Die Sonderschau “Versunken. Entdeckt. Gerettet“ im Stader Schwedenspeicher ist eine gelungene Ergänzung zur Hanse-Ausstellung

Stade. Der Weg nach Stade ist manchmal zeitaufwendiger als gedacht. Auf die S-Bahn, die laut Fahrplan von der Hamburger City in gut einer Stunde bis in die Hansestadt am Rande des Alten Landes fährt, ist längst nicht immer Verlass. Am Ende des (Fuß-)Wegs durch die sehenswerte Stader Altstadt bietet der Schwedenspeicher indes Gelegenheit zum Abtauchen.

Es blubbert und plätschert. Auf der Leinwand im Erdgeschoss des Museums läuft ein Film. Forschungstaucher aus Kiel haben Unterwasseraufnahmen erstellt. Sie zeigen ein gut 14 Meter langes und drei Meter breites Boot. Es liegt kieloben in der Elbe bei Stade-Bützfleth. Es ist ein Binnenschiff aus dem 17. Jahrhundert und der Film der ideale Einstieg zu einer einmaligen Sonderausstellung: "Versunken. Entdeckt. Gerettet" vereint Schiffsfunde aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit.

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Das "Wrack von Bützfleth" wurde bei Vermessungen in der Elbe eher zufällig entdeckt. "Aus wissenschaftlicher Sicht ist das ein absolutes Highlight", sagt Dr. Sebastian Möllers, Direktor der Museen Stade. Vergleichbare Schiffsfunde sind aus Elbe und Weser bislang nicht überliefert. Die Filmaufnahmen dokumentieren, wie schwierig die Bedingungen dort sind: schlechte Sicht, Strömung und Tide trüben das Bild.

Aus dem Fundplatz "Fluss und Hafen" stammen aber zwei zum Teil erhaltene Exponate. Das "Karschau-Schiff", so benannt, weil es vor dem Ort an der Schlei nach einem Wintersturm im Januar 2000 entdeckt wurde, war ein 25 Meter langer und sieben Meter breiter Frachtsegler. Er sank im zwölften Jahrhundert auf dem Weg zur Ostsee und war mit einer Tragfähigkeit von 50 Tonnen einer der größten Lastensegler des Hochmittelalters. Holzfragmente mit Leisten, die Abdrücke von Kalfatklammern aufweisen, zeigen Baumerkmale, wie sie später bei sogenannten Koggen charakteristisch waren.

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Das "Wrack von Wittenbergen" kommt aus dem Hamburgmuseum. Es wurde vom bekannten gelben Eimerbagger Odin Ende der 1970er-Jahre querab vom Unterfeuer aus der Elbe befördert. Das Boot aus dem späten 16. Jahrhundert transportierte spektakuläre Fracht: Auf dem Schiff, das offenbar Spanien mit Waffen für den Krieg mit den Niederländern beliefern sollte, fanden die Archäologen um Professor Jörgen Bracker ein 90-Millimeter-Geschütz mit einer noch gefüllten Pulverkartusche.

So brisant geht es im Schwedenspeicher jetzt nicht zu. Filmchen und digitalisierte Bilder veranschaulichen indes die Fundgeschichte und damit die gesamte Ausstellung.

Doch Nord- ist nicht gleich Ostsee.

Während in der Nordsee die Bedingungen ähnlich schlecht sind wie in der Elbe, entdeckten Unterwasserarchäologen in der Ostsee in den vergangenen Jahrzehnten oft Sensationelles. Möllers: "Dort ist die Sicht viel besser, und viele Wracks liegen noch auf dem Grund der Bodden." In jenem vom offenen Meer durch Landzungen abgetrenntem Küstengewässer sind vier weitere Frachtschiffe aufgetan worden. Darunter ist das erst 2010 vor dem Greifswalder Bodden während des Baus der Ostsee-Pipeline entdeckte "Kupferschiff". Das spätmittelalterliche Handelsschiff hatte 66 große Kupferbarren geladen; im Museum geben Kupferplatten ein Zeugnis davon. Die "Darßer Kogge", erbaut im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts, liegt weiterhin im Wasser der Ostsee. Hinter einer Vitrine sind jedoch ihre Ladungsfragmente zu erkennen: Zwischen dem Boden und Deckel eines Fasses liegen Wetzsteine sowie aus Island stammender Schwefel. Das und die weiteren Frachtgüter belegen, dass das Schiff aus Bergen in Norwegen gekommen sei, meint Möllers.

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Die Ladung erzählt immer auch Geschichten über Handelswege oder lässt Rückschlüsse auf Fernhandelsbeziehungen im Mittelalter zu. Die Funde geben Aufschluss über das Leben und die Ausrüstung und den Stand der Technik.

Der Vordersteven eines weiteren Schiffs ragt bis in den ersten Stock des Schwedenspeichers. Das bereits konservierte "Wrack vom Hedwigenkoog" ist eines der seltenen Teile aus der Nordsee. Es stammt aus dem späten 17. Jahrhundert.

Von oben sind die Wrackfunde ebenfalls gut zu sehen. Im Obergeschoss reisen wir in die Zeit der Hanse. Die Dauerausstellung - die erste zu diesem Thema seit 1989 anlässlich des 800. Hamburger Hafengeburtstags - zog nach dem Umbau des Schwedenspeichers im Mai 2011 ein. Sie bildet einen perfekten Rahmen. Die Genfer Künstlerin Paula Müller erhellt mit ihren humorvoll gestalteten Kabinetten ("Handelsrecht wie ,Monopoly'") zu fünf Themenbereichen auch jüngere Besucher.

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Wieder angekommen im Erdgeschoss, plätschert und blubbert es noch mal - der Unterwasserfilm über das "Wrack von Bützfleth". Und das Miniatur-Modell, das gleich beim Eingang komprimiert die Stader Stadtgeschichte darstellt, sieht man nun mit anderen Augen. Hier sollte man sie sich nehmen, die Zeit zum Abtauchen.

"Versunken. Entdeckt. Gerettet" bis 16.9., Schwedenspeicher/Stade, Wasser West 39, Di-Fr jew. 10.00-17.00, Sa/So 10.00-18.00, Eintritt 6,-/erm. 3,-, Kinder bis 18 J. frei, T. 04141/797 73 10; Internet: www.museen-stade.de