Frank-Walter Steinmeier will im Falle eines Wahlsieges vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen. Aus den Reihen der Union hagelt es Kritik.

Hamburg/Berlin. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bobach hat Frank-Walter Steinmeiers Arbeitsplatzversprechen als „Akt der Verzweiflung“ bezeichnet. „Wie verzweifelt muss der SPD-Kanzlerkandidat eigentlich sein, sich mit einem derart unseriösen Versprechen in die Öffentlichkeit zu wagen?“, sagte Bosbach dem „Hamburger Abendblatt“ (Montagsausgabe). „Herr Steinmeier ist seit elf Jahren Mitglied der Bundesregierung. Warum hat er uns so lange verschwiegen, dass er in der Lage sein will, vier Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen?“

Bosbach weiter: „Steinmeiers ganzes Handeln zielt offenbar ausschließlich darauf ab, die Bundestagswahl am 27. September noch mit einem blauen Auge zu überstehen. Politiker sollten sich zwar ehrgeizige Ziele setzen, aber sie müssen auch realistisch und erreichbar sein, sonst disqualifizieren sie sich völlig.“

Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte: „Die Menschen sind es leid, immer zu Wahlkampfzeiten mit Versprechen überschüttet zu werden.“ FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bezeichnete den Vorstoß ebenfalls als „Akt der Verzweiflung“. Steinmeier will seinen „Deutschland-Plan“ am Montag in Berlin präsentieren. In dem 67-seitigen Papier heißt es laut „Spiegel“: „Wir zeigen, wie Deutschland mit kluger Politik im nächsten Jahrzehnt insgesamt vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen kann.“ Weiter wird erklärt: „Bis 2020 wollen wir die Arbeitslosigkeit besiegen.“ Der CSU-Politiker Gutenberg sagte „Bild am Sonntag“, die Menschen erwarteten zu Recht konkrete Vorschläge. „Dabei ist bei der SPD bisher wenig zu finden.“ FDP-Generalsekretär Niebel sagte demselben Blatt: „Das Versprechen von vier Millionen neuen Arbeitsplätzen ist ein Akt der Verzweifelung, um mit einem unseriösen Wahlgeschenk die am Boden liegende SPD wieder aufzurichten.“

Als „durchsichtiges Ablenkungsmanöver“ bezeichnete der Vorsitzende der CSU-Mittelstands-Union, Hans Michelbach, die Arbeitsplatzversprechen. Steinmeier versuche mit vollmundigen Versprechen für die ferne Zukunft von der offenkundigen wirtschaftspolitischen Inkompetenz seiner Partei in der Gegenwart abzulenken, sagte Michelbach am Sonntag in München. Mit ihrer Planwirtschaft erreiche die SPD vielleicht vier Millionen Arbeitslose mehr bis 2020, aber bestimmt keinen einzigen zusätzlichen Arbeitsplatz.

Rund acht Wochen vor der Bundestagswahl will der amtierende Vizekanzler am Montag in einer Grundsatzrede seine Pläne präsentieren. Dem Papier zufolge sollen zwei Millionen Arbeitsplätze in der Industrie durch den sparsameren Einsatz von Energie und Rohstoffen sowie die Förderung grüner Schlüsseltechnologien entstehen, unter anderem im Bereich der Elektromobilität.

Eine Million neue Jobs verspricht Steinmeier in der Gesundheitswirtschaft, wo er mehrere hunderttausend Stellen für Kranken- und Altenpflege bereitstellen will. Eine halbe Million neue Arbeitsplätze sollen in der Kreativwirtschaft entstehen, eine weitere halbe Million in den sonstigen Dienstleistungen und im Handel.

Die Demoskopen von Emnid und Forsa rechnen angesichts desaströser Umfragewerte aber nicht mehr damit, dass Steinmeier eine große Aufholjagd wie einst Bundeskanzler Gerhard Schröder schaffen wird. Der hatte 2005 bei der Bundestagswahl 34,2 Prozent erreicht und in einem Schlussspurt 6,2 Prozentpunkte zugelegt. Diesen Spitzenwert könne Steinmeier kaum noch erreichen, sagte der Geschäftsführer des Forschungsinstituts TNS Emnid, Klaus-Peter Schöppner, der „Welt am Sonntag“. Einerseits fehle ein großes Gewinnerthema. Andererseits habe Steinmeier nicht die Spürnase für Themen wie Schröder, erklärte Schöppner.

Laut Forsa-Chef Manfred Güllner war das Motiv für unentschlossene Wähler, bei der letzten Bundestagswahl doch wieder SPD zu wählen, klar mit Gerhard Schröder verbunden. „Der fehlt aber heute.“ Zudem sei der SPD-Kanzler 2005 populärer als die Herausforderin Angela Merkel gewesen. „Jetzt ist es genau umgekehrt: Die CDU-Kanzlerin hat weitaus höhere Beliebtheitswerte als SPD-Kanzlerkandidat“, sagte Güllner. Darüber hinaus gebe es keine Wechselstimmung.