Das Kulturhistorische Museum Rostock erinnert an die Künstlerkolonien in Ahrenshoop und Schwaan während der Kaiserzeit

Rostock. Warum ziehen Künstlerkolonien das Publikum so in ihren Bann? Vielleicht, weil sich der Mensch des 21. Jahrhunderts verbunden fühlt mit den Künstlern, die vor mehr als 100 Jahren aus den Metropolen aufs Land zogen auf der Suche nach Natur, Licht, Landschaft und Gegenwelten zum donnernden Fortschritt der Industrialisierung. Lange Zeit hat die Kunstgeschichte diesen Rückzugsbewegungen wenig Anteil an der Entwicklung zur künstlerischen Moderne zugestanden und ihre Werke teilweise sogar als "Spinatmalerei" verlacht. Dass das nicht stimmt, zeigt jetzt das Kunsthistorische Museum Rostock in einer ungewöhnlichen Ausstellung, die einen Besuch lohnt. Mit 80 Gemälden und 30 Grafiken konzentriert sie sich auf die Entwicklung in den mecklenburgischen Künstlerkolonien in Ahrenshoop und Schwaan während der Kaiserzeit.

Als die Maler Paul Müller-Kaempff und Oskar Frenzel 1889 zum ersten Mal nach Ahrenshoop auf dem Fischland kamen, waren sie von der Abgeschiedenheit des Fischerdorfs mit seinen Katen, uralten Weißdornbüschen und rauen Dünen vor der See dermaßen fasziniert, dass sie sich dauerhaft niederließen. Zusammen mit Künstlerfreunden wie Fritz Grebe, Anna Gerresheim und Friedrich Wachenhusen weckten sie Ahrenshoop aus seiner Weltabgeschiedenheit, gründeten dort die Malschule St. Lukas und machten den Ort zu einer modernen Legende.

Ganz anders das Landstädtchen Schwaan südlich von Bad Doberan im Tal der Warnow. Die Künstler Franz Bunke, Rudolf Bartels und Peter Paul Draewing waren keine aus Großstädten Zugezogenen, sondern stammten aus dem Ort und kehrten nach ihren Studienzeiten dorthin zurück. Bunke, an der namhaften Weimarer Malschule Meisterschüler des Impressionisten Theodor Hagen und dann selbst Lehrer für Landschaftsmalerei, zog ab 1892 Sommer für Sommer mit Studenten in die Heimatstadt; sogar mit Studentinnen, denn in Weimar durften auch Frauen lernen. Bis in die 1930er-Jahre war Bunke das Herz des Schwaaner Künstlerkreises, zu dem 1902 noch der Hamburger Alfred Heinsohn stieß.

Das Wunschbild unberührter Natur in ihren Licht-und-Wolken-Stimmungen machte Schule nicht nur im Teufelsmoor von Worpswede, sondern auch in der Düneneinsamkeit von Ahrenshoop und der hübschen Endmoränenlandschaft von Schwaan mit Warnow, Wald und Wiesen. "Es gab Verbindungen zwischen beiden Künstlerorten, man kannte sich von Ausstellungen", sagt Steffen Stuth vom Kunsthistorischen Museum. Müller-Kaempff besuchte Schwaan, umgekehrt machten sich Bunke und Schüler auf den umständlichen Weg aufs Fischland.

Umso interessanter ist der Vergleich der Werke - häufig mit erkennbar ähnlichen Vorbildern und Absichten, aber unterschiedlichen künstlerischen Akzenten. Und gerade das kleine Schwaan hat den klarsten Beitrag zur Moderne hervorgebracht - mit Rudolf Bartels und Alfred Heinsohn.

Während etwa Bunke, zeitlebens der erfolgreichste und bekannteste Mecklenburger Künstler, und Wachenhusen sich mit Großformaten ganz den Licht- und Landschaftsformen verschrieben, während Müller-Kaempff nach zwei Jahrzehnten fast die Strandmotive abhanden kamen, nahmen Bartels und Heinsohn die Ziele der Berliner Sezession auf und entwickelten in der Szenerie der Provinz sehr eigene Handschriften. Ihre Bilder schneebedeckter Ackerbürgerhäuschen, Frühlingsgärten oder Friedhöfe haben nichts Naturalistisches mehr. Bartels' Kinder mit Laternen, ein wiederholtes Motiv - und Heinsohns nächtliches Ufer oder "Winterwald" lösen Formen in Farben, Flächen, Lichtinseln auf.

Einen anschaulichen Einblick bietet die Ausstellung auch in das Schaffen der Frauen in Ahrenshoop. Anna Gerresheims hart konturierte "Spielende Kinder in Boddenwiese" haben nichts Kitschig-Verspieltes, das Moorwasser in Elisabeth von Eickens "Waldinneres" ist fast durchsichtig; beide sind Meisterinnen der Lichtwirkung gewesen.

Bilder aus den umfangreichen Sammlungen des Museums selbst, der Kunstmühle Schwaan und der Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop, aber auch aus Leihgaben anderer Museen und Privatbesitz im gesamten Bundesgebiet wurden für das Gemeinschaftsprojekt aller drei Standorte zusammengestellt. "Wir haben immer das Spätwerk der Koloniekünstler vor Augen, das sie gemalt haben, um zu verkaufen - Büsche, Bäume, Bauernkaten", sagt Steffen Stuth. "Aber wir zeigen, dass die Freilichtmalerei hier nichts Zweitrangiges war, sondern sich sehr vielfältig in einer engen Wechselwirkung mit den Schulen in Weimar und Berlin entwickelte."

Die Kunstmühle Schwaan, nur 16 Kilometer von Rostock entfernt, widmet ihre Sommerausstellung einer dritten Künstlerkolonie: "Gerhart Hauptmann und seine Insel Hiddensee". Sie zeigt Zeichnungen und Grafiken, die sich mit Hauptmann auf seiner Lieblingsinsel und seinem Werk auseinandersetzen, ergänzt durch Werke von Elisabeth Büchsel und anderen Malern der Hiddenseer Künstlerkolonie.

"Himmelslicht und weite Erde" Meisterwerke auf dem Weg zur Freilichtmalerei in den Künstlerkolonien Ahrenshoop und Schwaan. Kulturhistorisches Museum Rostock, Klosterhof 7, 18055 Rostock, Di-So 10.00-18.00, Eintritt frei. Führungen: T. 0381/203 59 14

"Gerhart Hauptmann und seine Insel Hiddensee" Kunstmühle Schwaan, Mühlenstr. 12, 18258 Schwaan, Di-Fr 10.00-17.00, Sa 13.00-17.00, So 11.00-17.00