Hamburg. Im Abendblatt-Podcast erklären Ärzte einmal pro Woche ein medizinisches Fachgebiet und geben Tipps. Folge 4: Geburtshilfe.

Er gilt als der „Geburtenkönig“ der Stadt, obwohl er selbst viel zu bescheiden ist, um das von sich zu behaupten: Doch mehr als 2000 kleine Hamburger hat Privatdozent Dr. Holger Maul, der als Chefarzt für die drei Asklepios-Geburtskliniken in Barmbek, Wandsbek und Heidberg/Nord verantwortlich ist, im Laufe seiner Karriere schon auf die Welt geholt.

Bei unzähligen weiteren Babys hat der habilitierte Mediziner, der zuvor am Katholischen Marienkrankenhaus tätig war, deren Mütter auf die Geburt vorbereitet und während des Wochenbetts betreut.

Freude am Wunder der Geburt

„Geburtshilfe ist immer eine Teamleistung, die zum Beispiel ohne die großartige Leistung der Hebammen gar nicht möglich wäre“, sagt der dreifache Vater in der digitalen Sprechstunde, dem Gesundheitspodcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. „Meine Aufgabe ist es, dieses Team immer wieder so zu motivieren, dass es Freude hat am Wunder der Geburt.“

Man müsse bedenken, dass in der Geburtshilfe oft nachts und im Schichtdienst gearbeitet werde. „Geburten lassen sich schlecht planen.“ Ein bisschen allerdings schon, denn im September nimmt Dr. Holger Maul so gut wie nie frei. „Das ist traditionell der geburtenstärkste Monat – übrigens weltweit.

Da drängen all die Weihnachtskinder auf die Welt. Insofern nehme ich meinen Urlaub vorher oder nachher.“ Von Januar bis April gehe es in seinen Kreißsäalen etwas ruhiger zu, dann nehme die Zahl der Geburten ab Mai stetig zu.

Ebbe, Flut und Vollmond können Auswirkungen haben

Was ist dran an den Mythen, dass bei Vollmond oder bei Flut besonders viele Kinder geboren würden? „Es gibt tatsächlich ernstzunehmende Studien, die zumindest einen schwachen Zusammenhang zwischen der Zahl der Geburten und bestimmten Naturphänomenen wie einem Wetterumschwung belegen“, sagt der Gynäkologe.

„Allerdings habe ich es auch schon oft genug erlebt, dass der Vollmond hell erstrahlte und gar nichts los war.“ Wenn es sehr ruhig sei, sorge er sich am meisten. „Weil ich weiß, dass sich dann eine Riesenwelle aufbaut und wir gleich doppelt so viel zu tun haben.“

Zahl der Kaiserschnitte nimmt zu

Die Zahl der Kaiserschnitte habe in den vergangenen Jahren zugenommen – was aber weniger daran liege, dass sich werdende Eltern ein bestimmtes Geburtsdatum für den Nachwuchs wünschen. „Klar, es gibt auch mal Karnevalisten, die gern möchten, dass ihr Kind am 11.11. um 11.11 Uhr auf die Welt kommt. Aber so etwas ist sehr selten.“

In den meisten Fällen werde aus medizinischen Gründen zu dem Eingriff geraten. „Gerade in einer Großstadt wie Hamburg betreuen wir viele Mütter, die älter als 40 sind. Manchmal sogar älter als 50. Das birgt Risiken. Ein Kaiserschnitt stellt ein kontrolliertes Ende der Geburt dar.“

Auch Mehrlinge würden eher per Kaiserschnitt entbunden. Grundsätzlich laute die wichtigste Frage, die werdende Eltern für sich beantworten müssten: „Was wollen wir?“ „Gute Geburtshilfe sorgt dann dafür, dass jeder den Schuh bekommt, der auf seinen Fuß passt.“

Mütter erhalten zu viele ungebetene Ratschläge

Ein Problem heute sei, dass die werdende Mutter von allen Seiten ungebetene Ratschläge erhalte. „Sie waren eine selbstbestimmte Frau – und dann sind Sie schwanger. Plötzlich redet jeder mit und ihr gesamtes Umfeld teilt sich in Freundinnen und Feindinnen“, sagt der Arzt.

Er rate den Frauen dazu, im wahrsten Sinne des Wortes auf ihren Bauch zu hören und sich nicht verrückt machen zu lassen. Sonst beginne der Glaubenskrieg „Rabenmutter versus Supermutter“ schon mit dem positiven Schwangerschaftstest, sagt der Privatdozent, der sich wissenschaftlich seit 20 Jahren mit dem Thema Frühgeburten beschäftigt.

9,8 Prozent aller Geburten seien Frühgeburten, wovon wiederum 90 Prozent der Babys nach der 32. Schwangerschaftswoche geboren werden. „Da ist die Medizin mittlerweile sehr weit und diese Babys brauchen kaum mehr Unterstützung. Problematischer sieht es bei den Extrem-Frühchen aus, die vor dieser Schallgrenze auf die Welt kommen. Aber das kommt zum Glück doch recht selten vor.“

Im Kreißsaal gehe es ruhiger zu als noch vor 20 Jahren

Die werdenden Eltern seien heute viel besser informiert und aufgeklärt als früher. „Ein großes Thema ist Bonding. Also mit am häufigsten kommt die Frage: Wann wird abgenabelt? Kann ich mein Baby sofort an die Brust nehmen?“ Die Antwort auf letztere Frage sei eindeutig Ja. Und abgenabelt werde spät.

„Es ist in der Geburtshilfe alles ruhiger geworden und medizinisch längst nicht mehr so verkrampft wie einst“, sagt der gebürtige Franke, der in Bayreuth aufgewachsen und ein großer Fan der Musik Richard Wagners (Lieblingsoper: „Tristan und Isolde“) ist. „Vor 20 Jahren sind ja alle panisch geworden, wenn sechs Minuten nach der Geburt noch kein Geburtsgewicht bekannt war. Das ist heute zum Glück ganz anders.“

Sein Beruf sei seine Berufung, sagt Dr. Holger Maul, dessen älteste Tochter auch Medizin studiert. „Anfangs habe ich, ehrlich gesagt, schon gedacht, dass man irgendwann abstumpft. Aber das ist überhaupt nicht so. Bis heute rührt mich jede Geburt aufs Neue.“

Gesundheits-Podcast mit Asklepios

Die digitale Sprechstunde ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert.

In der nächsten Folge gibt Dr. Thomas Mansfeld, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik Wandsbek, Auskunft zu Sodbrennen und Gallensteinen.

Haben Sie Anregungen? Schreiben Sie uns eine Mail an sprechstunde@abendblatt.de