Serie “Kultur erfahren“: Das Lübecker Behnhaus Drägerhaus zeigt zahlreiche Landschaftsbilder der impressionistischen Malerei.

Behnhaus. Der Vergleich ist verblüffend. Johann Martin von Rohdens (1778-1868) "Landschaft mit den Albaner Bergen (der Nemi-See)" von 1818 zeigt das Gemälde eines Schöpfers, der ganz der verbreiteten Italien-Sehnsucht verfallen war. Das Bild ist klar in Vorder- und Hintergrund unterteilt, ergänzt um Detailstudien einiger Pflanzen und Bäume. Anhand der dargestellten Wandererfiguren erzählt Rohden vom Kreislauf des Irdischen.

Gleich daneben hängt "Die Blumenterrasse im Wannseegarten nach Nordosten" (1915) von Max Liebermann (1847-1935). Es verdeutlicht, wie sehr die Impressionisten mit dem klassischen Bildaufbau gebrochen haben. Hier beugt sich eine Staffagefigur über das Blumenbeet. Das Blau in ihrem Kleid greift die Farbe der Wolken auf. Das Bild wirkt, obwohl gleichermaßen komponiert, wie ein zufälliger Blick in den Garten. Wir sehen eine heimische Landschaft, keinen mediterranen Sehnsuchtsort. In der Schau "Impressionisten" im Museum Behnhaus Drägerhaus in Lübeck erfährt der Besucher eine Menge über die Hinwendung der deutschen, speziell der norddeutschen Maler zur Moderne, was einen Ausflug unbedingt lohnt.

Infolge der impressionistischen Bewegung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, deren namhafteste Vertreter Van Gogh, Monet, Degas, Renoir oder Cézanne heute längst als Popstars der Kunst gelten, wagten auch Lübecker und norddeutsche Maler wie Gotthardt Kuehl, Hermann Linde, Linde-Walther, Ulrich Hübner oder Maria Slavona einen neuen Blick auf den Effekt, den Licht und Atmosphäre in der Farbe hinterlassen. Viele dieser exemplarischen Werke aus der hauseigenen Sammlung lassen sich hier bestaunen, vor allem Landschaften, aber auch Stillleben, Interieurs und Porträts.

Die großen Namen des "deutschen Impressionismus" fehlen nicht. Max Slevogt (1868-1932) etwa, der, noch deutlich der Historie verpflichtet, die Wälder seiner Pfälzer Heimat einfing. Gemeinsam mit Max Liebermann und Lovis Corinth, die wie Slevogt der Berliner Sezession angehörten, huldigte er der Freilichtmalerei. Mit der Staffelei zog er in die freie Natur hinaus und malte im Angesicht der dargestellten Landschaft. Der Beweis findet sich etwa auf seinem Landschaftsbild "Blühende Obstbäume bei Neukastel" (um 1919). Slevogt baute das Bild so auf, dass der Horizont das Grün der Wiese und Bäume und das Blau des wolkigen Himmels trennt. Am oberen Bildrand haben Gewitterfliegen, die in die noch frische Malfarbe geflogen waren, klebrige Spuren hinterlassen.

Die Lübecker Schau bezieht klar Stellung in der Frage, ob man bei den deutschen Künstlern überhaupt von Impressionisten sprechen kann. Ein Begriff, der sich 1874 anlässlich der ersten Gruppenausstellung französischer Impressionisten nach einem Gemälde Claude Monets mit dem Titel "Impression, Sonnenaufgang" geprägt wurde. Die Antwort lautet "Ja", da es sich um Kunst handelt, die sich einem Motiv nicht in historischer oder narrativer Weise nähert, sondern die Atmosphäre transportieren will.

Allerdings galt die impressionistische Kunst in ihren Anfängen als verpönt. Einen wichtigen Beitrag zur Etablierung leistete die Weimarer Malschule, in Folge der französischen Schule von Barbizon wandten sich ihre Schüler der "Paysage intime" sowie grautonigen und kargen Herbst- und Vorfrühlingslandschaften im Weimarer Land zu. Ebenfalls große Bedeutung erhielt der Leibl-Kreis. Wilhelm Leibl (1844-1900) lehnte die akademische Kunst zunehmend ab und suchte nach einfachen Motiven. Er gründete in München zwischen 1871 und 1873 eine Künstlergruppe, die durch die europäischen Kunstmetropolen reiste.

Walther Linde, der sich als Maler Linde-Walther nannte, schuf in "Die Hartengrube in Lübeck" (1902) eine Straßenszene, in der die Erwachsenen den Blick abwenden, während die großen Augen eines Kindes an der Hand der Mutter den Maler in heimlicher Seelenverwandtschaft anzuschauen scheinen. Der gebürtige Lübecker Gotthardt Kuehl (1850-1915) lebte lange in Paris, was seine Alltags-, Milieu- und Handwerksszenen ebenso wie Kircheninterieurs und impressionistische Stadtansichten beeinflusste. Aus der Wirtshausszene in "Die Skatspieler" (1885) etwa spricht eine genrehafte Erzählfreude wie auch Prinzipien der Freiluftmalerei, auch wenn es im Atelier entstanden ist. Das Bild ist deutlich in Vorder- und Hintergrund geteilt. Die Figuren sind in Bewegung. Durch das Fenster fällt der Blick auf Hinterhöfe und Backsteingiebel. Gleiches gilt für "Lübecker Waisenhaus" (1894) und "Topfmarkt in Dresden" (1911), in dem Kuehl die Dresdner Frauenkirche schemenhaft an den Bildrand drängt und die Stimmung des morgendlichen Marktgeschehens einfängt. Der Übergang zur Moderne bis zu den Anfängen der expressiven Malerei lässt sich in Lübeck hervorragend verfolgen.

Impressionisten im Behnhaus bis 21.10., Museum Behnhaus Drägerhaus, Königstraße 9-11, Di-So 10.00-17.00; www.museum-behnhaus-draegerhaus.de

Nächste Woche: Lüneburg