Frauenrechtlerin Alice Schwarzer weht nach Bekanntwerden ihrer Selbstanzeige ein eisiger Wind entgegen. Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz soll nach Steueraffäre zurücktreten. Lesen Sie hier alles zur neuesten Steuerdebatte.

Berlin/Hamburg/Köln. Uli Hoeneß, Theo Sommer, Alice Schwarzer und mit André Schmitz jetzt auch ein Vertrauter des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit: Die Liste prominenter Steuersünder wird immer länger. Vor allem der Fall der Frauenrechtlerin und Publizistin Schwarzer erregt die Gemüter.

Die 71-Jährige hatte sich am Sonntag dazu bekannt, seit den 80er Jahren ein Schweizer Konto gehabt und es erst im vergangenen Jahr beim Finanzamt angezeigt zu haben. Für zehn Jahre habe sie insgesamt etwa 200.000 Euro an Steuern nachgezahlt – plus Säumniszinsen.

Abendblatt.de hält Sie mit einem Newsticker über die neueste Steuerdebatte auf dem Laufenden:

+++ Kubicki gegen Abschaffung von Steuer-Selbstanzeige +++

15.51 Uhr: Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki lehnt eine Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerbetrug ab. „Wer aus moralischer Empörung auf die Selbstanzeige verzichten will, der wird dazu beitragen, dass der Staat deutlich weniger Geld einnimmt“, sagte der Kieler Steuerstrafrechtler am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Ohne Selbstanzeigen müsste die Steuerfahndung jeden einzelnen Steuerbetrüger überführen: „90 Prozent der Fälle würden wir nicht mehr erreichen. Das wäre ein unglaublicher Aderlass an öffentlichen Einnahmen“, meinte Kubicki. Die Selbstanzeige habe sich bewährt, zumal die rechtlichen Vorgaben deutlich verschärft worden seien.

+++ Wowereit entlässt Berliner Kulturstaatssekretär +++

15.37 Uhr: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hat seinen Kulturstaatssekretär André Schmitz (beide SPD) entlassen. Er werde der Bitte von Schmitz auf Entbindung von dessen Aufgaben nachkommen, teilte Wowereit am Dienstag mit. Zugleich kündigte er an, dass der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, bis zum Amtsantritt eines Nachfolgers die Aufgaben des Kulturstaatssekretärs übernimmt. Wowereit würdigte die Verdienste von Schmitz: „Er hat die positive Entwicklung der kulturellen Einrichtungen in unserer Stadt über Jahre maßgeblich geprägt und dabei viele wegweisende Akzente gesetzt.“

„Berlins Entwicklung zu einem weltweit beachteten Ort kultureller Kreativität, des internationalen kulturellen Austauschs und der neuen Ideen ist mit seinem Namen eng verbunden. Das bleibt auch über die Verfehlung wegen seiner privaten Steuerangelegenheiten hinaus“, erklärte Wowereit, der auch als Kultursenator amtiert.

+++ Grütters zollt Schmitz Respekt - „Großer Verlust“ +++

15.13 Uhr: Kulturstaatsminister Monika Grütters (CDU) hat dem über seine Steueraffäre gestürzten Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) große Anerkennung ausgesprochen. „Für die Kulturpolitik ist Schmitz' Rücktritt ein großer Verlust“, sagte Grütters am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa. „Er hat dieses Amt hervorragend ausgefüllt und war ein Garant für die reibungslose Zusammenarbeit zwischen Berlin und dem Bund in der Kulturpolitik.“ Es verdiene großen Respekt, wie konsequent Schmitz reagiere. „Es tut mir aber persönlich auch wegen unserer Freundschaft sehr leid“, so Grütters. Der 56-jährige SPD-Politiker hatte nach Bekanntwerden einer jahrelangen Steuerhinterziehung am Dienstag seinen Rücktritt erklärt.

