US-Medien bieten fast täglich neue Details von seiner angeblichen Vergewaltigung einer Muslimin. Was stimmt, weiß niemand.

New York/Hamburg. Sperma, Bestechung und ein aufgeblasenes Ego: Amerika erfuhr am Dienstag aus den Medien eine Fülle neuer Einzelheiten zum Fall des ehemaligen IWF-Chefs Dominique Strauss-Kahn. Der TV-Sender NBC, das angesehene „Wall Street Journal“ und etliche andere Medien berichteten, dass Spermaspuren auf der Uniform des Zimmermädchens mit der DNA des 62-jährigen Franzosen übereinstimmen.

Glaubt man der „New York Post“, so versuchen Freunde von „DSK“ zurzeit, den Angeklagten mit Geld reinzuwaschen. Sie hätten der bettelarmen Familie der Frau im westafrikanischen Guinea eine siebenstellige Summe für ihr Schweigen geboten. Die „Post“ erfuhr angeblich auch, dass Strauss-Kahn das Zimmermädchen während der Sexattacke mehrfach fragte: „Weißt Du denn nicht, wer ich bin?“.

CNN und die „New York Daily News“ steuern Aussagen vom Personal des Sofitel Hotels am New Yorker Times Square bei. Dort war der auch daheim als Schürzenjäger bekannte Strauss-Kahn vor gut einer Woche in der Penthouse-Suite abgestiegen. Zunächst habe er mit einer Empfangsdame heftig geflirtet und eine andere Hausangestellte zum Drink auf sein Zimmer eingeladen, bevor er splitternackt über das Zimmermädchen herfiel und sie nach ihren Angaben zum Oralsex zwang.

Allen Anschuldigungen zum Trotz gibt sich die Verteidigung des einst mächtigsten Bankers der Welt optimistisch. Strauss-Kahn werde sich nicht schuldig bekennen und am Ende des Verfahrens freigelassen werden, prophezeite sein New Yorker Anwalt Benjamin Branfman. Nach Meinung der Medien wird Branfman darauf pochen, dass der Oralsex im Einvernehmen mit dem Zimmermädchen stattfand.

Strauss-Kahns Pech soll gewesen sein, dass es sich bei der Frau um eine strenggläubige Muslimin handelt. Die Frau könne nur ihren Namen schreiben und habe von dem damaligen IWF-Chef wohl wirklich noch nie gelesen oder gehört. Ihre Nachbarn und die Medien sind voll des Lobes für sie: Die 32-jährige Witwe arbeite hart, um sich und ihre

15-jährige Tochter allein durchzubringen. Damit steht das erwartete Argument seiner Verteidiger vom einvernehmlichen Verkehr vermutlich auf wackeligen Füssen.

Strauss-Kahn ist wegen versuchter Vergewaltigung in insgesamt sieben Punkten angeklagt und könnte eine Freiheitsstrafe von 25 und mehr Jahren bekommen.

Der Tatverdächtige saß knapp eine Woche in New York hinter Gittern, bevor er mit Hilfe seiner Frau, Anne Sinclair, eine Kaution in Höhe von zusammen sechs Millionen Dollar (rund 4,2 Millionen Euro) aufbrachte. Dafür wartet er jetzt unter Hausarrest in einem Appartement in Manhattan auf den Prozess. Wegen der Fluchtgefahr muss er eine elektronische Fessel am Fußgelenk tragen und wird rund um die Uhr von bewaffneten Sicherheitsbeamten bewacht.

Dass es bei der „versuchten Vergewaltigung“ zum Samenerguss kam und dass das Sperma tatsächlich von Strauss-Kahn stammt, ist eine der wenigen Sensationszeilen, die bisher von der Justiz bestätigt wurden. Bei der Anhörung zur Freilassung gegen Kaution ließ der New Yorker Staatsanwalt John McConnell schon vor Tagen durchblicken, dass das forensische Beweismaterial mit der Aussage des Opfers übereinstimme.

Das heißt nach Auskunft aus Juristenkreisen, dass die Anklage gegen Strauss-Kahn selbst dann weiterlaufen könnte, wenn die Frau auf ein finanzielles Angebot eingehen und künftig schweigen würde. Vorausgesetzt, das Angebot gibt es wirklich und ist nicht nur eine Zeitungsente.

Lesen Sie auch: Strauss-Kahns Anwalt glaubt fest an Freispruch

Die Wall Street ist um die Ecke, Ground Zero, wo die Türme des World Trade Center am 9. September 2001 einstürzten, wenige Gehminuten entfernt. Und selbst für Touristen in New York City ist die Adresse von Dominique Strauss-Kahns Zuflucht längst kein Geheimtipp mehr: 71 Broadway in Manhattan. Da wo der Broadway im Süden New Yorks beginnt. Und das Schmierentheater um den zurückgetretenen Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) hält an. In den USA fragt man ernsthaft, wer Strauss-Kahn bei einer Hollywood-Verfilmung spielen könnte, wer Regie führt. Sein Anwalt jedoch glaubt nicht nur an die Unschuld Strauss-Kahns, der sich mit Vorwürfen der Vergewaltigung einer Hotelmitarbeiterin konfrontiert sieht. Benjamin Brafman, gewiefte Verteidiger mit einem Stundensatz, der selbst Juristen die Tränen in die Augen treibt, ist absolut zuversichtlich, dass Strauss-Kahn einen Prozess mit einem Freispruch erster Klasse durchstehen würde.

Brafman sagte dem französischen Fernsehsender TF1, erste Einblicke in die Ermittlerakten hätten ihn zuversichtlich gestimmt. Die Anschuldigungen des Zimmermädchens, Strauss-Kahn habe sie vergewaltigen wollen, könnten nach Aktenlage nicht gehalten werden. „Nach dem, was ich gesehen habe, bin ich zuversichtlich. Wenn er ein faires Verfahren bekommt, wird er nach den Anhörungen freigelassen.“

Derzeit lebt Strauss-Kahn mit einer Fußfessel und unter schweren Auflagen in dem Haus am unteren Broadway. Das Gericht hatte ihn gegen eine Millionen-Kaution aus dem Gefängnis Rikers Island entlassen. Fünf Millionen Dollar musste er als Garantie hinterlegen, dass er tatsächlich vor Gericht erscheint. Das Haus darf er nur verlassen, um sich medizinisch behandeln zu lassen. Doch bei seinem Millionenvermögen käme der Arzt auch auf einen Hausbesuch vorbei. Rund 200.000 Dollar soll sich Strauss-Kahn die Bewachung und den Rund-um-die-Uhr-Service pro Monat kosten lassen. Das Haus wird von Polizisten bewacht, Touristen und Schaulustige drängten sich zeitweise vor dem Gebäude, ebenso Reporter, um Paparazzi-Fotos von Anne Sinclair zu machen, der nicht minder wohlhabenden Gattin Strauss-Kahns. Sinclair, eine prominente TV-Journalistin, kam am Sonntagvormittag aus dem Apartment und schlüpfte in einen wartenden SUV. Stunden später kam sie zurück, was sie tat, ist ungewiss. Sie unterstützt ihren Mann in der Affäre. (dpa/abendblatt.de)