Der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, bestätigt die Existenz einer solchen Gruppe im Ministerium.

Berlin. Die Affäre um das tödliche Bombardement auf zwei Tanklaster in Nordafghanistan ist vom Verteidigungsministerium offenbar gezielt verschleiert worden. Bei seiner Vernehmung vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss bestätigte der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, am Donnerstag die Existenz einer „Gruppe 85“ im Ministerium. Sie soll den Vorfall gezielt vertuscht haben. Gleichzeitig wies Schneiderhan Vorwürfe zurück, er habe die politische Spitze in Berlin nicht ausreichend informiert.

Er habe von der Existenz der Gruppe und von ihrem Auftrag gewusst. Er sei nicht in die Gruppe eingebunden gewesen. „Diese Gruppe fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich“, sagte er. Er empfehle, den ehemaligen Staatssekretär Peter Wichert zu fragen, „der diese Gruppe eingesetzt und geführt hat“. Wichert sollte am späten Abend vor den Ausschuss treten. Zuvor hatte „Spiegel Online“ berichtet, dass im Ministerium „eigens eine Arbeitsgruppe aus mindestens fünf Beamten gegründet wurde, um die Ermittlungen der NATO“ zu dem tödlichen Bombardement zu beeinflussen.

Wie „Spiegel Online“ unter Berufung auf interne Dokumente berichtete, sollte die „Gruppe 85“ – laut Schneiderhan identisch mit der sogenannten „Wichert-Runde“ – durch eine Kommunikationsstrategie im Fall Kundus ein „positives Bild auch des Erfolgs“ möglich machen und Kritik an der Bundeswehr gezielt verhindern. Die „Abteilung für die Vertuschung“ (“Spiegel Online“) wurde demnach am 9. September ins Leben gerufen, fünf Tage nach dem Luftangriff. Geleitet wurde sie dem Bericht zufolge vom mittlerweile entlassenen Staatssekretär Wichert.

Unterdessen berichtet die "Stuttgarter Zeitung" in ihrer Freitag-Ausgabe, dass die Bundesanwaltschaft gegen Bundeswehr-Oberst Georg Klein und seinen Flugleitoffizier wegen des Verdachts auf ein Kriegsverbrechen ermittelt. Die Zeitung beruft sich auf Regierungskreise. Von der Bundesanwaltschaft gab es zunächst keine Bestätigung. Bei dem von Klein befohlenen Luftangriff am 4. September 2009 nahe der nordafghanischen Stadt Kundus waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden.

Der Zeitung zufolge habe sich der Anfangsverdacht, dass bei dem Luftangriff gegen das Völkerstrafgesetzbuch verstoßen wurde, „auf niedriger Stufe bestätigt“. Die Bundesanwaltschaft habe beide als Beschuldigte zur Vernehmung in der kommenden Woche vorgeladen. In Berliner Koalitionskreisen werde erwartet, dass das Ermittlungsverfahren gegen die beiden am Ende eingestellt und keine Anklage erhoben werde.

Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Hans-Peter Friedrich nahm den amtierenden Verteidigungsminister und Parteikollegen Karl-Theodor zu Guttenberg in Schutz. „Sondereinheiten zur Vertuschung der Wahrheit können nirgendwo geduldet werden“, erklärte er. Wenn eine solche Gruppe aktiv war, „dann ist das ein unglaublicher Vorgang“. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte, die Enthüllungen über die „Gruppe 85“ und die Verstrickungen von Ex-Staatssekretär Wichert seien „haarsträubend“. Sie belegten, dass Guttenberg mit der Entlassung Wicherts das einzig richtige getan habe.

Schneiderhan verteidigte sich in der mehrstündigen, pausenlosen Befragung offensiv gegen Vorwürfe, er habe den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und dessen Nachfolger Guttenberg nicht ausreichend informiert. Die Minister seien so beraten worden, „dass sie stets urteilsfähig waren“, sagte er. Dies habe auch für die Möglichkeit ziviler Opfer gegolten. Guttenberg hatte erklärt, ihm seien Informationen vorenthalten worden. Die Informationspannen nach dem Angriff hatten zunächst zum Rücktritt Jungs und danach zum Abgang Schneiderhans und Wicherts geführt.

Gleichzeitig mahnte der Ex-General die im Ausschuss versammelten Abgeordneten vor zu viel Öffentlichkeit. „Die Bundeswehr ist in einem gläsernen Einsatz“, sagte er. Die Truppe sei dabei, beispielsweise für die Taliban berechenbar zu werde. Sie drohe damit ihre Einsatzfähigkeit zu verlieren. „Und deshalb sage ich: Vorsicht vor der Öffentlichkeit.“ In der kommenden Woche soll Jung vor dem Ausschuss gehört werden. Die Vernehmung Guttenbergs ist für den 22. April geplant.