+++ Berliner Staatssekretär gibt Amt wegen Steuervergehen auf +++

14.58 Uhr: Der Berliner Kulturstaatssekretär Andre Schmitz gibt sein Amt nach Bekanntwerden eines Steuervergehens auf. Der SPD-Politiker teilte am Dienstag in Berlin mit, er habe den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit darum gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Mit diesem für ihn „persönlich schmerzhaften Schritt“ wolle er Schaden für das Amt und die Berliner Kulturpolitik abwenden. Tags zuvor hatte Schmitz eingeräumt, dass 2012 gegen ihn ein Steuerstrafverfahren wegen nicht versteuerter Gelder in der Schweiz eingeleitet worden war. Das Verfahren sei gegen eine Geldauflage von 5000 Euro und Steuernachzahlungen von über 20.000 Euro eingestellt worden.

Wowereit wusste nach Angaben seines Sprechers seit 2012, dass es ein Verfahren gegen den Staatssekretär gab. Wowereit habe aber entschieden, dass Schmitz im Amt bleiben könne. Die Berliner SPD-Spitze hatte davon nach Angaben aus der Partei erst am Wochenende erfahren. Die Reaktionen in dem Landesverband wurden in der Partei als aufgebracht bezeichnet.

+++ Finanzminister für mehr Härte gegen reuige Steuersünder +++

14.35 Uhr: Reuige Steuersünder dürfen nach Ansicht von Finanzminister Nils Schmid (SPD) nicht mehr so leicht ungeschoren davonkommen. Zum einen müsse sich die strafbefreiende Selbstanzeige auf alle Steuerarten beziehen, zudem müssten die Angaben eines Steuersünders zehn und nicht nur fünf Jahre zurückgehen, forderte Schmid am Dienstag in Stuttgart. Eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern diskutiere derzeit diese Vorschläge. Schmid rechnet mit einer Verschärfung, da das Thema auch im schwarz-roten Koalitionsvertrag verankert sei. Der Steuerfall der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hatte die Debatte über Straffreiheit von Steuersündern neu entfacht.

Schwarzer hatte nach einem Bericht des Magazins „Der Spiegel“ eingeräumt, seit den 80er Jahren ein Schweizer Konto geführt und es erst 2013 beim Finanzamt angezeigt zu haben. Für die vergangenen zehn Jahre habe sie rund 200 000 Euro Steuern nachgezahlt – plus Säumniszinsen. Im Steuerstrafrecht kann eine wirksame Selbstanzeige vor Bestrafung schützen. Die „tätige Reue“ wird honoriert. Allein Baden-Württemberg registrierte im vergangenen Jahr rund 6200 Selbstanzeigen – das ist eine Verdreifachung im Vergleich zum Jahr davor. 2013 ging es bei den Selbstanzeigen im Südwesten um Steuerbeträge in Höhe von insgesamt rund 340 Millionen Euro – seit Februar 2010 beläuft sich die Summe auf 1,6 Milliarden Euro.

+++ Wird Straffreiheit für geständige Steuersünder abgeschafft? +++

14.10 Uhr: Die SPD will ein weitgehendes Aus für die Straffreiheit bei geständigen Steuersündern. „Wir wollen die strafbefreiende Selbstanzeige bis zu einer Bagatellgrenze abschaffen“, sagte die neue SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Bagatellgrenze ist wegen des komplizierten deutschen Steuersystems notwendig, um vor allem kleine und mittelständische Betriebe zu schützen“, betonte Fahimi. Damit ging sie über Forderungen von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hinaus, der als Konsequenz aus den jüngsten Fällen der Publizistin Alice Schwarzer und des Berliner Kulturstaatssekretärs André Schmitz (SPD) Änderungen in Aussicht gestellt hatte.

Gleichzeitig müsse aber auch die Steuerfahndung verbessert werden, so Fahimi. „Steuerhinterziehung muss mit aller Härte verfolgt werden. Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein.“ Die jüngsten Fälle zeigten, dass es richtig gewesen sei, dass die SPD das Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert habe. „Jetzt melden sich viele, aus Angst erwischt zu werden. Das Steuerabkommen mit der Schweiz hätte das alles verdunkelt und Steuerkriminelle geschützt“, sagte Fahimi.

