Die Regelung, dass auch Nichtmitglieder bei Vorwahlen über SPD- Kandidaten für Wahlen mitentscheiden dürften, lehne der Vorstand ab.

Wolfsburg. Die SPD-Niedersachsen hat den jüngsten Vorschlägen des Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel zur Parteireform ein klare Absage erteilt. Die SPD wolle zwar „mit allen politischen Gruppen Politik gestalten“, sagte der niedersächsische SPD-Landeschef Olaf Lies am Sonnabendauf dem Parteitag in Wolfsburg. Die Regelung, dass auch Nichtmitglieder bei Vorwahlen künftig über SPD-Kandidaten für Wahlen mitentscheiden dürften, lehne der Landesvorstand jedoch ab. Bei wichtigen Personalentscheidungen soll es nach einem Vorschlag Gabriels künftig Urwahlen geben, die auch für Nicht-Mitglieder offen sind.

Auch Gastredner Olaf Scholz kritisierte die Parteireform. „Es geht darum, die richtige Balance zwischen Stärkung der Mitglieder und Öffnung der Partei zu finden“, sagte der Erste Bürgermeister der Hansestadt Hamburg. Der Schatz der Mitgliedschaft müsse bewahrt werden. Gleichzeitig müsse die SPD aber zu einer hochmodernen Partei werden, die angemessene Beteiligungsmöglichkeiten schaffe. „Von oben wird keine Reform durchgesetzt.“

Aus der Sicht der CDU-Niedersachsen fallen die Sozialdemokraten Gabriel damit „eiskalt in den Rücken“. Der SPD-Landesvorstand ersticke Gabriels Partei-Öffnungsversuche durch ein klares Nein im Keim.

Für die Kommunalwahl im September haben sich die niedersächsischen Sozialdemokraten hohe Ziele gesteckt. Die SPD müsse als stärkste politische Kraft aus der Wahl hervorgehen, forderte Lies. Ein starkes Abschneiden in den Kommunen sei für seine Partei das richtige Signal für die Landtagswahl 2013. Deren Ergebnis müsse auch dem CDU-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten David McAllister klar machen, dass die Zeit für einen sozialdemokratischen Regierungschef in Niedersachsen gekommen sei.

Als positives Signal wertete Lies den Sieg für Olaf Scholz in Hamburg. Im Hinblick auf die anstehenden Wahlen forderte Scholz seine niedersächsischen Genossen auf, die Rolle der SPD als Volkspartei zu stärken: „Wir haben diesen Begriff erfunden. Deshalb müssen wir für alle Bürger wählbar sein.“

Im Mittelpunkt des Parteitags stand die Vorbereitung der Kommunalwahl. Dazu verabschiedeten die Delegierten einen Leitantrag mit dem Titel „Mit Lösungen überzeugen“. Themen des Papiers sind unter anderem die Forderungen nach umweltfreundlicher und bezahlbarer Energie, nach einer besseren Kinderbetreuung und Integration sowie einer stärkeren Rolle der Gemeinden bei der Grundversorgung der Bürger.

Zufrieden zeigte sich Landeschef Lies mit der Resonanz auf die Idee des sogenannten offenen Landesparteitags. Rund 200 Gäste nutzten in Wolfsburg die Gelegenheit, mit Amts- und Mandatsträgern über Themen wie Bildung, Energie- und Arbeitsmarktpolitik zu diskutieren.

SPD hat erstmals seit 1906 weniger als 500 000 Mitglieder

MItgliederschwund bei den Sozialdemokraten: Die SPD hat erstmals seit mehr als 100 Jahren weniger als eine halbe Million Mitglieder. „Seit 1906 sind wir das erste Mal weniger als 500 000 Mitglieder“, sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Freitagabend in Hamburg. Grund dafür sei der demografische Wandel. Es liege nicht an möglichen Austritten. Es gebe vielmehr weit mehr Todesfälle als Neueintritte. „Damit keiner denkt, das hätte was mit der „Agenda 2010“ zu tun. (...) Der Mitgliederverlust hat begonnen im Jahr 1976“, sagte der SPD-Chef. Gabriel betonte, in seiner Partei liege das Durchschnittsalter mittlerweile bei knapp unter 60 Jahren. Das führe dazu, dass die Sozialdemokratie nicht mehr so nah an den Menschen sei. „Deswegen, glaube ich, müssen wir uns verändern“, verteidigte er seine teils umstrittenen Vorschläge zur Reform der Partei.

Gabriel wirbt um Mitglieder der Linken

SPD-Chef Sigmar Gabriel wirbt um reformorientierte Mitglieder der Linkspartei. "Kommt zu uns, Genossen! Herzlich willkommen in der SPD!", sagte Gabriel dem Nachrichtenmagazin "Stern". Eine frühere SED-Mitgliedschaft solle nach Worten des Parteichefs kein Hindernis mehr sein. Es gebe Teile der Linkspartei, "bei denen die Unterschiede zu uns inzwischen überschaubar sind - vielleicht schon immer waren."

(dpa/abendblatt.de)