Die Hamburger Künstlerin Gerten Goldbeck lehnt nach Ai Weiweis Festnahme eine Einladung nach China zur Veranstaltung “printmaking base“ ab.

Hamburg. Sie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, die Kunstgrafikerin Gerten Goldbeck. Sie wird nicht nach China fliegen - und zwar aus Protest gegen Ai Weiweis Festnahme. Die 44-Jährige sollte im Sommer sechs Wochen auf Einladung der staatlichen chinesischen Künstlervereinigung in China verbringen, als "artist in residence" in der "printmaking base" in Shenzen, wie das Programm auf Englisch heißt: Die Sprache der Kunst ist international. Die Eimsbüttelerin besuchte im vergangenen Jahr Peking. China sei ein faszinierendes Land, sagt sie, "und ich wäre gerne wieder dorthin gereist".

Aber Ai Weiweis Verschwinden hat dann alles verändert. "Es ist erschreckend, was die Machthaber sich in China trauen: Sie nehmen einfach einen der bekanntesten Künstler der Welt fest, und keiner weiß, wo er ist."

Die schlechten Vibrationen einer solchen Untat sind auch hier in Hamburg zu spüren: wenn Gerten Goldbeck etwas gehetzt spricht. Man hört dies nur ein klein wenig, vielleicht ist es aber auch die kleine Erkältung, die die Künstlerin und ihr sechsjähriger Sohn gerade mit sich herumschleppen. "Natürlich haben mich die Geschehnisse und meine Entscheidungsfindung nervös gemacht", sagt sie. Viele ihrer Kollegen haben ihr mitgeteilt: Das ist richtig so, wie du das machst. Andere finden dagegen, sie hätte fahren sollen, um mit den jungen chinesischen Künstlern und Studenten zu diskutieren. Dabei wissen die meist gar nicht, wer Ai Weiwei ist. "Und ich bin vielleicht nicht diplomatisch genug, mich regt das wahnsinnig auf, was in China geschieht."

Vor Kurzem war ein Freund, der in Peking lebt, mit einer Chinesin auf Deutschland-Besuch, "und da fiel mir die Ignoranz auf, mit der so viele chinesische Künstler dem Thema Menschenrechte in ihrem Land begegnen". Gerten Goldbeck ist wütend, wenn sie über China spricht; es ist wohl so, dass die Fassungslosigkeit über den Fall Ai Weiwei und die Enttäuschung über den ausgefallenen China-Aufenthalt ("Die Bedingungen in Shenzen sind einmalig") ihr zurzeit keine andere Wahl lassen, als hart über das Land und die Kunstszene zu urteilen. Wenn man zu kritische Fragen stelle, könnten die Chinesen kein Englisch mehr, sagt Goldbeck, und dann unterzieht sie die chinesische Gegenwartskunst einer vernichtenden Prüfung: Die äffe den Westen nach, "und kritisch ist sie nie".

Nach China wird sie wohl nicht mehr reisen, "die lassen mich eh nicht mehr rein". Was mit ihren Kunstwerken passiert, die schon in Peking sind? "Wahrscheinlich werden sie mir zurückgeschickt, kommentarlos."

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