+++ Steueraffäre - Wowereit bricht Urlaub nicht ab +++

13.45 Uhr: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wird seinen Urlaub trotz des erwarteten Rücktritts seines Kulturstaatssekretärs André Schmitz nicht abbrechen. „Es bleibt bei der Planung, dass der Regierende Bürgermeister erst ab Sonntag wieder Termine in Berlin wahrnimmt“, sagte Senatssprecher Richard Meng am Dienstag. „Es gibt nichts, was in den nächsten drei Tagen nur in Berlin entschieden werden kann“, sagte Meng zur Begründung. Über einen Nachfolger für Schmitz sei nicht in den nächsten drei Tagen zu entscheiden.

+++ Minister fürchtet um neue Selbstanzeigen +++

13.14 Uhr: Indiskretionen von Finanzämtern wie im Fall Schwarzer gefährden laut Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) die Bereitschaft zu Selbstanzeigen. „Ich betrachte es mit Sorge, dass immer wieder Details aus Selbstanzeigen prominenter Steuerhinterzieher an die Öffentlichkeit geraten“, sagte er in Hannover. Auch diese Gruppe genieße den Schutz des Steuergeheimnisses. „Wenn es hier zu Aufweichungen kommt, befürchte ich negative Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Abgabe der Selbstanzeige.“

+++ Kubicki rügt die Medien +++

12.52 Uhr: FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki übt scharfe Kritik an der Medienberichterstattung im Fall Schwarzer. „Dass die korrekt abgegebene Selbstanzeige von Alice Schwarzer, deren Steuerschulden mittlerweile beglichen sind, enthüllt wurde, ist unerhört“, schrieb er in einem Gastbeitrag für „Handelsblatt Online“. „Alice Schwarzer ist eine Person des öffentlichen Lebens. Dies rechtfertigt aber nicht eine vollkommene Offenlegung ihres privaten Bereichs.“

+++ Berliner Opposition: Wowereit darf Steueraffäre nicht aussitzen +++

12.09 Uhr: Für die Berliner Opposition ist die Steueraffäre von Kulturstaatssekretär Schmitz mit dem erwarteten Rücktritt nicht ausgestanden. Grüne und Piratenpartei übten am Dienstag scharfe Kritik am Regierenden Bürgermeister Wowereit. „Nach heutigem Erkenntnisstand muss von einer schweren Pflichtverletzung des Regierenden Bürgermeisters ausgegangen werden“, erklärte Piraten-Fraktionschef Oliver Höfinghoff. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ramona Pop, verlangte von Wowereit eine Erklärung, warum er Schmitz im Amt gehalten und ob er das beamtenrechtlich vorgeschriebene Disziplinarverfahren eingeleitet habe.

+++ Kachelmann: „Schwarzer hat Opfer-Abo“ +++

11.58 Uhr: Der Fall Schwarzer ist vor allem für Jörg Kachelmann gefundenes Fressen. Seit Bekanntwerden der Steueraffäre der Frauenrechtlerin schießt der Wetterexperte via Twitter fast im Minutentakt gegen seine Intimfeindin. Dabei bedient sich Kachelmann auch jenen Vokabulars, dem er 2012 zum „Unwort des Jahres“ verhalf: „Wenn Frau Schwarzer kein Opferabo hätte, würde Seifensender RTL schon vor dem Anwesen in Waldbröl stehen und erst mal Nachbarn befragen“, schrieb Kachelmann unter anderem. Das Wort „Opferabo“ wurde durch Kachelmann in der Debatte um sein Liebesleben geprägt, in dessen Rahmen sich der Wettermann wegen Vergewaltigungsvorwürfen auch vor Gericht verantworten musste. Vor allem Schwarzer ging Kachelmann damals mehrfach öffentlich an.

+++ Schmitz soll noch heute Erklärung abgeben +++

11.22 Uhr: André Schmitz wird Medienberichten zufolge noch heute seinen Rücktritt als Berliner Kulturstaatsminister bekanntgeben. Aus Kreisen der Landesregierung verlautete, dass Schmitz am Dienstag eine Erklärung abgeben werde.

