Der Hacker-Gruppe ist es gelungen, über das Computersystem des Bundestags auf bislang geheime Dokumente der Kundus-Affäre zuzugreifen

Berlin. Jetzt kann es jeder nachlesen, das Funkprotokoll des verheerenden Luftangriffs auf zwei von Taliban entführte Tanklaster im September 2009 in der Nähe des deutschen Feldlagers Kundus. Den Hackern von Anonymous ist es geglückt, über das Computersystem des Deutschen Bundestags auf bislang geheime Dokumente der Kundus-Affäre zuzugreifen – die ungeschützt auf den Seiten des Parlaments lagen.

Die Hacker wiesen in der Nacht zu Mittwoch unter anderem auf das Funkprotokoll des Angriffs hin. Bei dem vom deutschen Oberst Georg Klein befohlenen Angriff starben bis zu 100 Zivilisten, darunter Bauern, Arbeiter und Kinder.

Die ehemals geheimen Dokumente waren am Mittwoch auf der Seite des Bundestages erreichbar. Wer die Dokumente lesen will, muss allerdings die genaue Internetadresse der einzelnen Dateien kennen. Anonymous veröffentlichte eine entsprechende Liste und stellte zusätzlich Kopien einiger Dokumente zu dem Fall ins Netz.

+++ "Anonymus" veröffentlichte Kundendaten von US-Firma +++

+++ Anonymous bestraft solidarische Hacking-Opfer +++

Sowohl der Bundestag als auch das Bundesverteidigungsministerium kommentierten den Vorfall am Mittwoch zunächst nicht. Damit blieben auch Fragen zur Sicherheit von geheimen Dokumenten im Bundestag offen. Die Anonymous-Aktivisten verspotteten die Verwaltung: „Wenn der Deutsche Bundestag schon so mit eigenen Daten und Dokumenten umgeht, was passiert mit den Daten der Bürger?“

Wie das der Hacker-Szene nahestehende Portal gulli.com berichtete, dürfte der Bundestag die Zugriffsberechtigungen für eines seiner internen Informationssysteme falsch eingestellt haben. Auch diesen Vorgang kommentierten sowohl der Bundestag als auch das Bundesverteidigungsministerium am Mittwoch zunächst nicht.

In den Funkprotokollen ist nun nachzulesen, wie groß die Bedenken der Besatzungen der US-Jagdflugzeuge F-15 gegen einen Luftschlag waren. Mehrfach plädierten sie für einen sogenannten Show-of-Force, eine Überflug in geringer Höhe, um „sie auseinanderzutreiben“ und die Lastwagen erst anschließend zu zerstören.

Zudem geht aus den Mitschnitten der Cockpitgespräche hervor, dass die Piloten die Regeln für einen Bombeneinsatz nicht gegeben sahen. Der deutsche Oberst Klein befahl den Bombenabwurf trotzdem.

Wie der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages im vergangenen Oktober feststellte, ging der Oberst von einer unmittelbaren Gefahr aus – durch die Taliban am Ort und die Tanklaster, die als Bombe hätten genutzt werden können.

Die Opposition kritisierte seine Entscheidung scharf, da es an Informationen für eine Gefährdung durch die Laster gefehlt habe. Außerdem wäre eine Tötung von Aufständischen nur bei gleichzeitiger Vermeidung unverhältnismäßig vieler ziviler Opfer legitim gewesen.

Der Einsatz diente aber eindeutig der Tötung von Kämpfern. In dem Protokoll taucht die Frage auf: „Versucht ihr, die Lastwagen oder die Personen auszuschalten?“ Die Antwort lautet: „Wir versuchen die Personen auszuschalten.“ (dapd)