Chance für schwarz-gelbe Bündnisse schlecht. FDP bringt Ampelkoalition ins Gespräch. Spitzenkandidat Röttgen (CDU) offen für neue Koalition.

Berlin. Der FDP-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, hat seine Kritik an der Berliner Parteiführung bekräftigt. "Nach außen sollten wir uns in Berlin auf professionelles, störungsfreies Regierungshandeln konzentrieren“, sagte Lindner der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. "Wenn sich die FDP mit ihrem Grundsatzprogramm zum Ziel schuldenfreier Haushalte bekennt, begrüße ich das sehr.“ Die Entschuldung müsse Vorrang haben vor Entlastungen.

+++ Wahlkampf wird auf Lindner personalisiert +++

Zurückhaltend äußerte sich Lindner zum Thema Wachstum, das Parteichef Philipp Rösler ins Zentrum des neuen Programms stellen will. "Zweifellos ist das ja auch eine wichtige Frage“, sagte er. "Grundsatzprogramme haben in einer Partei eine Funktion nach innen." Lindner hatte ebenso wie der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki wiederholt Röslers Konfrontationskurs in der Berliner Koalition kritisiert.

+++ Die FDP klettert auf fünf Prozent - Land in Sicht +++

Lindner betonte ferner inhaltliche Übereinstimmungen mit der SPD. "In Nordrhein-Westfalen gibt es die interessante Konstellation, dass sich in manchen Aspekten der Industriepolitik einerseits SPD und FDP nahestehen, andererseits CDU und Grüne. Das finde ich bemerkenswert“, sagte Lindner der "FAS“. Zwar habe die FDP immer noch Gemeinsamkeiten mit der Union. "In NRW gibt es andererseits eine sozialliberale Tradition“, fügte Lindner hinzu. Er kündigte an, auf einem Landesparteitag am 6. Mai gegebenenfalls eine Koalitionsaussage zu treffen.

Derweil gehen kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen CDU und FDP auf Distanz. Angesichts knapper Umfragewerte zeigen sich vor allem liberale Spitzenpolitiker aus NRW offen für eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen. "Jede Regierung, in der die FDP liberale Inhalte durchsetzt, ist eine gute Regierung“, sagte der Landesvorsitzende Daniel Bahr der "Welt am Sonntag“.

Zugleich forderte auch CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen seine Partei auf, offen für neue Koalitionsmodelle sein. "Das Lagerdenken alten Stils ist vorbei. Es passt nicht mehr in eine dynamische Zeit, die kreative Antworten erfordert“, sagte der Bundesumweltminister dem "Focus“. Parteien träten nicht mehr in Regierungsbündnissen an, sondern jeweils mit eigenen Inhalten. "Nach den Wahlen sind sie dann gefordert, verantwortlich mit dem jeweiligen Ergebnis umzugehen. Das wird mal diese und mal jene Konstellation ergeben.“

+++ 99,8 Prozent: NRW-Liberale klammern sich an Christian Lindner +++

Bei der Eröffnung des Straßenwahlkampfs in Nordrhein-Westfalen griff Lindner die Haushaltspolitik von Rot-Grün scharf an. "Hannelore Kraft beschädigt die Zukunft der jungen Generation in NRW und damit die Glaubwürdigkeit Deutschlands in Europa“, sagte er am Samstag in Münster.

Bundesgesundheitsminister Bahr forderte: "Wir müssen von Wahl zu Wahl entscheiden, ob Inhalte und auch Personen zusammenpassen.“

FDP-Chef Philipp Rösler ließ dagegen in der "Leipziger Volkszeitung“ (Samstag) die Frage nach Ampelkoalitionen offen. Zugleich verteidigte er den offensiven Kampf der Liberalen um bisherige CDU-Wähler: "Wähler wollen Wettbewerb. Und in einer Koalition fusioniert man nicht, sondern bleibt eigenständig.“

+++ Wolfgang Kubicki hofft auf "Jamaika"-Koalition +++

Umfragen sagen für die Landtagswahl in NRW am 13. Mai eine rot-grüne Mehrheit voraus. Seit Lindners Nominierung haben sich die Werte der FDP in manchen Umfragen jedoch auf vier Prozent verdoppelt, so dass ein Wiedereinzug in den Landtag nicht mehr als ausgeschlossen gilt. Sollte Rot-Grün schlechter abschneiden als erwartet, wird für diesen Fall über die Bildung einer Ampelkoalition spekuliert.

In einem Wahlaufruf stärkten die Altliberalen Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und Gerhart Baum Lindner inzwischen den Rücken. "Wir trauen Christian Lindner zu, für unser Land Richtungsentscheidungen mitzuprägen. Die von ihm gesetzten Prioritäten sind richtig“, heißt es in dem Aufruf, der am Samstag im "Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlicht wurde. Und weiter: "Wir setzen auf Christian Lindner, der auf seine ganz eigene, ernsthafte Art Menschen für das liberale Lebensgefühl begeistern kann, die der Politik der FDP bislang zweifelnd begegnet sind.“

Lindner wertete dies als klare Rückendeckung: "Das ist Bestätigung für unsere Arbeit“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa in Münster. Auch Rösler, der in dem Aufruf mit keinem Wort erwähnt wird, begrüßte den Vorstoß. "Jede Rückenstärkung für unsere Wahlkämpfer hilft der gesamten FDP, ihre Wahlziele zu erreichen“, sagte er der "Bild“-Zeitung (Samstag).

(dpa/ AFP)