Der Politiker hatte ein Konto in der Schweiz, für das er jahrelang keine Steuern zahlte. Er selbst hatte am Montag ein Fehlverhalten öffentlich eingeräumt. „Ich habe einen schwerwiegenden Fehler begangen, den ich sehr bedauere“, erklärte er.

Schmitz ist Staatssekretär des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der auch für Kulturpolitik zuständig ist. Wowereit wusste nach Angaben seines Sprechers Richard Meng seit 2012, dass es ein Verfahren gegen den Staatssekretär gab, das letztlich eingestellt wurde. Es habe aber keine förmliche Information der Staatsanwaltschaft gegeben. Wowereit habe entschieden, dass Schmitz im Amt bleiben könne, sagte Meng.

Medienberichten zufolge wurde das Verfahren gegen Schmitz im Einvernehmen mit den Ermittlungsbehörden im Jahr 2012 gegen eine Geldauflage von 5000 Euro eingestellt. Demnach musste der Politiker zudem Steuern von gut 20.000 Euro nachzahlen.

Kritik am Umgang mit Schmitz kam von der Linkspartei, die im Abgeordnetenhaus auf der Oppositionsbank sitzt. „Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit muss darlegen, ob er über den Vorgang informiert war, wann und was er darüber wusste“, erklärte etwa die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katrin Lompscher.

CDU-Generalsekretär Kai Wegner sagte, es stelle sich die Frage, wie dieser Vorfall mit den moralischen Äußerungen der SPD vor allem im Bundestagswahlkampf zu vereinbaren sei. „Nun muss der Koalitionspartner klären, wie er mit dieser nicht ganz einfachen Situation umgeht.“ Die SPD führt auf Landesebene in Berlin ein Bündnis mit der Union an.

+++ Grünen-Fraktionschefin kritisiert Wowereit +++

10.56 Uhr: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, hat scharfe Kritik am Verhalten des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) in der Steueraffäre von Kulturstaatssekretär André Schmitz geübt. Wowereit drohe Steuerbetrug hoffähig zu machen, indem er jemanden im Amt belassen habe, der Steuern hinterzog, sagte Pop dem Radiosender 104.6 RTL. Pop forderte Aufklärung, warum Wowereit diese „einsame, selbstherrliche Fehlentscheidung“ getroffen habe. Geklärt werden müsse auch, warum das Strafverfahren gegen Schmitz gegen einen so geringen Geldbetrag eingestellt worden war und ob der Regierende Bürgermeister ein Disziplinarverfahren eingeleitet habe. Mit dem Rücktritt von Schmitz sei die Sache nicht erledigt.

+++ NRW-Finanzminister: Steuergeheimnis verletzt +++

10.40 Uhr: Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans sieht das Steuergeheimnis nach der Selbstanzeige von Alice Schwarzer verletzt. „Das Steuergeheimnis schützt die Privatsphäre. Das zu verletzen, ist eine Straftat und muss verfolgt werden“, sagte der SPD-Minister am Montagabend bei „hart aber fair“ im Ersten. Zugleich stellte er klar, die Steuerhinterziehung der Frauenrechtlerin selbst dürfe nicht verharmlost werden: „Das ist nicht Sünde, das ist eine Straftat und jemand, der die begeht, ist auch Täter.“

+++ Gottschalk spottet über Schwarzer +++

10.21 Uhr: Auch auf einem anderen Kanal wurde Schwarzers Steuerfall thematisiert. In der RTL-Spielshow „Die 2“ sah Entertainer Thomas Gottschalk die Emma-Gründerin bereits im Dschungelcamp. Als Moderatorin Barbara Schöneberger prognostizierte, für die Ausgabe im Jahr 2018 werde Ex-Bundespräsidentin Christian Wulff als Teilnehmer feststehen, bemerkte Gottschalk: „Und seit heute auch Alice Schwarzer.“

+++ Göring-Eckhardt: „Schwarzer stilisiert sich zum Opfer“ +++

10.16 Uhr: Auch Kathrin Göring-Eckardt (Grüne) hat Alice Schwarzer für ihren eigenen Umgang mit der Selbstanzeige kritisiert. „Sie stilisiert sich zum Opfer. Dabei hat sie der Gemeinschaft Geld vorenthalten. Geld, das für Bildung, für Kinder fehlt“, sagte die ehemalige Grünen-Spitzenkandidatin in der ARD-Talkrunde „Hart, aber fair“.

