Karl-Theodor zu Guttenberg bricht mit einem Tabu seines Vorgängers. Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich unterdessen entschlossen.

Berlin. Unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist das Wort Krieg im Zusammenhang mit dem Afghanistan-Einsatz nicht länger ein Tabu. „In Teilen Afghanistans gibt es fraglos kriegsähnliche Zustände“, sagte Guttenberg der „Bild“-Zeitung vom Dienstag. Er verstehe jeden Soldaten, der am Hindukusch von Krieg spreche. Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung hatte es dagegen zur Verärgerung der Soldaten strikt abgelehnt, das Wort zu verwenden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte in ihrer Rede vor dem US-Kongress die Entschlossenheit Deutschlands, den Einsatz am Hindukusch zum Erfolg zu führen. Eine Strategie zur Übergabe der Verantwortung an die afghanischen Behörden solle bei der Afghanistan-Konferenz Anfang 2010 entwickelt werden. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte zum Antrittsbesuch des deutschen Außenministers Guido Westerwelle von Deutschland mehr Engagement in Afghanistan. Über eine Aufstockung der deutschen Truppen soll nach FDP-Angaben aber erst nach der Konferenz entschieden werden. Bis dahin solle das Mandat unverändert verlängert werden, sagte der FDP-Wehrexperte Rainer Stinner der „Mitteldeutschen Zeitung“.

Nach dem Völkerrecht könne ein Krieg nur zwischen Staaten stattfinden, räumte Guttenberg ein. „Aber glauben Sie, auch nur ein Soldat hat Verständnis für notwendige juristische , akademische oder semantische Feinsinnigkeiten?“, fragte er. Manche herkömmliche Wortwahl passe schlicht nicht mehr auf die Bedrohung von heute. „Ich selbst verstehe jeden Soldaten, der sagt: ’In Afghanistan ist Krieg, egal, ob ich nun von ausländischen Streitkräften oder von Taliban-Terroristen angegriffen, verwundet oder getötet werde’“.

Der Bundeswehrverband lobte die offenen Worte Guttenbergs. Guttenberg zeige, dass er den Puls der Truppe fühle, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der „Leipziger Volkszeitung„ (Mittwochausgabe). Auch der Wehrbeauftragte Reinhold Robbe sprach im „Hamburger Abendblatt“ von einem richtigen Signal. Rasmussen sagte nach dem Treffen mit Westerwelle im Nato-Hauptquartier in Brüssel, außer mehr Soldaten seien größere Anstrengungen bei der Ausbildung der afghanischen Soldaten und Polizisten nötig. Westerwelle hielt sich bedeckt und sagte, er wolle den Diskussionen über die Mitte Dezember anstehende Verlängerung des Afghanistan-Mandats nicht vorgreifen.

Im Streit über den umstrittenen Luftangriff auf zwei Tanklaster nahe Kundus bat Guttenberg die Nato, eine nicht als geheim eingestufte Version ihres Untersuchungsberichts vorzulegen. Es gehe darum, in der Öffentlichkeit für Transparenz zu sorgen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums Reuters. Voraussetzung dafür sei ein nicht eingestufter Bericht. Der bisher unveröffentlichte Nato-Bericht entlastet die Bundeswehr nach Angaben von SPD und Linkspartei nicht. Darin sei „unmissverständlich von einer überspitzt dargestellten Bedrohungslage zu lesen, von einer übereilten Eskalation und vom Versäumnis einer unmittelbar anschließenden Untersuchung“, erklärte der Verteidigungsexperte der Linkspartei, Paul Schäfer. Der SPD-Experte Rainer Arnold sprach in der „Tageszeitung„ (Mittwochausgabe) von einer nur konstruierten akuten Gefahrensituation.

Was dem Bundeswehroffizier vorgeworfen wird.

Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan hatte den Angriff auf die Tanklaster dagegen als militärisch angemessen bezeichnet. Er äußerte sich allerdings nicht dazu, ob die deutschen Soldaten in Kundus bei der Anordnung des Bombardements gegen die Regeln der Nato-Truppe Isaf verstießen. Die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft prüft wegen des Vorfalls die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.