Christoph Schwennicke (r.) und Lars Haider pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, ich finde, allmählich ist die Jagd auf Annalena Baerbock ziemlich durchschaubar und, um es mit Martin Schulz zu sagen, in Teilen unsäglich. Vermeintliche Plagiatsvorwürfe sind bei einem Buch ja nun etwas anderes als bei einer Doktorarbeit …
Schwennicke: Hab ich auch erst gedacht. Aber dann einige Passagen vor allem aus der Zeitschrift „Internationale Politik“ gesehen, die da abgekupfert wurden. Das geht nicht. Wenn ich Gedanken aus deinem letzten schlauen Leitartikel aufgreife, würde ich dich auch immer zitieren.
Haider: Trotzdem wirken Teile der Medien so, als beschäftigten sie sich nur noch mit dem, was Frau Baerbock mal gesagt, geschrieben oder getan hat. Nimmt auch einer Armin Laschets Schriften unter die Lupe? Oder das, was Olaf Scholz veröffentlicht hat? Und ist das alles wirklich wichtig, angesichts der großen Themen, um die es bei der Wahl gehen sollte? Wobei ich mich aber auch frage, wie man auf dem Weg ins Kanzleramt solche Angriffspunkte offenbaren kann.
Schwennicke: Das Letzte ist der Punkt. Hier wird gerade eine Kunstfigur zerlegt. Und zwar mit ganz einfachen und legitimen Mitteln. Es erstaunt mich, wie wenig Sorgfalt auf den Aufbau dieser Kunstfigur verwandt wurde.
Haider: Haben die Grünen das alles wirklich nicht bedacht? Oder müssen solche Fehler passieren, wenn man zum ersten Mal eine Kanzlerkandidatin nominiert?
Schwennicke: Diese Fragen sind gut. Ich stelle sie mir auch. Und kann mir das nur so erklären: Sie waren zu verwöhnt von den warmen Winden des medialen Wohlwollens. „Endlich anders“, stieß das eine Hamburger Magazin auf seinem Titel begeistert aus nach der Nominierung Baerbocks. „Die Frau für alle Fälle“ titelte das andere. So was kann schon besoffen und unvorsichtig machen.
Haider: Jetzt hätte ich fast vergessen zu fragen, warum du Frau Baerbock als Kunstfigur bezeichnest. Für mich ist sie genau das nicht ...
Schwennicke:Nee? Lebenslauf frisiert, optisch optimiert, Buch kompiliert. Sie tunt sich seit Jahren für diese Aufgabe. Stimmtraining, Kleiderauswahl, Brille weg. Das ist alles erlaubt und legitim. Kann aber angreifbar werden, wenn die Aufladung mit politischer Substanz nicht mit der Intensität des Tunings einhergeht. Dann wirkt das umso mehr wie Fake.
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