Lauenburg. Ungewöhnlich: Das Feuilleton steht 1870 auf der Titelseite – Novelle, Lustiges und Ernstes finden sich dort. Einige Beispiele.

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Dem Feuilleton der Allgemeinen Lauenburgischen Landeszeitung, wird vor 150 Jahren ein großzügiger Platz auf der Titelseite eingeräumt. Die erste Ausgabe am Sonnabend, 1. Oktober, 1870 startet mit dem ersten Kapitel der Novelle „Nicht von Geblüt“, die ein gewisser H. Hirschfeld verfasst hat. Ein heute sprachlich schwülstig wirkendes Konstrukt, voller verschachtelter Sätze, das mit opulenten Beschreibungen sicher ein wenig Glanz in die Kriegszeiten bringen sollte. Inhaltlich befasst sich die Novelle mit allerlei Intrigen und militärischen Überlegungen – wie im richtigen Leben.

„Lüstres, Parquetboden und durchduftete Räume“

Zunächst wird der Leser in die rechte Umgebung versetzt: „Die fürstlichen Säle im Residenzschlosse des jugendlichen Herrschers strahlten im Glanz der Kerzen, die, von zahllosen Lüstres und Lampen herab, der bunten Menge, welche, auf den Parquetböden hin- und widerrauschte, Tageshelle spendeten. Die Diamanten der Damen blitzten, die Epaulette der Offiziere glitzerten und sinnberauschend durchdufteten seltene Blumen, füllten harmonische Klänge der Musik die prachtvollen Räume.

Weiter geht es mit einer zeitlich politischen Einordnung – was höchst pathetisch so gipfelt: „Von Frankreich herüber wehten die Stürme der Freiheit und der Neuerung und rüttelten an den alten Thronen des Absolutismus, daß sie in den Fugen krachten. Ein gewaltiger Hauch ging durch die Länder und unmerkbar blies er nie geahnte politische Wünsche in die Herzen Deutschlands, Funken, die nur des Zunders bedurften, um prasselnd zu Flammen zu werden. Noch aber war Alles still und ruhig, die gebotene Speise war dem deutschen Völkermagen vor der Hand noch zu unverdaulich und gehorsam bezahlte der Unterthan seine Steuern und zog abends die Schlafmütze über’s Ohr, in dem Bewuttsein, daß der Landesvater für ihn wachte.“

Verborgen von „herabwallenden Sammetgardinen“

Wenig später kommen die ersten Protagonisten ins Spiel, wobei die Gräfin in besonderer Weise beschrieben wird: „In einer Fensternische, halb von den herabwallenden Sammetgardinen verborgen, standen eine Dame und zwei Herrn in schwarzem Frack mit Ordensstern in eifrigem Gespräch, der Menge nicht achtend, die an ihnen vorüber rauschte. Alle drei waren in vorgerücktem Alter, wenn auch bei der Dame die allmächtigen Hülfsmittel der Kunst dem Rechte der Jahre Einhalt geboten hatten.“ Im Folgenden beraten Gräfin von Gollenheim und der Kriegs- und Finanzminister die politische Lage, Notwendigkeiten militärischer Interventionen und einer politischer Heirat. Doch dann kommt „Lupus in fabula“, also der, über den sie gerade sprachen, auf sie zu und sie verstummen.

Geschichten von wahnsinnigen Geologen

Die Allgemeinen Lauenburgischen Landeszeitung druckt diese Novelle in vielen Fortsetzungen. Doch auch die patriotische Abhandlung zur „Bedeutung von Metz für Deutschland“ findet im Feuilleton Platz, zudem einige kuriose Beiträge, wie zum Beispiel Anfang Dezember 1870, jene von den verkannten Geologen. Unter anderem heißt es da:

„Professor Seydwick, ein ebenfalls sehr wohl bekannter Geolog, ward einmal, während er seinem Berufe nachging, für einen entsprungenen Wahnsinnigen gehalten und mit Gewalt bis in die nächste Stadt geschleppt. Ein anderes Mal benutzte er, nachdem er sich mit der Ausbeute eines besonders glücklichen Tages die Taschen gefüllt, zur Heimfahrt ein bereits mit vielen Passagieren besetzten Personenwagen und schlief ermüdet von den vielen Strapazen unterwegs ein. Als er am Ziel der Reise angelangt aufwachte, fand er zu seinem Entsetzen seine Taschen vollständig ausgeleert. Eine alte Frau nämlich, die neben ihm gesessen und bemerkt, daß er alle Taschen voll Steine gepackt, hatte ihn abermals für einen Wahnsinnigen gehalten, der sich auf diese Weise beschwert, um sich desto sicherer zu ersäufen. Und deshalb hatte sie, aus reiner Menschenliebe dem schlafenden Naturforscher einen Stein nach dem anderen aus den Taschen stibitzt und hinaus auf die Straße geworfen!

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Folge 8: Anklage Mord - Gefängnis oder Freispruch für die Magd?

Folge 7: Geister, Hirnverbrannte und ein vehementer Friseurbesuch

Folge 6: Krieg mit Mini-Soldaten und sehr heißen Tagen vor Paris

Goldstücke für den Leibarzt – oder auch nicht

Ein Feuilleton-Beitrag, der ebenfalls schmunzeln lässt, ist mit „Uebermuth und Demuth“ überschrieben: „Schleiermacher, der berühmte Kanzelredner, hatte sich einst in einer Krankheit von dem ebenfalls berühmten königlichen Leibarzt Doktor Graefe behandeln lassen. Nach seiner Genesung schickte er demselben ein höfliches Briefchen und steckte demselben vier Louisdor bei, indem er bat, diese Kleinigkeit als Beweis seiner Dankbarkeit für gehabte Bemühung anzunehmen. Am nächsten Tage erhielt er die Goldstücke zurück, begleitet von den folgenden lakonischen Zeilen das Geheimstabsarztes: „Arme kurire ich umsonst ; Wohlhabende nach der Medizinaltaxe; Reiche honoriren mich nach Belieben anständig.“ Darauf ertheilte der Geistliche die noch lakonischere Antwort: „Die vier Louisdor erhielt mit Dank zurück - der arme Schleiermacher.“

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