Auf einer gerade veröffentlichten Rangliste der deutschen Kulturstädte landete die Hansestadt nur auf Platz neun von 30. Wie konnte es dazu kommen?

Hamburg. Karlsruhe, Münster, Frankfurt und Bonn sind besser. Berlin, München und Dresden sind viel besser. Stuttgart hat als Kulturstadt die Nase ganz weit vorn. Hamburg jedoch liegt nur auf Platz neun, gefolgt von Augsburg, Düsseldorf und Leipzig. Wuppertal und Duisburg, zwei dramatisch unterfinanzierte NRW-Kommunen, tragen die rote Laterne. Das ist kein Wunder, da die Grundvoraussetzungen für die Schaffung, Pflege und Nutzung kultureller Infrastruktur von Stadt zu Stadt sehr unterschiedlich sein können. Ebenso die Einkommensverhältnisse, denn oft muss man sich Kultur auch leisten können. Ein großer Trost ist es aber dennoch nicht in Hamburg, der an vielen Stellen reichsten Stadt der Republik.

Die Studie, in der das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) im Auftrag der Berenberg Bank 30 Städte auf ihre kulturelle Wertigkeit überprüfte, ist keine schöne Lektüre für die kulturell Verantwortlichen an der Elbe. Eigen- und Fremdwahrnehmung klaffen hier deutlich auseinander, der selbst ernannten Kultur- und Musikmetropole wird bescheinigt, dass in fast allen Bereichen noch Luft ist nach oben.

Aus der Kulturbehörde teilte ein Sprecher mit, man habe das Kulturstädteranking zur Kenntnis genommen. "Die Autoren weisen der Kultur zu Recht eine hohe Bedeutung für die Lebensqualität und die Zukunftsfähigkeit von Städten zu. Daher sehen wir es als unsere vordringliche Aufgabe an, die kulturelle Vielfalt in Hamburg auszubauen. Einige Ergebnisse werfen jedoch Fragen auf und erschließen sich bei erster Durchsicht nicht. So zum Beispiel der angebliche Nachholbedarf Hamburgs im Bereich der Kinder- und Jugendkultur. Hier zeigen unsere Evaluationen, dass Hamburg bundesweit seit Langem führend ist und dass das HWWI/Berenberg-Kulturstädteranking möglicherweise nicht alle Aktivitäten in der Stadt erfasst oder nicht vergleichbare Parameter hinzuzieht." Die derart bezweifelte Studie untersuchte sowohl die Kulturproduktion als auch ihre Nutzung.

In Hamburg habe die Kulturwirtschaft eine große Bedeutung als Arbeitgeber gewonnen, heißt es in der Studie, sie weise weiteres Entwicklungspotenzial auf. Einiges spricht durchaus für die Hansestadt und ihre Möglichkeiten: Man sei mit rund 40 000 Beschäftigten im oberen Drittel, 4,6 Prozent aller in Hamburg Beschäftigten arbeiten in kulturellen Bereichen (in Stuttgart sind es 6,3 Prozent). Bei der "Künstlerdichte" liege Hamburg hinter Berlin, Köln und München auf Platz vier, auch die konstant hohen Touristenzahlen seien positiv zu verbuchen, weil sie zur Belebung beitragen. Durchschnitt oder schlechter sei man allerdings bei der Nutzung der Bibliotheken (Spitzenreiter: Stuttgart), Museumsbesuchen und Theaterplätzen pro Einwohner. An dieser Stelle punktet insbesondere Stuttgart. Die Oper dort ist nicht nur gut besucht, sie ist auch anerkannt hochklassig (deswegen der Spitzenplatz), selbst aktuelle Umbau-Katastrophen können dem Renommee nicht schaden. Die Theater- und die Museumslandschaft stehen sehr gut da, ebenso in Dresden, das ohnehin als "Museumsstadt" gelte.

+++ Studie über Bauprojekte +++

Besonders schlecht kommt die "Musikmetropole" Hamburg bei der Zahl der Musikschüler und -studenten weg: Das Verhältnis zur Einwohnerzahl ist überall besser. Platz 30 von 30, trotz vieler Anstrengungen, trotz der "Alsterphilharmonie" Musikhochschule. "Hamburg muss noch stärker in kulturelle Bildung investieren und Kinder und Jugendliche früh an Kultur heranführen", konstatieren die Studien-Autoren. Soll heißen: Was Hänschen kulturell nicht kennenlernt, mag Hans nimmermehr und verbringt seine Abende und Freizeit dann eben anders. Und wenn Hans mal Vater wird, erlebt die nächste Generation dieses Vorbild.

Unter dem Schlussstrich dieser Studie bleibt der Eindruck, dass die Hamburger Kulturlandschaft zwar viel Schönes und Gutes aufzuweisen hat, aber entweder zu wenig daraus macht oder zu wenig dort investiert. Nun wirklich keine neue Erkenntnis, aber eine, die immer noch unerhört ist. Um hier - insbesondere im Bereich Live-Musik - an wichtigen Stellschrauben zu drehen, mag eine weitere Studie hilfreich sein, die unter Hamburger Beteiligung entstand. Noch nie sei mit klassischen Konzerten so viel Umsatz gemacht worden wie 2011, das ist ein herausragendes Ergebnis einer Studie, die das Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK für den in Hamburg ansässigen Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft (BDV) erstellt hat.

Klassik, Oper und Operette machen, noch vor Rock, Pop oder Musicals den Hauptanteil des Live-Musikmarkts aus. 2011 seien dafür Karten im Wert von 823 Millionen Euro verkauft worden, 32 Prozent mehr als im Vergleichsjahr 2009. Es kommt aber noch besser für alle, die das Geunke von der Krise der Klassik nicht glauben wollen: 15,5 Prozent aller Deutschen haben 2011 ein Konzert oder eine Musiktheater-Vorstellung besucht, bei Pop- und Rock-Konzerten waren es 14,1 Prozent. Rund 40 Prozent der Klassik-Interessierten haben ein Abonnement.

Auf den ersten Blick kann es für eine Stadt, die sich ein Konzerthaus mit Tausenden von Sitzplätzen baut, kaum bessere Nachrichten geben. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn die Anschlussfrage muss lauten, wie das Publikum für diese Angebote in Elbphilharmonie und Laeiszhalle rechtzeitig generiert werden kann. Darauf weiß auch die GfK-Studie keine Antwort.

Thema an diesem Sonntag, 21.45 Uhr, in der "Hamburger Presserunde" auf Hamburg 1: "Kulturstadt Hamburg - quo vadis?"