+++ Jürgen Domian erhält viel Zuspruch für Schwarzer-Kritik +++

10.08 Uhr: Fernsehmoderator Jürgen Domian hat auf seiner Facebook-Seite Alice Schwarzer kritisiert und dafür viel Zuspruch von der Netzgemeinde erhalten. Schon nach wenigen Stunden hatten über 15.000 Nutzer den „Gefällt Mir“-Button gedrückt und den Text mehr als 3000 Mal geteilt. Die meisten Kommentare schlossen sich der Kritik an der Frauenrechtlerin nach ihrer Steuer-Beichte an.

Der 55 Jahre alte Talkmaster prangerte vor allem Schwarzers Begründung für ihr Schweizer Konto an, wonach die Hatz gegen sie in Deutschland damals so groß gewesen sei, dass sie überlegt habe, ins Ausland zu ziehen: „Und dafür braucht Frau dann ja ein paar Groschen für das Nötigste“, schrieb Domian.

+++ „Wer kein Bayernfan ist, hat Uli Hoeneß sehr viel böser bewertet“ +++

9.55 Uhr: Presseschau, Teil zwei:

„Sächsische Zeitung“: „Frau Schwarzer, deren Sache aus guten und weniger guten Gründen jedenfalls nie öffentliche Zurückhaltung war, will jetzt genau die? Nie im Leben wäre die Emma-Herausgeberin dazu bereit gewesen. Ihre Erzählungen über die Schwarzgeld-Gründe beleidigen fast die intellektuelle Redlichkeit. Von den 80er-Jahren bis heute soll die Erkenntnis gedauert haben, dass die damalige Hatz gegen sie, die sie womöglich einst ins Ausland getrieben hätte, vorbei ist? Unsinn. Steuerhinterziehung ist eine Straftat wie Diebstahl – von der man sich aber selber freikaufen kann. Nach Hoeneß und den ganzen Steuer CDs ist Alice Schwarzer einfach der Boden zu heiß geworden.“

„Lausitzer Rundschau“: „Erstaunlich ist, wie lange Schwarzer, Brauner und Schmitz, die sehr informierte Menschen sind, trotz diverser Steuer-CDs gewartet haben, ob es auch sie erwischt. Gier essen Verstand auf, um einen alten Filmtitel abzuwandeln. Die Parallele zu manch prominenten Stasi-Fällen sticht bei diesem Aspekt ins Auge. Die Betroffenen wussten um die Überprüfungen, sie sahen die näher kommenden Einschläge, sie wussten, dass sie irgendwann erwischt werden würden. Und hofften doch bis zuletzt, übersehen zu werden. Alices Schwarzer klagt nun über die öffentliche Enthüllung, nennt sie „Denunzierung“. Eine moralische Instanz besteht jetzt auf ihr Recht auf ein Doppelleben. Eine Journalistin macht sich zum Opfer der Presse. Sehr komisch ist das. Aber nicht witzig.“

„Eisenacher Presse“: „Wer austeilen kann, der muss auch einstecken können. Aber deutlich wird bei dieser Pranger-Debatte auch: Es geht oft nicht um die Steuer. Wer kein Bayernfan ist, hat Uli Hoeneß sehr viel böser bewertet. Und wer Schwarzer hasst, der haut jetzt besonders fies drauf. Es ist die Maßlosigkeit unserer Zeit – die gibt es beim Geld und bei der Bewertung eines Falles, der noch nicht einmal bis vor Gericht gelangte.“

