Elisabeth von Dücker ist kampfbereit und kreativ: Sie engagiert sich seit Jahrzehnten in für die Hamburger Kulturszene. Ein Porträt.

Hamburg. Wer Elisabeth von Dücker kennenlernen möchte, fängt damit am besten in ihrem Vorgarten an. Wild wuchert der Rhododendron. Die Blumen streben hoch und quer. An der Klingel klebt ein Schild: "A clean household is a sign of wasted life" ("Ein sauberer Haushalt ist ein Zeichen verschwendeten Lebens"). Ein Hund bellt, eine dünne große Frau öffnet die Tür. Das kleine Felltier stupst den Besuch mit spitzer Schnauze an. "Das ist eine Begrüßung", sagt von Dücker und lacht einnehmend. So verwunschen ihr Garten rankt, so verwunschen wachsen ihr die blonden Haare am Kopf.

Nun ist es nicht so, wie das Klingelschild vermuten lässt, dass das Haus, in dem von Dücker mit Mann und Tochter in Ottensen wohnt, sonderlich dreckig ist. Aber wer ihre Räume betritt, erkennt schnell, dass hier Menschen zu Hause sind, die sich gerne mit vielen Dingen umgeben. Zeitschriften, Bücher und Ordner stapeln sich auf Tischen. Ein Kleid aus Papier hängt unter der Decke. Egon Schieles Tänzerin Moa blickt von einem Poster hinab. Und an der Wand lehnt ein kleines quadratisches Bild. Ein blasses Mädchengesicht. Der Mund rot, der Blick traurig. Übertriebene Ordnung würde in diesem intellektuellen Panoptikum nur stören.

Der Garten, das Interieur, ja sogar die Locken von Dückers, all das passt zu ihrer Art zu sprechen. Sie selbst nennt es "barockes Ausfransen". Elisabeth von Dücker erzählt gerne und gut. Grund genug hat sie. All die Projekte, in denen sich die Kunsthistorikerin, Kuratorin und Autorin bereits engagiert hat, zeichnen das Bild eines Menschen, der sich immer wieder aufs Neue mit der Welt verbindet. Das ist eine große Qualität. Und das hält jung, verleiht ihr beim Reden einen mädchenhaften Zug. Doch das Facettenreiche, Üppige, Barocke macht sie auch schwer greifbar. So viel Leben in einer Person.

Nach dem Studium volontierte von Dücker im Altonaer Museum und bekam eine feste Stelle in der norddeutschen Gemäldeabteilung. Doch ihr Herz schlug verstärkt für ihre unmittelbare Nachbarschaft, für Ottensen, "das erste Sanierungsgebiet der Republik", wohin sie 1980 gerade erst gezogen war. "Von der Eppendorfer WG aus." Rund 100 politische Bewegungen hätte es damals im Stadtteil gegeben. Frieden, Frauen, Anti-AKW, Verkehrsberuhigung waren die Themen. "Das hatte mich sehr schnell stark entzündet." Und den Paradigmenwechsel - weg vom staatstragenden Blick hin zu denjenigen, die Geschichte im Kleinen mitgestalten - setzte sie ganz pragmatisch um.

Für das Museum konzipierte sie eine Ausstellung, in die sich Bewohner vom Schiffsschraubenhersteller über Studenten bis zur Seniorin mit ihren Erinnerungen und Objekten einbringen konnten. "Partizipation" war das Zauberwort. Und von Dücker liebte es, die Dinge der anderen zu sammeln, deren Bedeutung zu erfahren, sie zu zeigen, später auch in dem von ihr mitgegründeten Stadtteilarchiv Ottensen.

"Auch in der Kulturbehörde hatte man den Braten der Moderne damals schon gerochen", sagt sie und lacht laut. "Es gab Sondermittel, um den veränderten Sehgewohnheiten Rechnung zu tragen". Ihrem spitzbübischen Tonfall ist anzuhören, dass sie es gewohnt ist, mit Politik und Verwaltung zu verhandeln. So zum Beispiel, als sie vom Altonaer Museum zum Museum der Arbeit wechselte, das damals, in den 80ern, noch im Entstehen begriffen war. Ein langwieriger Prozess. "Hier ein Entwurf, da noch 'ne Kommission. Bestimmte Sozialdemokraten führten lieber ihren Nerz aus, als Ideen umzusetzen", sagt sie, hüstelt spöttisch und zupft die feinen geblümten Stulpen zurecht, die ihre Handgelenke wärmen.

