„Hier spricht Berlin“: Günther Jauch und Sido im Streit
•
Lesezeit: 10 Minuten
Von Petra Koruhn
Berlin. In der neuen ARD-Talkshow „Hier spricht Berlin“ ließ Günther Jauch den Oberlehrer raushängen. Bei Rapper Sido kam das gar nicht gut an.
Willkommen zur Premiere: Jessy Wellmer und Eva-Maria Lemke hatten für die Talkshow „Hier spricht Berlin“ eine Reihe Promis eingeladen. Darunter Günter Jauch und Sido, um mit ihnen über „30 Jahre Mauerfall“ zu reden. Etwas holperig, das Ganze. Und sprachlich oft an der Fremdschäm-Grenze. Jauch spielte dabei den Oberlehrer, als Sido ihm sagte, es sei nicht schlimm, sich nicht für Geschichte zu interessieren.
Der RTL-Moderator sagte, ein Besuch eines ehemaligen Konzentrationslagers gehöre eigentlich für jedes Schulkind quasi zum Pflichtbesuch, was Sido verneinte. Hat Jauch ja schon gesagt, dass er gerne mal Oberlehrer ist. Aber bei jemandem wie Sido kommt das mal gar nicht gut an. Zwei Alphatiere wie Hund und Katz.
Jauch will, dass Sido es wenigstens auch teilweise blöd finden könnte, sich nicht für politische Zusammenhänge zu interessieren, statt nur tonnenweise Ü-Eier zu verschlingen. Sido kann diesen Ton nicht wirklich ertragen. Warum? Er war doch noch ein Kind! Und er hat keinen Bock auf Moralpredigten. Und auch nicht, als oberflächlicher Vollhonk dazustehen. Oder besser: dargestellt zu werden.
Günther Jauch kann es nicht lassen – und bohrt immer weiter
Als ein Song aus Sidos neuer Platte gespielt wird, hört sich das gar nicht oberflächlich an. Aber Jauch prockelt immer weiter. Er will Sido schon ein bisschen belehren und bekehren. Bildung statt bunte Smarties.
Ob Jauch denn gar nicht weiß, dass man so jemandem so nicht kommen kann? Ob vielleicht Sido ihn da belehren konnte, dass Bildung nicht nur das ist, was er, Jauch, darunter versteht? Sagen wir so: Im Kampf zwischen Zeigefinger gegen Ü-Eier stand es Unentschieden. Leider gab es diese Diskussion erst am Ende der Runde, die dann von der Moderatorin abgewürgt werden musste, weil die anderen schon die Zeit überzogen hatten. Wie ärgerlich!
Ablenkung verschaffte da nur das etwas aufgekratzt wirkende Moderatorinnen-Duo. Von „sauguten Gästen“ ist zu hören und „hübschen Fummeln“, die sie sich angezogen haben. Das wirkt noch aufgesetzt, noch nicht locker genug für noch ne Talkshow, die Teil der Reihe des neuen „Talk am Dienstag“ in der ARD ist.
„Hier spricht Berlin“ in der ARD – Talkshow-Konzept nur so mittelgut
Zu Gast in der 90-minütigen Sendung waren:
Moderator Günther Jauch
Musiker Sido
Schauspielerin Petra Schmidt-Schaller
Opernsänger Thomas Quasthoff
Autorin Else Buschheuer
Was sie gemacht haben, als die Mauer fiel, wurden die Gäste gefragt. Ernstes Thema, in das bisweilen so heiter hineinmoderiert wurde, als ging’s nicht um den Mauerfall, sondern um den Wegfall der Promillegrenze. Aber sei es drum.
Schlimmer war, dass jeder wusste, was er sagen sollte: Jeder Promi hatte sich eine Geschichte zurechtgelegt, die er mehr oder weniger selbstgefällig erzählte. Nicht langweilig, Aber irgendwie berechenbar – und damit für eine Talkshow erstmal nur so mittelgut.
Moderatorinnen wirken wie Kaninchen vor der Schlange
Aber Günter Jauch war ja da. Allein dass er da war, versetzte die Moderatorinnen in Partylaune. Er sei ja so gut wie nie in Talkshows zu sehen. Nur – was macht man jetzt, wenn er schon mal da ist? Warum fällt einem nur das Bild vom Kaninchen mit der Schlange ein?
Die Geschichte der Berliner Mauer
1/21
Jauch wurde in Berlin-Lichterfelde geboren, sagen die Moderatorinnen, trage aber jetzt als langjähriger Wahl-Potsdamer den Titel „Kurfürst von Potsdam“. Wie er das so finde. Er finde es gut, dass „die Monarchie abgeschafft ist“, und sei froh, nicht „unter König und Queen“ zu leben.“
Jauch landete nach Mauerfall mit Ost-Journalistin in der Kneipe
Was habe er denn gemacht, als die Mauer fiel? Weit weg, da, wo er schon seit zehn Jahren lebte, da in München? Er habe mit seiner Frau vor dem Fernseher gesessen. Und habe zu ihr gesagt, sie sollten so schnell wie möglich die kleine Tochter in den Nissan Sunny packen und dann auf nach Berlin. Das Kind schlief, also besser doch erst am nächsten Morgen Aufbruch. Dann nach Berlin. Kind zu den Eltern. Und los.
