitverlängerungen für Atomanlagen spreche. Ähnliche Äußerungen kamen auch aus dem Kreis der Stromkonzerne.

Die Brennelementesteuer soll dem Bund nach den Plänen des Finanzministeriums jährlich 2,3 Milliarden Euro in die Kasse spülen. Dies ist nach Angaben des Hauses von Minister Wolfgang Schäuble der Nettobetrag. Brutto, vor dem steuermindernden Absetzen als Betriebsausgabe, könnte der Betrag knapp eine Milliarde Euro höher liegen. Die Unternehmen lehnen eine Steuer ab und fordern stattdessen einen Vertrag mit der Regierung. Dieser soll ihnen mehr Rechtssicherheit bringen.