Bundestagsvizepräsident Thierse steht wegen seiner Sitzblockade gegen Neonazis in der Kritik. Die Polizei nennt sein Verhalten “unerträglich“.

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, hat Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) wegen dessen Teilnahme an einer Sitzblockade gegen eine Neonazi-Demonstration zum Rücktritt aufgefordert. Thierses Verhalten sei „einfach unerträglich“, sagte Wendt am Montag dem Nachrichtensender N24. Er sollte seinen Hut nehmen. Thierse hatte am Samstag in Berlin Blockaden unterstützt, mit denen tausende Gegendemonstranten einen Aufzug der rechtsextremen NPD weitgehend verhinderten.

Gegen Rechts sei er auch, aber auch für Rechtstreue, sagte Wendt weiter. Thierse habe Einsatzkräfte der Polizei behindert, sich vor die Fahrzeuge der Polizei gesetzt und damit Nötigung begangen. Zudem könne jemand nicht „werktags mit Fahrer und Chauffeur auf Staatsmann machen und am Wochenende als Salon-Revoluzzer auf der Fahrbahn sitzen und die Polizeikräfte behindern“. Thierse sei eigentlich „die personifizierte Beschädigung des Ansehens des deutschen Parlaments.“

Auch von seiner eigenen Partei wird Thierse heftig kritisiert. Im Berliner Innenausschuss sagte der verfassungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tom Schreiber: „Es kann nicht sein, dass Politiker, die Vorbildfunktion haben, offensichtlichen Rechtsbruch begehen.“ Er fügte hinzu: „Es darf auch nicht sein, dass man seine Immunität schamlos ausnutzt. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln.“

Die SPD-Abgeordnete Anja Hertel sagte: „Ich habe ein Problem mit Demokraten, die meinen, sich über das Gesetz stellen zu können. Das darf nicht sein.“ Es sei auch nicht besonders mutig, mit seinem Abgeordnetenausweis durch die Polizeisperren zu gehen, sich dann unter Polizeischutz auf die Straße zu setzen, um schließlich umgehend Interviews zu geben.

Auch der CDU-Abgeordnete Andreas Gram kritisierte Thierses Aktion als inakzeptabel. Er bewege sich am Rande eines Rechtsbruchs. Der FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo sagte: „Die Demokratie und den Rechtsstaat werden Sie nicht mit Rechtsbruch verteidigen können.“ Es habe sich um reine „Öffentlichkeitsgeilheit“ gehandelt.

Die Sitzblockade hat für Thierse möglicherweise auch ein juristisches Nachspiel. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft, ob es einen Anfangsverdacht auf eine Straftat gibt, wie ein Sprecher der Behörde am Montag der „Berliner Morgenpost“ sagte.

Von den Ermittlungen betroffen sind demnach auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland und der Bezirksbürgermeister von Berlin-Pankow, Matthias Köhne (SPD), die sich ebenfalls an der Sitzblockade beteiligt hatten.

Thierse wies die Vorwürfe indes zurück. „Unser Protest war friedlich, fröhlich und gewaltfrei“, schrieb der SPD-Politiker am Montag auf seiner Website. Nach mehrfacher Aufforderung und einem Gespräch mit einem Einsatzleiter der Polizei habe er mit dessen Hilfe widerstandslos die Fahrbahn verlassen. „Denn unser Protest richtete sich nicht gegen die Polizei, sondern gegen die Nazis.“ Die Beamten hätten ihre polizeiliche Pflicht und die Demonstranten ihre staatsbürgerliche Pflicht erfüllt.