Noch hat die Regierung ihr Sparpaket nicht vorgestellt. Dennoch warnen SPD, Grüne und Gewerkschaften bereits: Sozial Schwache sind die Leidtragenden.

Kurz vor Abschluss der Sparklausur der Regierung haben sich die Grünen, SPD und Gewerkschaften gegen Einschnitten im Sozialsystem und bei den Arbeitslosen ausgesprochen. Die Grünen warnten eindringlich vor Sozialabbau und sprachen sich für höhere Steuern aus. "Erschreckend ist, dass dieser Bundesregierung beim Thema Sparen vor allem der Bereich Soziales einfällt und Maßnahmen, die den Ärmsten in unserer Gesellschaft an die Gurgel gehen, obwohl jenen das Wasser ohnehin schon bis zum Hals steht", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir dem Hamburger Abendblatt. "Dagegen tut die Bundesregierung weiter nichts bei der Finanztransaktionssteuer, mit der endlich die Finanzmärkte in die Verantwortung für die Krise genommen werden könnten." Sparen allein werde nicht reichen, "wir brauchen auch eine zeitlich befristete Vermögensabgabe für große Vermögen und eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 45 Prozent".

Das mögliche Sparpaket im Überblick

Die Bundesregierung schlingere "planlos durch den Nebel ihrer Spardiskussion, da sind weder Kurs noch Ziel zu erkennen", kritisierte Özdemir. "Es liegen ausreichend Sparvorschläge auf dem Tisch, die sinnvoll sind. Es ist jetzt ein Lackmustest für diese Bundesregierung, wo sie spart und wo nicht."

Der Grünen-Chef forderte einen "klaren Kurs, dessen Leitlinie es sein muss, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu stärken". Dafür müssten sich die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Guido Westerwelle (FDP) vor allem eine Liste des Umweltbundesamts vornehmen, aus der ein Sparpotenzial von 48 Milliarden Euro bei umweltschädlichen Subventionen hervorgehe.

Die Ministerriege unter Leitung von Kanzlerin Merkel setzt zurzeit ihre Klausur fort. Zuvor hatte sich das Kabinett nach elfstündigen Beratungen auf weite Teile des geplanten Sparpakets geeinigt. Es wurde damit gerechnet, dass Merkel und Westerwelle mittags gemeinsam vor die Medien treten, um die Beschlüsse zu verkünden.

Vor allem Familien, Arbeitslose und Unternehmen müssen sich auf schmerzhafte Einschnitte gefasst machen. Zur Debatte steht eine lange Streichliste mit Kürzungen, unter anderem beim Eltergeld und bei den Ausgaben für Arbeitslose. Außerdem erwägt die Regierung eine neue Brennelementesteuer für Atomkraftwerke sowie einen massiven Stellenabbau beim Bund.

Die SPD kündigte massiven Widerstand gegen die Sparpläne der Bundesregierung an. Das Hauptproblem seien die geplanten Kürzungen bei denen, die sich kaum wehren könnten, sagte Generalsekretärin Andrea Nahles auf NDR-Info. Auf der anderen Seite traue sich die Bundesregierung nicht, zum Beispiel Spekulanten zu besteuern, um so die Einnahmesituation zu verbessern. In den Gewerkschaften, den Sozialverbänden und Umweltverbänden habe die SPD Verbündete.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider sage: „Kürzungen bei den Ärmsten der Gesellschaft sind ökonomischer Unsinn, da sie die Binnenkonjunktur schwächen.“ Die sozial Schwachen seien die Leidtragenden einer verfehlten Haushaltspolitik, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Montagsausgabe). Er bezog sich unter anderem auf das Vorhaben, das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger zu streichen.

Eine „plumpe Rotstift-Politik“ würde die soziale Schieflage verschärfen, erklärte auch ver.di-Chef Frank Bsirske. Er erklärte, nach den bisherigen Informationen wolle die schwarz-gelbe Bundesregierung einseitig die Schwachen in der Gesellschaft belasten, statt starke Schultern angemessen zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. „Einschnitte bei den Rentenbeiträgen für Langzeitarbeitslose, Abstriche beim Elterngeld, Kürzungen bei den Fördermitteln für Erwerbslose, Arbeitsplatzabbau im öffentlichen Dienst – gerecht geht anders“, meinte Bsirske. Stattdessen sollten große Vermögen und reiche Erben steuerlich stärker herangezogen werden.

DGB-Chef Michael Sommer sagte im Südwestrundfunk, statt im Sozialetat zu kürzen, könne Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble relativ einfach zu 30 Milliarden Euro an Mehreinnahmen kommen. Zwölf Milliarden seien über eine Vermögensabgabe zu erzielen, sechs Milliarden über eine höhere Erbschaftssteuer und noch einmal zwölf Milliarden über eine Finanzmarktsteuer.

CDU/CSU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier sagte n-tv: „Gespart werden muss überall – wir haben gesagt, nicht im Bereich Bildung.“ Die Koalition wolle auch im Bereich Familienpolitik und im Bereich Umweltpolitik eher schonend vorgehen. „Und das heißt dann, in allen anderen Bereichen muss gespart werden, auch im Sozialhaushalt. Wir wollen das aber gerecht und ausgewogen tun, und vor allen Dingen wollen wir es so tun, dass Sozialleistungen treffender und zielgenauer werden“, sagte er.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, nannte es „widersinnig“, wenn die Koalition noch einmal bis zu 15.000 Stellen bei den Bundesbehörden einsparen wolle. „Wer jetzt neue Regeln zur Bändigung von Zockerei und Spekulation diskutiert und gleichzeitig die staatlichen Kontrollinstanzen personell aushungern will, straft sich selbst Lügen.“ Auch ein weiterer Abbau bei der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt sei für den Erhalt der inneren Sicherheit höchst riskant, meinte er.