SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier suchte sich einen teuren Ort für seine wichtige Rede aus. Der Bärensaal kostet am Tag 4500 Euro.

Berlin. Billig ist er nicht, der „Bärensaal“ im Alten Stadthaus von Berlin. Allein die Tagesmiete schlägt mit 4500 Euro zu Buche. Aber natürlich ist das für Frank-Walter Steinmeier ein toller Platz, um eine bedeutende Rede zu halten. Nicht nur wegen der historischen Umgebung; unter anderem wurde hier der deutsch-deutsche Einigungsvertrag ausgehandelt. Auch wegen der zwölf klugen altdeutschen Sprüche an der Wand, von denen sich einer besonders gut für die nächsten acht Wochen eignet: „Wer viel geredet und hält nicht, der ist wie Wolken und Wind ohne Regen.“

Hier also trägt Steinmeier am Montag vor dem ausgewähltem Kreis der Karl-Schiller-Stiftung seinen „Deutschland-Plan“ vor. Nicht weniger als vier Millionen neue Arbeitsplätze verspricht der SPD-Mann bis 2020, falls er allen Umfragen zum Trotz nach dem 27. September Kanzler werden sollte. Zwei Millionen Jobs in der Industrie, eine Million im Gesundheitssektor, 500 000 im Kultur- und Medienbetrieb und noch einmal 500.000 in anderen Bereichen.

Das Wachstum dazu soll vor allem aus „grünen“ Technologien wie Elektroautos oder Niedrigenergiehäusern kommen – auch wenn Steinmeier von der Unterteilung in Branchen nach alt und modern nicht viel hält. „In diesen Tagen hören wir oft: „Stahl, Chemie, Maschinen und Autos, das war alles mal. Heute zählt nur noch Google“, sagt Steinmeier ziemlich zu Beginn. „Das ist ein gefährlicher Irrtum. Wir brauchen beides: Google und Thyssen, SAP und Daimler.“

Und gleich in den ersten Sätzen macht der Außenminister deutlich, dass er mit dem 67-Seiten-Plan (Offizieller Titel: „Die Arbeit für morgen – Politik für das nächste Jahrzehnt“) langsam auch vom „allgemeinen Krisengerede“ wegkommen will. Deutschland brauche einen „Perspektivwechsel“. „Bei der Wahl geht es nicht nur um Steinmeier oder Merkel, nicht nur um rot, grün, schwarz oder gelb. Es geht darum, wie Deutschland in den nächsten 10 bis 20 Jahren, in den Jahren nach der Krise aussehen soll.“

Vorschläge dafür macht er eine ganze Reihe – auch viele, die auch aus anderen Lagern stammen könnten. Das reicht von der sofortigen Einberufung eines staatlichen „Kredit-Vermittlers“ für den Mittelstand über die Gründung einer eigenen „Software-Hochschule“ bis hin zum Aufbau eines bundesweiten Verkehrs-Leitsystems. Letzte Zielmarke ist auch hier das Jahr 2020. Von einer neuen „Agenda 2020“ will der Agenda-2010-Miterfinder aber nichts wissen.

Bei der politischen Konkurrenz kommt das Papier erwartungsgemäß schlecht an. Noch-Koalitionspartner Union tut die Vorschläge als unseriöse Wahlversprechen aus „Fantasialand“ ab. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) soll noch schnell vor der Wahl ein Gegenkonzept entwickeln. Kritik gibt es auch von FDP und Linkspartei. Allein die Grünen loben das Konzept – auch wenn sie sich beklagen, der SPD-Kandidat habe ziemlich bei ihnen abgekupfert.

Mit dem Konzept geht Steinmeier nun auf „Deutschland-Reise“. Auftakt wird an diesem Dienstag in Nordrhein-Westfalen sein. Alles in allem will er den August über in 14 von 16 Bundesländern Station machen, um für seine Vorstellungen zu werben. Davon, dass die Aussicht, die Ideen demnächst als Kanzler auch umsetzen zu können, nun wirklich nicht besonders gut ist, will er sich nicht hindern lassen.

Für solche Fälle bietet sich ohnehin ein anderer Spruch an, der im historischen „Bärensaal“ ebenfalls zu lesen ist: „Der ist nicht stark, der in der Not nicht fest ist.“