Immer mit der S-Bahn zwischen Ost und West. Er erzählt von Begegnungen, wichtigen, bewegenden Begegnungen. Von einer Ost-Journalistin, die ihn interviewen wollte. Die er dann aufforderte, mit in den Westen zu fahren. Wie sie dann zusammen in einer Kneipe gelandet sind. Naja, so bewegend war das auch wieder nicht.
Plötzlich wirkt Jauch fasst ein bisschen eingeschnappt
Wellmer und Lemke haken nach, fragen, ob er nicht wenigstens mal etwas anderes hätte machen wollen, da in Berlin. Vielleicht als politischer Reporter mit dem Mikro auf die Straße gehen. „Ich habe nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben“, sagt er fast ein wenig eingeschnappt, rattert dann wie eine Erfolgszähl-Maschine seine ganzen Stationen auf: Sportstudio, Stern-TV – hat er doch gar nicht nötig.
Er ist doch der unumstrittene King des Quiz. Und findet nicht, dass die Welt verblödet, auch wenn er immer wieder alle korrigieren muss. „Ich gefall mir zuweilen in der Rolle des kleinen Oberlehrers“, erklärt er das, was alle schon wissen.
Jetzt müssen die Moderatorinnen aber noch mal was rausholen aus dem. So soll er ihnen nicht davonkommen. Und sie hatten sich schließlich vorbereitet.
Jauch verrät endlich ein paar Details aus seinem Privatleben
Als Kind – unfassbar – da sei ganz anders gewesen: schwer erziehbar, führen sie an. Sogar die Zähne habe er jemandem eingeschlagen. Da stoppt er aber den Moderatorinnenfluss. „Die Zähne wurden MIR ausgeschlagen.“
Die Karriere von Günther Jauch
1/17
Der Rebellenmythos im Kleinformat scheint Jauch nicht ganz schlecht zu gefallen. Wobei er dann wieder lächelnd abwiegelt: Ach, er habe einfach nur aufbegehrt, wollte Freiheiten. So lange wie möglich mit dem Moped rumfahren, nach Hause kommen, wann er will, so viel rauchen wie er will. Und dem Lehrer mal Kleber auf den Stuhl schmieren.
Er sagt es ja dann: „Kleinkinderscherz“, auch nur ein kleiner spröder Knochen für die, die so gierig auf das Privatleben von Jauch aus sind. Und dabei ist es ihm doch schon fast ein Sport, nichts über sich rauszulassen.
Ob es denn einen Unterschied gibt zwischen dem Auftritts-Jauch und dem Privat-Jauch? „Fragen Sie meine Frau“, sagt er und trinkt wie ein Sieger nach dem Dauerlauf erstmal einen kräftigen Schluck aus dem Wasserglas.
Als Sido zu Wort kommt, wird’s peinlich – aber nicht wegen ihm
Am Schluss der Runde, zu der auch noch die Schauspielerin Petra Schmidt-Schaller, Opernsänger Thomas Quasthoff, Autorin, Domina und Hospizbegleiterin Else Buschheuer und Tattoo-Künstler Daniel Krause zählen, kommt dann das zweite Alphatier zu Wort: Sido. Und dann wird’s peinlich.
Die 80er - das Lieblingsjahrzehnt der Deutschen
1/19
Das liegt nicht an Sido, sondern, sorry, an Jessy Wellmer. Weil Sido eben ein Rapper ist, wollte sich Frau Wellmer wohl mal locker machen. Ganz schwieriges Feld, diese „Motherfucker“-Rappereien. Das ahnt sie aber leider nicht einmal.
Und dann sagt Jessy Wellmer plötzlich das F-Wort
Denn Wellmer greift das böse Wort auf und will über den Inhalt von Rapsongs das Gespräch eröffnen: „Ich fick deine Mutter“, zitiert Wellmer eine Songzeile. Und Ihre Kollegin Eva-Maria Lemke guckt entgeistert, sie sagt: „Das hast du nicht wirklich gesagt, Jessy.“
Jessy Wellmer sieht seltsam starr aus. Vielleicht, weil sie jetzt lieber Charlotte Roche wäre? Die dürfte das böse Wort sagen. Aber Jessy Wellmer? Die macht weiter. Sagt: „Das macht doch eh keiner.“
Sido in ganzer coolen Sido-Pracht: Da müsse er sie enttäuschen. Es gebe eine Reihe Muttis, die es mit den Freunden ihres Sohnes undsoweiter. Hilfe möchte man jetzt rufen. Schluss. Wo bleibt die Rettung? Mauerfall, hilf!.
Sido wurde früher als Ossi gemobbt
Und da ist er ja, der Mauerfall. Was er denn gemacht habe, der Sido, als die Mauer fiel? „Geschlafen, wie jedes neunjährige Kind“, sagt Sido. Aber am nächsten Morgen dann die Begeisterung. Ganz schnell sei Sido in den „Fängen des Kapitalismus“ gelandet. Wie fand er das toll, diese Welt des Überflusses. Ü-Eier! Vienetta-Eis!
Jahrzehnte hat Sido über seine Vergangenheit als Ossi geschwiegen. Als Junge sei er deswegen an der Schule gemobbt worden. „Ostler und Brillenträger“ – das sei wohl zu viel gewesen.
Was die Begeisterung über all den Überfluss angeht, kriegt sich Sido gar nicht mehr ein. Da fällt von Jessy Wellmer wieder so ein Wort ein: hat etwas mit „kotzen“ zu tun, gut, es ist nach Mitternacht. Kommt wohl nicht so drauf an.