Auch nach dem Rücktritt ihrer Vorsitzenden will die EKD politische Debatten anstoßen. Käßmanns vorläufiger Nachfolger hat konkrete Themen genannt.

Düsseldorf/Köln. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) will sich auch nach dem Rücktritt der Ratsvorsitzenden Margot Käßmann weiter politisch Gehör verschaffen. Der amtierende Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider kündigte am Donnerstag an, von Käßmann angestoßene Themen wie die Afghanistan-Debatte aufzugreifen. Schneider nannte als weitere wichtige Themen, bei denen er in den kommenden Monaten an der Spitze der EKD Akzente setzen wolle, weltweite Gerechtigkeit, Ökumene und Klimaschutz. Innerkirchlich sei eine Hauptaufgabe, den EKD-Reformprozess fortzuführen, der „in den Gemeinden ankommen“ müsse. Eine zentrale Frage sei zudem, „wie es in unserem Land sozial weitergeht“ und wie mit den Schwächsten umgegangen werde, sagte der rheinische Präses im WDR.

Seine Ankündigung setzte Schneider direkt in die Tat um. Mit scharfer Kritik ging er auf die Hartz-IV-Äußerungen von FDP-Chef Guido Westerwelle ein. Westerwelle zeichne ein falsches Bild von Menschen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen seien. Von Sozialleistungen könne niemand bequem leben. „Und dann werden diejenigen, die Steuern zahlen oder in Arbeit sind, auch noch positioniert gegen die armen Menschen“, rügte der kommissarische EKD-Ratsvorsitzende. „Das gehört sich nicht.“

Schneider ließ bislang offen, ob er sich vorstellen kann, das protestantische Spitzenamt über die kommissarische Leitung hinaus auszuüben. „Ich muss mich auf diese neue Situation jetzt erst mal einstellen“, sagte er. Er sei aber bereit, „die jetzt gestellten Aufgaben anzunehmen“. Wie es dann weitergehe „und wer auf Dauer für die nächsten Jahre für dieses Amt infrage kommt, das wird sich herausstellen“. Nach nur vier Monaten an der Spitze der EKD hatte Käßmann am Mittwoch ihren Rücktritt erklärt. Zugleich legte sie ihr Amt als hannoversche Landesbischöfin nieder. Die 51-Jährige zog damit die Konsequenz aus einer Autofahrt mit 1,54 Promille Alkohol im Blut.

Neben Schneider versprach auch EKD-Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt, die evangelische Kirche wolle „politisch unbequem“ bleiben. Sie kündigte an, die EKD wolle fortsetzen, was Käßmann als „Gesicht des Protestantismus“ in Deutschland angestoßen habe. „Wir sind entschlossen, den modernen, fröhlichen, den Menschen zugewandten Protestantismus weiterzuführen“, sagte sie im ZDF.

Dass das Image der evangelischen Kirche durch Käßmanns Alkoholfahrt beschädigt wurde, glaubt die Grünen-Politikerin nicht. Aus Sicht des Rates der EKD hätte Käßmann weiter im Amt bleiben können. „Sie hat in ihrer Gradlinigkeit anders entschieden“, sagte die Göring-Eckard. Das verdiene hohen Respekt und sei ein „großer Dienst an unserer Kirche“.

Günther Beckstein, einer der Vizepräses der Synode, schloss sogar eine Rückkehr Käßmanns an die EKD-Spitze nicht aus. Dass jeder Mensch die Chance bekommen solle, ein zweites Mal anzufangen, halte er für wichtig. „Ob das wieder an die Spitze der evangelischen Kirche führt, ist eine andere Frage“, sagte der CSU-Politiker im Südwestrundfunk. Es sei seine Überzeugung, dass Käßmann „eine herausragende Persönlichkeit ist, die irgendwo wieder auch besondere Verantwortung kriegt und verdient“.