„Wer wird Millionär“-Fan probte im Keller – und räumt ab
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Von Fabian Hartmann
Berlin. 20 Jahre „Wer wird Millionär“, das muss gefeiert werden. Und die Jubiläumssendung hatte alles zu bieten, was das Format auszeichnet.
„Irgendwie ist die Zeit schnell vergangen“, findet Günther Jauch. Dabei gibt es „Wer wird Millionär“ schon seit 20 Jahren. In der TV-Welt ist das eine halbe Ewigkeit. Die Sendung ist ein Dino unter den Fernsehformaten – und noch immer schauen Millionen Menschen jede Woche zu. Kein Wunder also, dass RTL den runden Geburtstag am Montagabend mit einer Jubiläumsshow feierte.
Und ja: Die Zeit ist wirklich schnell vergangen. Dass das Format eben doch schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, zeigten die vielen Rückblenden: Günther Jauch in den Anfängen mit fast jungenhaftem Gesicht und den, aus heutiger Sicht, viel zu breit geschnittenen Anzügen. Dazu diese Fragen. Etwa danach, was man unter „Stalking“ versteht oder was ein „Tanga“ ist. Es gab Zeiten, da war dieses Wissen 250.000 Mark Wert. Heute würde das den meisten Kandidaten wohl nur ein spöttisches Lachen abringen.
„Wer wird Millionär“ wird 20 – und Günther Jauch ist gut aufgelegt
Die Jubiläumsausgabe bewies einmal mehr, warum das Format so erfolgreich ist: Ein gut aufgelegter Moderator in Verbindung mit herausfordernden Fragen und interessanten, ja bestenfalls sympathisch-schrägen Kandidaten machen den Unterschied – noch immer.
Das Besondere am Montagabend: Das Publikum war besetzt mit ehemaligen Teilnehmern, von unbekannt über Promis wie Rainer Calmund, Oliver Pocher oder Matze Knop bis hin zu Eckhard Freise, dem ersten Millionengewinner in der Geschichte der Sendung. Und: Jede Frage wurde schon einmal gestellt in den letzten zwanzig Jahren. Mehr als 35.000 Fragen kamen seit Beginn zusammen. Die Auswahl war also groß.
Und doch gibt es tatsächlich Menschen, die ein Archiv haben – im Kopf. Dazu gehört Jan Stroh. Der 35-jährige Hamburger schaffte es als zweiter Kandidat in der Jubiläumsshow auf den Stuhl. Und was Stroh – dunkler Anzug, weißes Hemd, dazu eine Krawatte – leistete, war wirklich beeindruckend.
Kandidat spielt „Wer wird Millionär“ in seinem Keller nach
Allerdings muss man sagen: Der studierte Jurist ist ein „Wer wird Millionär“-Nerd. In seinem Keller spielt Stroh die Sendung seit Jahren detailgetreu nach, er hat, so sagt er, auch im TV noch keine Ausgabe verpasst. Sogar eine Feier verließ er für „Wer wird Millionär“ früher.
Das, zugegeben, klingt schon verrückt. Noch viel erstaunlicher aber war sein Fachwissen: Locker-flockig plauderte er sich zum Millionen-Gewinn. Oft wusste er die Antwort, bevor Günther Jauch auch nur sagen konnte, was zur Auswahl steht. Etwa bei 32.000 Euro, als gefragt war, wessen Asche 2008 aus dem Kleiderschrank der Witwe geklaut wurde. Wie aus der Pistole geschossen, antwortete Stroh: Kurt Cobain. Richtig, natürlich.
So ging es weiter, bis zur letzten Frage. Die lautete:
„Welches dieser Grimm’schen Märchen beginnt nicht mit ,Es war einmal…`“?
Noch bevor die Antwortmöglichkeiten verlesen wurden, platzte es aus Stroh schon heraus: „Diese Frage hatte Hape Kerkeling bekommen“. Der Hamburger Jurist sah Fragen und konnte sie der passenden Sendung zuordnen. Ein Talent, das Günther Jauch gleich mehrmals Staunen ließ. Bei der alles entscheidenden Frage standen zur Auswahl:
A: Rumpelstilzchen
B: Hans im Glück
C: Die Sterntaler
D: Rotkäppchen
Doch diesmal sagte Stroh nur: „Ich meine, mich zu erinnern“. Ganz sicher war er nicht. Er zockte, nahm „B“ – und ging mit einer Million Euro nach Hause. Um 21.40 Uhr regneten goldene Schnipsel von der Studiodecke. Stroh ist damit der elfte (nicht-prominente) Kandidat, der die Million abräumte.
• In der Bilderstrecke sehen Sie alle „Wer wird Millionär“-Kandidaten, die alle Fragen richtig beantwortet haben:
Sie räumten bei „Wer wird Millionär“ ab
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Schreibweise von „Cappuccino“ ist zu hohe Hürde
Und fast hätte man sagen können: Damit war das Pulver der Sendung verschossen. Der vermutlich unterhaltsamste Kandidat war schon an der Reihe. Doch es musste weitergehen. Grundschullehrerin Ilona Katharina Werner war die Nächste. Sie bekannte zwar, früher „unsterblich verliebt“ in Günther Jauch gewesen zu sein. Doch das Glück, es ging ihr komplett ab. Bei 4000 Euro – gesucht war die richtige Schreibweise von „Cappuccino“ – war schon Schluss.
Neuen Schwung brachte erst die Medizin-Studentin Viktoria Kranz. Mit ihrer offenen, quirligen Art umschiffte sie manche Wissenslücke und sammelte massig Sympathiepunkte („Ich kann jetzt auch nich‘ für jede Frage ein Pulver verjokern“).
Dabei wäre bei 300 Euro schon beinahe Schluss gewesen für die junge Frau mit dem Abi-Schnitt von 1,3. Dass der „Urinstinkt“ im Unterbewusstsein erhalten geblieben ist, erkannte sie neben den Auswahlmöglichkeiten „Scheißtropft“, „Kackedampft“ und „Pipiläuft“ nicht. Das Publikum musste aushelfen.
Medizin-Studentin freut sich über „Günther-Jauch-Stipendium“
Mit Hängen und Würgen erreichte sie dann doch noch die 16.000 Euro, ihr großes Ziel. Warum diese Summe? Das Geld möchte sie verwenden, um sich monatlich bis zum Studienende 300 Euro auszuzahlen. „Eine Art Günther-Jauch-Stipendium“, sagte die angehende Ärztin.
Dass die junge Frau bei 32.000 Euro – gesucht war der hierzulande kürzeste Monat – mit ihrer Antwort Januar daneben lag und wieder zurück auf die 16.000 fiel, schmerzte also nicht mehr. „Mir so egal“, lachte die Studentin. Richtig wäre übrigens, durch die Zeitumstellung, der März gewesen.
Auf der anderen Seite: Nicht jeder Kandidat kann ein privates „Wer wird Millionär“-Fragen- und Antwortarchiv im Kopf haben. Wäre sonst auch teuer für RTL. So mit Blick auf die nächsten 20 Jahre.