Lauenburg. Heute geht unser erster Podcast “Vor 150 Jahren“ zu Ende. In dieser zehnten Folge geht es um “zwei Seiten“, die jede Geschichte hat.

podcast-image

Heute gibt es die letzte Folge unseres ersten Podcasts zum Jubiläum „150 Jahre Lauenburgische Landeszeitung“. Es geht diesmal um die zwei Seiten, die jede Sache, jede Geschichte mindestens hat – auch dieser Podcast.

Podcast
Podcast "Vor 150 Jahren".

In der historischen Allgemeinen Lauenburgischen Landeszeitung von 1870 gab es schon so eine Art Leserbriefseite. Die Rubrik nannte sich „Fragekasten“. Der damalige Charme war, dass die Redaktion immer sofort antwortete auf die Frage, die ihnen dort gestellt wurde. Zumeist in epischer Länge, indem amtliche Verordnungen oder Dokumente abgedruckt wurden. Und das sogar per Fortsetzung in den folgenden Ausgaben.

Letzte Folge "Vor 150 Jahren" - Podcast der Lauenburgischen Landeszeitung

So wendete sich ein Landwirt, der nur mit A.S. abgekürzt genannt wird, am 29. September an den Fragekasten der Zeitung: „An die verehrliche Redaktion der „A.L.L.“ ergeht hiermit die Anfrage, ob sie es nicht für nützlich erachtet, das Vieh besitzende Publikum über die Natur der Rinderpest (Kennzeichen, Vorbeugungsmittel etc.) durch eine mit der Sache vertraute Feder aufzuklären?“

Die Redaktion reagiert prompt: „Gern kommen wir dem Wunsche des Herrn A.S. nach, und zwar glauben wir nach Prüfung mehrerer uns vorgelegter Aufsätze über die Seuche, die nachstehende, von der Regierung der Provinz Schleswig-Holstein veröffentlichte Belehrung über die Natur der Rinderpest“ als uns am ausführlichsten erscheinende der allgemeinen Aufmerksamkeit empfehlen zu sollen.“

Eine Geschichte aus der Rubrik "Aus Stadt und Land Lauenburg"

In der der Rubrik „Aus Stadt und Land Lauenburg“ wird am 20. Oktober 1870 eine menschliche Geschichte aus Hamburg erzählt, die am Ende auch zwei Seiten hat. Dabei sei vorweg erwähnt, dass 1870 das Wort „Schutzhaft“ nicht den Schrecken barg, den es im Zweiten Weltkrieg bekommen sollte. Zunächst ist dies zu lesen: „In Hamburg wurde am Dienstag ein achtjähriger Knabe namens Anton Hesse in Schutzhaft genommen, welcher von seinem Vater, einem Akrobaten aus Braunschweig, der früher mit seiner Familie in Hamburg logierte, vor Kurzem nach Harburg geschickt wurde, um dort auf eigene Faust sein Brot zu erwerben. Dies gelang dem armen Kinde nicht, es kehrte zurück und irrte in seinem dünnen Trikot hungernd und frierend am Hafen umher, bis es von einem Offizianten der Hafenrunde entdeckt wurde. Die herzlosen Eltern befinden sich nach dem „H.C.“ jetzt in Ratzeburg."

Doch am 27. Oktober, wird die andere Seite der Geschichte erzählt. So heißt es dort: „In Bezug auf die in Nr. 9 unserer Zeitung gebrachte Notiz von dem Knaben Anton Hesse geht uns ein Schreiben von dem Vater desselben, gegenwärtig in Mölln, zu, wonach Ersterer nicht von seinem Vater nach Harburg geschickt worden sein soll, sondern sich heimlich von seinen Eltern entfernt und dieselben genöthigt habe, seinetwegen in Hamburg acht Tage lang sich aufzuhalten, ohne daß es möglich gewesen, ihn wieder aufzufinden. Unsere Notiz war dem „Hamburger Correspondenten“ entnommen und hat uns bei Abdruck desselben nichts ferner gelegen als eine absichtliche Verbreitung unwahrer Thatsachen.“

Hören Sie sich unsere vergangenen Podcast-Folgen an:

  • Folge 9: Nicht von Geblüt und wahnsinnige Geologen im Feuilleton
  • Folge 8: Anklage Mord - Gefängnis oder Freispruch für die Magd?
  • Folge 7: Geister, Hirnverbrannte und ein vehementer Friseurbesuch

Von zwei Seiten lässt sich auch das Thema Mode betrachten, oder was gegen Rheumatismus hilft – dazu hören Sie mehr im aktuellen Podcast. Zudem wird ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert, denn die beiden Seiten für die Entstehung dieses Podcast können ja unterschiedlicher kaum sein: Hier die brüchigen, vergilbten Seiten der 150 Jahre alten Zeitung, die ewig im Archiv schlummerte. Dort das moderne Aufnahmestudio, das jedes gesprochene Wort sofort auf einen Datenträger bannt und die Geschichten so für alle Menschen im Internet abrufbar werden. Der Weg von einem zum anderen war spannend und häufig auch spaßig. Über die Entstehung, Stolpersteine und ihre Überwindung wird ebenfalls in diesem Podcast erzählt.

Hören Sie sehr gern rein. Alle Folgen sind zu finden unter www.bergedorfer-zeitung.de/podcast