Berlin. Die AfD zögerte mit der politischen Instrumentalisierung einer brutalen Tat keinen Moment. Doch auch andere sollten sich jetzt mäßigen.

Eines vorweg: Der Landeschef der AfD ist am Montagabend in Bremen brutal zusammengeschlagen worden, das steht fest. Ein frei gewählter Abgeordneter des Bundestags - hinterrücks überfallen. Doch wer die Täter sind und warum sie Frank Magnitz attackiert haben – das blieb zunächst offen.

Der Staatsschutz ermittelt, was nur passiert, wenn die Behörden von einer politischen Tat ausgehen. Doch wer am Dienstagmorgen schon so tat, als sei klar, dass die Täter Linksradikale sind, tat das vor allem aus einem Grund: Um sich schnell die Deutungshoheit über den brutalen Angriff zu sichern.

Die Tat als Waffe gegen AfD-Kritiker

In der Mitteilung, die die AfD am frühen Morgen verschickte, heißt es, die Tat sei politisch motiviert. Und weiter: Nicht nur die Linken, sondern auch SPD und Grüne unterstützten die Antifa und ihre Angriffe.

Die Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland erklärten später via Twitter, die „Hetze“ gegen die AfD zeige Wirkung. Parteichef Jörg Meuthen veröffentlichte ein Foto des Opfers, mit blutiger Schädelverletzung, und adressierte das Schockbild ausdrücklich in Richtung der politischer Gegner: „So sieht es aus, wenn Personal der AfD attackiert wird.“

Die Botschaft: Wer die AfD kritisiert, nimmt solche Bilder in Kauf, er trägt sogar die Schuld daran. Mit anderen Worten: Die AfD zögerte mit der politischen Instrumentalisierung der brutalen Tat keinen Moment. Der Fall Magnitz war erst wenige Stunden alt, nicht aufgeklärt, aber schon Waffe im Kampf gegen ihre Kritiker.

Cem Özdemir und ein vielsagender Tweet

So machen Gauland & Co. das eben, könnte man meinen. Das einzige, was dagegen hilft, ist Ruhe zu bewahren und den Rechtsstaat arbeiten zu lassen: Die Straftat und ihre Hintergründe müssen aufgeklärt werden, die Täter vor Gericht kommen. Die politische Konkurrenz der AfD reagierte zum Glück in der Regel klug und fair, verurteilte die Tat und verdammte vorsorglich Gewalt als Mittel der Politik.

Doch die letzten Stunden zeigen auch, wie weit das Land inzwischen von Gelassenheit entfernt ist. Noch in der Nacht hatte Grünen-Politiker Cem Özdemir via Twitter erklärt: „Auch gegenüber der AfD gibt es keinerlei Rechtfertigung für Gewalt.“

Wie bitte? Wieso „auch“? Artikel 2 des Grundgesetzes, das Recht auf Unversehrtheit, gilt fraglos für jeden. Was also sagt es über Özdemir und seine Leser aus, wenn er die AfD extra nennen muss? Man ahnt, was und vor allem wen er damit ermahnen will: Leute, die glauben, dass eine Partei, die selbst nicht zimperlich beim Attackieren ihrer Gegner ist, die teils enge Kontakte zu gewaltbereiten Rechtsextremen pflegt – dass eine solche Partei nur mit Gewalt bekämpft werden kann.

Wer der AfD Gelegenheit gibt, sich als Opfer zu fühlen, hilft ihr

Doch solche Tweets sind genau das, was der AfD am Ende in die Hände spielt. Weil sie zeigen, und sei es auch nur aus Schludrigkeit, wie schnell demokratische Standards und Stilformen aufweichen. Es war deshalb auch falsch, als SPD-Politiker Martin Schulz im Bundestag AfD-Chef Alexander Gauland auf den „Misthaufen“ der deutschen Geschichte wünschte. Und es war auch falsch, als sein Parteikollege Johannes Kahrs den AfD-lern entgegenschleuderte: „Hass macht hässlich, schauen Sie mal in den Spiegel!“ Wer der AfD Gelegenheit gibt, sich als Opfer zu fühlen, hilft ihr.

Hinzu kommt: In Wahlkampfzeiten - 2019 wird in in Bremen und drei ostdeutschen Bundesländern gewählt - wird die Verrohung in der politischen Debatte, online wie offline, eher noch stärker. Auch die Angriffe auf Politiker, ihre Büros und Wahlkampfstände werden wohl nicht abreißen, die Vorfälle mehren sich seit Jahren. Man muss deswegen nicht gleich Weimarer Verhältnissen aufziehen sehen. Doch der Fall Magnitz ist eine Warnung an alle: Mäßigt euch!

Bericht: AfD-Mann Frank Magnitz: „Nur noch Schlag in Erinnerung“