Das Militär des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi greift zum Teil zu illegalen Kriegslisten und setzt Rotkreuz-Hubschrauber ein.

Bengasi/Kairo. Der Konflikt in Libyen und die damit verbundenen Leiden der Bevölkerung in der belagerten Hafenstadt Misrata nehmen kein Ende: Nach Informationen der Aufständischen ist Gaddafis Militär zu illegaler Kriegsführung übergegangen. Den Berichten nach soll das Militär Hubschrauber mit Markierungen des Roten Kreuzes einsetzen, um Minen im Hafen zu verbreiten. Außerdem sollen die international geächteten Streubomben erneut Schäden in der Stadt angerichtet haben. Hinzu kommt, dass die schnellen Kampfjets der Nato noch kein Mittel gegen die neueste Waffe der Gaddafi-Militärs gefunden haben: die langsamen, aber überaus wendigen Agrarflieger in ihrer neuen Rolle als Bomber.

Staatliche Medien berichten, dass sich in der drittgrößten Stadt Libyens eine Rebellengruppe den regierungstreuen Einheiten ergeben haben. Wie viele Überläufer es gegeben hatte, wurde nicht genannt. Mindestens 1000 Menschen wurden in Misrata in den vergangenen Wochen bei Kämpfen zwischen Regimegegnern und Gaddafi-Truppen nach Rebellenangaben getötet.

In Misrata wurden am Sonntag Vorwürfe der illegalen Kriegsführung an die Adresse der Belagerer laut. Aufständische berichteten im arabischen Sender Al-Dschasira, dass die Gaddafi-Milizen Sanitätshubschrauber einsetzten, um den Hafen zu verminen. "Die Hubschrauber haben Kennungen des Roten Kreuzes und Roten Halbmonds, so dass jeder an humanitäre Hilfe denkt“, sagte ein Sprecher der Rebellen zu der Taktik.

Nach Darstellung der "New York Times“ setzten die Belagerer erneut Streubomben gegen Misrata ein. Die international geächteten Waffen, in diesem Fall aus chinesischer Produktion, seien unter anderem mit Raketen auf den Hafen abgefeuert worden. Zwei Menschen seien bereits durch die kleinen, heimtückischen Sprengsätze ums Leben gekommen.

Erst am Vortag hatten Gaddafis Militärs – unter Missachtung des von den UN verfügten Flugverbots – Agrarflugzeuge zu Bombenabwürfen über Misrata eingesetzt. Die Bomben aus den "Kartoffelfliegern“ zerstörten das einzige Treibstoffdepot der Aufständischen. Die im Gaddafi-kontrollierten Westen des Landes gelegene Enklave wird von den Regimegegnern seit mehr als zwei Monaten gegen die Truppen des Regimes verteidigt.

Britische Kampfflugzeuge zerstörten bei einem Einsatz in der Nähe der libyschen Hafenstadt Sirte Raketenwerfer samt Munition. Wie der Sender BBC am Sonntag weiter berichtete, waren die beiden Tornados auf Waffensysteme vom veralteten sowjetischen Typ FROG-7 sowie Scud-Raketen angesetzt. Aus dem Verteidigungsministerium in London verlautete, der Angriff sei "enorm erfolgreich“ verlaufen.

Nach Kämpfen an der libysch-tunesischen Grenze warnte die Regierung in Tunis das Nachbarland vor einem weiteren Bombardement einer Grenzstadt. Bei heftigen Kämpfen um den westlichen Grenzposten Wassin hatten die Gaddafi-Truppen sogar das Gebiet des Nachbarn Tunesien beschossen. Der umkämpfte Posten Wassin dient den Aufständischen als Nachschublinie für die von ihnen "befreiten“ Gebiete im Nafusa-Gebirge.

Die italienische Regierung dementierte Berichte über Waffenlieferungen an die Aufständischen. "Ich weiß nichts davon, dass Italien den Libyern Waffen gegeben hat, noch von einem Plan, dies zu tun“, sagte am Sonntag Verteidigungsminister Ignazio La Russa. Italien liefere "nur Material zur Selbstverteidigung wie Lastwagen und solche Dinge“, so La Russa. Auch das Außenministerium habe Waffenlieferungen dementiert, berichteten italienische Medien. Der Vizepräsident des Übergangsrates der Aufständischen, Abdel Hafiz Ghoga, hatte nach Medienberichten mitgeteilt, die Rebellen hätten eine Vereinbarung über Waffenlieferungen zur Selbstverteidigung mit Italien geschlossen. (abendblatt.de/dpa)