Wenn von Dücker erzählt, schaut sie ihren Gast entweder offen an oder sie blickt aus dem Fenster, auf den Rhododendron, als lägen dort, im Verwunschenen, die richtigen Sätze, um die eigene Biografie zu schildern. "Wenn man jünger ist, denkt man, man sei omnipotent, das nimmt mit den Jahren natürlich ab", sagt sie dann etwa. Und doch schließt sie sich nicht ab. In ihrem Garten ist nach wie vor reichlich Platz. Auch und gerade für jene Pflanzen, die nicht jedem eine Zierde sind.

Für die von ihr kuratierte Ausstellung "Sexarbeit", die 2006 äußerst erfolgreich im Museum der Arbeit lief, interviewte von Dücker zahlreiche Prostituierte und entwarf so ein komplexes Bild des Berufsalltags zwischen Freiern und Freiheit. "Das sind Quellen, die auch schon mal ein bisschen mucksch werden können." Aus dem Material ist ein Buch entstanden, daraus wiederum eine szenische Lesung, die durchs Land tourt. Mit einigen der Frauen verbindet sie mittlerweile eine Freundschaft.

"Wichtig ist die Neugier auf unterschiedliche Sichtweisen", sagt Elisabeth von Dücker und gießt Tee in fein getöpferte Tassen. Der Hund döst unterdessen leise schnarchend auf dem Parkett. Die Sache mit den Sichtweisen klingt einfach und ist doch so immens schwierig. Doch von Dücker ist ausdauernd. Mit den Menschen. Und mit ihrer Arbeit. Viele ihrer selbst geschaffenen Aufgaben bezeichnet die Freischaffende als "Longrunner". Wie etwa die FrauenFreiluftGalerie Hamburg, deren zwölftes Wandbild jetzt enthüllt wurde.

Die "weißen Stellen der Stadtgeschichte des meist männlich geprägten Hafens" möchte sie sichtbar machen mit dieser etwas anderen Perlenkette, die sich vom Fischmarkt aus gen Westen erstreckt. Von der Rollmopsdreherin über die Hafenzwangsarbeiterin bis zur Van-Carrier-Fahrerin reichen die Darstellungen, zu denen von Dücker auch Führungen anbietet. Das jüngste Werk, das von den Hamburger Künstlerinnen Barbara-Kathrin Möbius und Hildegund Schuster geschaffen wurde, befasst sich mit Frauen in der Seefahrt.

Die "Geschlechtergerechtigkeit" treibt von Dücker bereits seit ihrer Jugend um. Aufgewachsen in bildungsbürgerlichen Verhältnissen in Süddeutschland, abgearbeitet am patriarchalischen Vater, politisiert über die Paragraf-218-Bewegung. "Ein bisschen kämpferisch, ein bisschen liberal" sei sie heute. Und Ausstellungen sind die Bühne für ihre kritischen Gedanken. Die FrauenFreiluftGalerie, sie ist auch so ein Ausdauerwerk von Dückers.

Von dem ursprünglichen Arbeitskreis, der 1989 zum 800. Hafengeburtstag das erste Frauenwandbild realisierte, ist neben ihr mittlerweile nur noch die Illustratorin und Wandmalerin Hildegund Schuster übrig. Und wenn von Dücker von diesem "eingefuchsten Team erzählt", zeigt sich, warum sie neben all dem Barocken, Ausufernden zusätzlich schwer zu fassen ist: Sie spricht gern von den Leistungen anderer. Von Schusters Kunst und ihrer Ausbildung an der Armgartstraße. Und auch bei einem weiteren aktuellen Steckenpferd, der Bürgerinitiative "Altonaer Museum bleibt!", ist sie ganz Netzwerkerin.

Stolz hält Elisabeth von Dücker ihren Kalender hoch, auf dem einer jener Kampagnenaufkleber prangt, die im Hamburger Jahr der Kulturproteste 2010 so angesagt waren. Gemeinsam mit Peter Schwanewilms und Aram Ockert aus Ottensen habe sich das Ganze im September "unglaublich schnell" gegründet. "Unser Slogan lautet: 'Vom Wut- zum Kreativbürger!'", sagt sie. Neben dem Sammeln von Unterschriften reiste die Bürgerinitiative jüngst auch nach Frankfurt, um sich im Historischen Museum inspirieren zu lassen. "Die denken immer wieder neu, ändern immer wieder die Blickrichtung", sagt von Dücker beeindruckt. Ein Satz, der auch für sie selbst gilt.