Es gibt Zuschriften, bei denen ich mich frage, ob ich veralbert werden soll, ob mir im fortgeschrittenen Alter der Zusammenhang verborgen bleibt oder ob ich nur den Text nicht zuordnen kann. Schließlich habe ich nicht sämtliche Abendblatt-Ausgaben von der ersten bis zur letzten Zeile im Kopf. Immerhin gerät man ins Grübeln, wenn der „sehr geehrte Herr Schmachthagen“ gefragt wird: „Braucht man dafür eigentlich Schleifpapier?“ Wofür? Bei Schleifpapier denke ich an den Tischler und an den Bandschleifer, den Dreiecksschleifer und den Vibrationsschleifer, mit denen ich im Hobbykeller ein Ersatzbrett für meine Pforte bearbeiten will. Dafür brauche ich Schleifpapier unterschiedlicher Körnung. Man kann auch Sandpapier, Schmirgelpapier oder in Spezialausführung Glaspapier dazu sagen. Allerdings habe ich nicht die Absicht, Heimwerker-Beratung zu betreiben.
Die Mail enthielt noch ein Postskriptum: „Es geht mir nur um die Wortwahl. Mein Mitgefühl gilt natürlich dem Opfer.“ Hm, kann ein Brett Opfer sein? Offenbar lag ich auf der Heimwerker-Schiene falsch, wage aber nicht, an bestimmte Praktiken zu denken, die in Filmen vorkommen, die man bei Sky um Mitternacht nur mit der Jugendschutz-PIN aufrufen kann. Wenden wir uns deshalb der Sprache zu mit der Frage: Wird das Brett eigentlich geschleift oder geschliffen?
Zwei verschiedene Partizipien lassen darauf schließen, dass wir es hier mit zwei unterschiedlichen, aber im Infinitiv gleichlautenden Verben zu tun haben – einmal mit der starken Form „schleifen, schliff, geschliffen“ und zweitens mit der schwachen Form „schleifen, schleifte, geschleift“. Diese beiden Homonyme (gleich geschriebene Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung) dürfen nicht verwechselt werden.
Das starke Verb „schleifen, schliff, geschliffen“ bedeutet wetzen, glätten, polieren, also eine Oberfläche mit einem Schleifstein oder einer Maschine bearbeiten. Das Messer wurde geschliffen. Geschliffene Diamanten sollten am besten im Schließfach aufbewahrt werden. Man benutzt eine scharf geschliffene Sense. In der Soldatensprache heißt „schleifen“ auch „drillen“, nämlich die Rekruten einer übermäßig harten Ausbildung unterziehen: Die Soldaten wurden geschliffen, bis ihnen das Wasser im … (weiterlesen in den „08/15“-Romanen).
Das schwache Verb „schleifen“ hat noch eine weitere Bedeutung
Das schwache Verb „schleifen, schleifte, geschleift“ ist das Kausativ, das Verb des Veranlassens, zum starken „schleifen“ und bedeutet „gleiten machen“, schleppen, über den Boden ziehen. Die Lokomotive hat den erfassten Personenwagen noch 20 Meter mitgeschleift. Er schleifte den brüllenden Jungen über den Schulhof zum Auto (bis das Jugendamt einschritt). Die Fahrradkette hat am Schutzblech geschleift.
Das schwache Verb „schleifen“ hat noch eine weitere Bedeutung, die nicht gleich ins Auge sticht und die Alexander Bommes schon als Quiz-Frage gestellt hat, nämlich „niederreißen, dem Erdboden gleichmachen“. Deshalb wurden früher zahlreiche Festungen oder Raubritterburgen von den Eroberern nicht etwa „geschliffen“, sondern „geschleift“! Heute stehen die Ruinen der geschleiften Festungen überall in den deutschen Landen und verschaffen den Heimatvereinen und dem Denkmalschutz ihre Daseinsberechtigung.
Eine andere Leserfrage: Gibt es zwischen den Nebensätzen mit „da“ oder „weil“ einen Unterschied? Den gibt es, wobei wir allerdings die allerletzten Feinheiten der Semantik (Bedeutungslehre) aufrufen müssen. Bei beiden handelt es sich um Konjunktionen, auf Deutsch um Bindewörter, die einen untergeordneten Nebensatz an den Hauptsatz anbinden. In diesem Fall haben wir es mit Kausalsätzen zu tun (lat. causa = Grund), die den Grund für das im Hauptsatz Gesagte liefern. Die Konjunktion „da“ wird im Allgemeinen benutzt, wenn der vom Nebensatz bezeichnete Sachverhalt als bekannt vorausgesetzt werden darf: Da heute Sonntag ist, kann ich nicht einkaufen. Der Wochentag mit geschlossenen Geschäften dürfte jedem bekannt sein; „weil“ gibt hingegen eine individuelle Begründung: Weil ich krank bin, kann ich heute nicht einkaufen. Wird der Hauptsatz mit „so“ eingeleitet, steht immer „da“: Da es draußen stürmt, so musst du hierbleiben.
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