Berlin. Die Runde bei “Markus Lanz“ diskutierte am Donnerstag, wann und unter welchen Voraussetzungen der Ukraine-Krieg beendet werden könnte.

Für Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik war das eine Grundsatzfrage: "Wollen wir immer noch souveräne Staaten mit freier Bündniswahl, die selbst entscheiden können? Oder wollen wir uns auf ein Großmächte-Konzert einlassen, wo die Großen was zu sagen und die Kleinen einfach Pech haben?", äußerte sich die Sicherheitsexpertin zugespitzt bei "Markus Lanz" zum Ukraine-Konflikt.

Nach all den Vertragsbrüchen internationaler Vereinbarungen, nach all dem, was in der Ukraine bislang passiert war, erkannte sie einen fundamentalen Vertrauensbruch in Europa. Und damit wenig Chancen für ein baldiges Ende des russischen Angriffkiegs: Wer wollte noch einer russischen Zusage vertrauen, dass es sich aus den besetzten Gebieten zurückziehen und in Zukunft die territoriale Integrität der Ukraine garantieren würde?

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Klaus von Dohnanyi (SPD), Politiker
  • Claudia Major, Sicherheitsexpertin
  • Julius van de Laar, USA- und Kommunikations-Experte
  • Karen Pittel, Ökonomin

Ukraine-Krieg: Nato oder Neutralität?

"Was Russland möchte, ist nicht so sehr Sicherheitsgarantien für sich selbst, sondern dass die Sicherheitsgarantien für die Staaten abgeräumt werden, die 1997 der Nato beigetreten sind", räumte sie die Forderungen vom Tisch, die Wladimir Putin im Dezember veröffentlicht hatte. "Nato oder Neutralität" sei nur ein vorgeschobenes Argument. "Wir müssen jetzt aufpassen, dass wir nicht dem russischen Narrativ aufsitzen", warnte sie , vor allem in Richtung Klaus von Dohnanyi. Lesen Sie dazu: Botschafter: "Die Gefahr eines Weltkriegs ist sehr real"

Der hatte kurz vorher erneut behauptet, Nato und USA hätten zu wenig getan, um den Krieg in der Ukraine zu verhindern. "Man sollte nicht allein auf Waffen vertrauen", beharrte er auch jetzt noch bei "Markus Lanz", sondern auf Diplomatie setzen: "Wenn die USA unterstützen würden, dass die Ukraine neutral werden kann, dann wäre das für Putin vielleicht verhandelbar", glaubte er. Sicher war er nicht.

Allerdings hatte Klaus von Dohnanyi mit Russland einmal andere Erfahrungen gemacht: Als (letztes noch lebendes) Mitglied des Kabinetts Willy Brandt war er 1970 bei der Unterzeichnung der Ostverträge live dabei, die eine Politik eines "Wandels durch Annäherung" erst ermöglicht hatten. Bis zuletzt hatte er es deshalb nicht für möglich gehalten, gestand er, dass Putin ein so "hochnationalistisches Land" angriff. "Da hätte ich ihm mehr Verstand zugetraut."

Konflikt in Europa: Kritik an der Rolle der USA

So erfreut Markus Lanz auch war, dass der inzwischen 93-jährige SPD-Politiker in seinem Hamburger Studio saß, so verzweifelt musste er immer wieder auch versuchen, seinen Hauptgast vor zu vielen Peinlichkeiten zu retten: Wiederholt kritisierte er die USA, die stets als Nato-Chef auftreten und wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten der anderen Seite nehmen würden. Und rechtfertigte dann sogar den brutalen Einsatz der russischen Truppen in Syrien als völkerrechtskonform. Auch interessant: USA im Ukraine-Krieg: Russland geht nicht ans "Rote Telefon"

Er wäre kein Putin-Sympathisant, verteidigte sich der Elder Statesman aber. Die Sache sei nur komplizierter, als in einer Talkshow aufzurollen war. "Was ich damit sagen will, ist nur, dass die Europäer eine eigene Position finden sollten", fasste er zusammen, was an provokanten Thesen in seinem neuen Buch zum "Nationalen Interesse" stand.

Julius van de Laar hörte höflich zu und wunderte sich höchstens. Nachdem Joe Biden Wladimir Putin öffentlich als "Kriegsverbrecher" bezeichnet hatte, sah der USA- und Kommunikations-Experte jedenfalls nicht, "wie man noch 'in good faith' an den Verhandlungstisch zurückkehren könnte."

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Ukraine-Krieg: Wirtschaftliche Beziehungen Russlands langfristig geschädigt?

Da sah Karen Pittel vom Münchner ifo-Institut wenigstens voraus, dass es wieder zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen dem Westen und Russland kommen würde, wenn nach Ende des Krieges die Logistik wieder da wäre und die Banken wieder funktionierten: "Niemand hat ein Interesse daran, Russland wirtschaftlich klein zu halten", begründete die Ökonomin.

Aber sie glaubte nicht, dass die europäischen Staaten bereit wären, zukünftige Gaslieferungen in Rubel zu bezahlen, selbst wenn das bedeutete, dass Russland den Gashahn mit einem "Bäng" zudrehte. "Wir werden versuchen, so schnell wie möglich von dem Lieferanten dauerhaft unabhängig zu sein." Lesen Sie auch: Ukraine: Gas-Importstopp könnte Wirtschaft hart treffen

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.waz.de

"Markus Lanz" – So liefen die vergangenen Sendungen