Weihnachten ist nicht die Zeit für subversive Klänge. Doch auch bei den Festtagsalben gibt es Unterschiede - Bescherung mit Jazz und Folk.

Hamburg. Wenn es um die popmusikalische Untermalung der Weihnachtszeit geht, ist selbst bei minder zynischen Menschen irgendwann die Schmerzgrenze erreicht. Die meist gespielten saisonalen Gassenhauer stammen mit Whams "Last Christmas" und Mariah Careys "All I Want For Christmas Is You" aus den stilistisch tief verschneiten 80ern und 90ern. Keyboards, weich gezeichnete Stimmen, Bombast. Das mag reichen, um den ersten Glühwein noch weiter zu versüßen. Doch selbst kitschig veranlagte Zeitgenossen können es nur bedingt ertragen, wie in den entsprechenden Musikvideos schön gefönte Popper Schabernack im Schnee treiben oder ein vollbusiger Santa Claus Hasen, Hunde und Rentiere bekuschelt. Und auch Bing Crosbys wunderbares "White Christmas" von 1947, das als meist verkaufte Single aller Zeiten gilt, können Festtagsenthusiasten bereits rückwärts mitsingen.

Nun besteht also alle Jahre wieder die Hoffnung, dass die Adventszeit einen neuen Evergreen, schönere Interpretationen oder ansprechendere Soundtracks zu Tannengrün und Lichterglanz hervorbringt. Und wie beim Schmalzgebäck auf dem Weihnachtsmarkt gilt auch im Fall der feierlichen Begleitmusik: Ein bisschen mehr Glasur darf's im Dezember schon sein.

Als Schwiegermutter-Hit 2011 dürfte sich Michael Bublés "Christmas"-Album erweisen. "Bei den meisten Liedern könnt ihr mich lächeln hören", sagt der kanadische Schmusejazzsänger über seine Aufnahmen von Klassikern wie "Jingle Bells", "All I Want For Christmas Is You" (siehe oben) und "White Christmas" (siehe oben).

Justin Bieber und Mariah Carey trällern Weihnachts-Duett

Altbewährtes zieht auf dem Gabentisch. Das belegen Billionen Socken und Krawatten sowie Millionen verkaufte Exemplare von Bublés Wohlfühl-Platte, die in England und den USA so hell an der Spitze der Charts strahlt wie der Stern von Bethlehem. Und spätestens, wenn eine Vorzeige-Exzentrikerin wie Lady Gaga derzeit wie ein Engel im weißen Unschuldsoutfit "White Christmas" (siehe oben) intoniert, wird überdeutlich: Weihnachten ist eben nicht unbedingt Hochsaison für Subversives.

Etwas wagemutiger vertont Starkomponist Michel Legrand das Geschehen rund um Jesu Geburt. Der Oscarpreisträger liefert mit der Platte "Noel! Noel!! Noel!!!" die Barvariante zum Krippenspiel. Seine opulenten jazzigen Arrangements von "White Christmas" (siehe oben) und "Silent Night" klingen eher nach Cocktail als nach Punsch.

Zu diesem Zweck versammelt der 79-Jährige prominentes Personal von Carla Bruni bis Iggy Pop vor dem Mikro.

Für die jüngere Zielgruppe weisen die Sangesschüler der Fernsehserie "Glee" den musikalischen Weg Richtung Heiligabend. Für "Glee - The Christmas Album" verpackt der Teeniechor unter anderem "Last Christmas" (siehe oben) und "Jingle Bells" (siehe oben) in ein poppig buntes Musical-Gewand. Man hört förmlich den Puderzucker rieseln. Dass es aber doch etwas aparter geht, ohne auf heimeligen Charme zu verzichten, beweist die Indiepop-Formation She & Him.

"A Very She & Him Christmas" ist das erste Weihnachtsalbum überhaupt, das beim renommierten britischen Indie-Label Domino erschienen ist. Erster - genereller - Pluspunkt: Das Duo besteht aus dem Singer-Songwriter Matthew Stephen Ward und der Schauspielerin Zooey Deschanel ("Der Ja-Sager"), die ein Höchstmaß an Coolness und Liebreiz in sich vereinen. Zweiter Pluspunkt: Sie bedienen sich zwar bekannter Festtagsnummern, aber keiner der oben genannten. Ihre Versionen von "The Christmas Waltz", "I'll Be Home For Christmas" oder "Rockin' Around The Christmas Tree" zeigen die pure Schönheit dieser Lieder zum reduzierten Gitarrenspiel. Zudem gibt Deschanels lässiger Gesang dem Winter einen Teil seines dunklen Geheimnisses zurück. Nicht jede Ecke muss mit grellen Soundeffekten ausgeleuchtet sein.

Noch eine Spur folkiger feiert die kleine Hamburger Plattenfirma Devil Duck Records mit dem Sampler "About Christmas Songs". Amerikas Avantgarde-Barde Sufjan Stevens bricht zarten Gesang mit rockigen Riffs und erklärt "Hey Guys! It's Christmas Time". Scott Matthew, dessen Stimme fragiler scheint als jede Christbaumkugel, beschert uns den herzzerreißenden Song "Silent Nights" (nicht zu verwechseln mit oben). Und die Liverpooler Rockflegel The Wombats fragen rotzig "Is This Christmas?". Devil-Duck-Chef Jörg Tresp schildert seine Idee für die Kompilation: "Wir wollten Weihnachten auch mal schöne Songs hören und nicht nur die schrecklichen Mainstreamhits, die sich alle Jahre wieder über uns ergießen." Der Rest ist stille Nacht.