„Donaukurier“: „Dass nun kollektive Empörung, ja Abscheu über die bekannteste deutsche Feministin hereinbricht, ist einerseits verständlich – andererseits aber auch höchst fragwürdig. Denn dass die unerbittlichsten Moralisten Wasser predigen und Wein trinken, ist nicht ungewöhnlich. Uli Hoeneß, dem im März der Steuer-Prozess gemacht wird, gehört auch in diese Kategorie. Vom amerikanischen Schriftsteller Mark Twain stammt der weise Satz: ‚Es war schon immer eine Eigenart des Menschengeschlechts, zwei Garnituren Moral auf Lager zu halten – die verborgene wahre und die öffentlich vertretene künstliche.’“

+++ SPD will Kampf gegen Steuerbetrug forcieren +++

9.16 Uhr: Nach dem Bekanntwerden zweier prominenter Fälle will die SPD den Kampf gegen Steuerbetrug forcieren. Die Fälle zeigten, „dass wir die Steuerfahndung dringend intensivieren müssen“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann „Spiegel online“. „Wir wollen zudem die strafbefreiende Selbstanzeige überprüfen und gegebenenfalls ändern. Wir müssen massiv gegen Steueroasen vorgehen. Sie sind eine akute Bedrohung für Demokratien, die darauf angewiesen sind, ihr Gemeinwesen mit Steuern zu finanzieren.“

Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß sagte der „Bild“-Zeitung (Dienstag): „Die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuersünder gehört vom Tisch, weil sie Steuerhinterziehung gegenüber anderen Straftaten privilegiert.“ Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil: „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Wir müssen darüber reden, ob die strafbefreiende Selbstanzeige noch zeitgemäß ist.“

Dagegen sagte CDU-Finanzexperte Norbert Barthle der Zeitung: „Wir brauchen die Selbstanzeige so lange es Steueroasen gibt. Nur so kommt der Staat an das ihm zustehende Steuergeld.“ Auch Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel sprach sich dafür aus, die Regelung beizubehalten: „Um in die Steuerehrlichkeit zurückzufinden, ist die strafbefreiende Selbstanzeige richtig und sinnvoll. Es ist die einfachste und effektivste Form für den Staat, an hinterzogene Steuern heranzukommen.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warb für Neuregelung der straffreien Steuer-Selbstanzeige: „Bei reuigen Bagatellsündern ist Straffreiheit sinnvoll. Bei Steuerbetrug in großem Stil oder Wiederholungstaten kann man jedoch nicht einfach beide Augen zu drücken“, sagte sie der „Bild“-Zeitung.

+++ Presse widmet sich dem Fall Schwarzer +++

9.07 Uhr: In den Zeitungen ist der Fall Schwarzer eines der Top-Themen. Die „Saarbrücker Zeitung“ schreibt am Dienstag: „Alices Schwarzer klagt nun über die öffentliche Enthüllung, nennt sie ‚Denunzierung‘. Eine moralische Instanz besteht auf ihr Recht auf ein Doppelleben. Eine Journalistin macht sich zum Opfer der Presse. Sehr komisch ist das. Aber nicht witzig.“

Die „Badische Zeitung“ findet: „Sie habe eine derartige Hetze gegen sich erlebt, dass sie geglaubt habe, womöglich ins Ausland gehen zu müssen. Will sie damit sagen, dass die Bundesrepublik damals kurz davor war, in eine Diktatur umzukippen, aus der Vorkämpferinnen der Emanzipation hätten fliehen müssen? Angenommen, Alice Schwarzer hätte damals beschlossen, lieber in der ach wie emanzipierten Schweiz oder in Italien oder sonst wo zu leben; hätte sie dann nicht einfach ein Konto einrichten, umziehen und die Überweisung des deutschen Guthabens veranlassen können? Ach, ein solcher Umzug wäre für Alice Schwarzer wohl beleidigend banal gewesen. Dann doch lieber der Kick mit der Steuer – und hinterher laut gejammert.“