Auf ihrem neuen Album “Das wär dein Lied gewesen“ beleuchtet Entertainerin Ina Müller wieder den Alltag - und auch die Nacht.

Hamburg. Trelde in der Nordheide, Perle des Nordens. Hier lebt seit elf Jahren ein glücklicher Familienvater mit Namen Frank Ramond in seinem Einfamilienhaus mit Gartenteich. Es ist das Zentrum der Popkultur zwischen Weser und Kieler Förde. Von weit und fern kommen die schönsten singenden Frauen auf der Suche nach Inspiration, und ihnen wird gegeben.

Zuletzt genommen hat Ina Müller, die heute ihr viertes hochdeutsches Album, "Das wär dein Lied gewesen", veröffentlicht. Sprich: Zum dritten Mal traf sich das Trio Grande Alexander Zuckowski (Musik), Frank Ramond (Texte, Produktion) und Ina Müller (Interpretation), um den perfekten Soundtrack des Lebens über 40 aufzunehmen, von "Handtaschen" bis "Fremdgehen".

Wie sie es immer wieder schaffen, das passende Gerüst um Inas rauchzarte Cognacschwenker-Stimme aufzubauen, wird auf ewig ein Rätsel bleiben, jedenfalls klingt das Album wieder authentisch nach Ina. Auch wenn sie nur bei "Wenn du das erträgst" und "Podkarsten" mitschrieb, haut die Braut schlicht ins Auge. "Was verbirgt sich unterm Reißverschluss, da kennt sich keiner aus, so manche Hand geriet hinein und fand nie wieder raus." Wonach klingt das, wenn es ein Mann singt? Wir wollen es gar nicht wissen. Bei Ina ist natürlich klar, dass Handtaschen gemeint sind, jene rätselhaften "It-Bags, Buckle-Bags" und anderen Modegags, robuste Riesenteile für den Beutezug.

Wer beim neuen Album große Überraschungen oder gar mutige Experimente erwartet, gehört nicht zur Zielgruppe. Auch "Das wär dein Lied gewesen" sucht den Konsens zwischen Formatradio, Stadtparkbühne, Talkshow und Familienbrunch. Eine Art "Wetten, dass ..?" (warum wird sie nicht Gottschalks Nachfolgerin?) in Audioform. Für jeden ist etwas dabei, etwas Unterhaltung, viel harmloser bis frivoler Humor, viel Gefühl und Gewühl. Die Handtasche ist voller Rock-Pop, Country-Folk und Balladen mit Zug zum Refrain. Kein Platz für Akkuschrauber.

Anders gesagt: "Ich hab mir die größten Hits angehört, von Maffay und Lindenberg, hab alles ganz laut mitgeröhrt", singt sie im Titellied, einem leicht angerauten Stadionkonzert-Eröffner. Das ist der Anspruch. Kommt alle, hört alle. Und das mindestens in Größenordnungen der O2 World. Dort tritt sie am 16. Dezember auf.

Selten bricht Ina Müller aus ihrer Paraderolle des weiblichen, ledigen Ü-40-Wildfangs mit dem ironischen Blick auf den eigenen Alltag inklusive der Nächte aus. Auch nicht, wenn sich zu klassischem Britrock-Sound an Oasis angelehnt wird, denn die Pointe von "Brittpop" steckt schon im Titel: "Immer, wenn ich Britt popp." Und in "Die Nummer" kann sie sich keine Telefonnummern, Kennzeichen oder Handybetreiber merken, nur die Nummer "gestern mit dir". Herrje. Aber: Sie kann es singen, Barbara Schöneberger ebenso. Roger Cicero, der dritte Ramond-Kunde in diesem Absatz, tut es auch, kann es aber nicht. Ihm fehlt die gewisse Ausstrahlung, die textliche Fehltritte verzeihen lässt.

Die Müllerin aber weiß genau: Wenn sie auf ihren hohen Schuhen ins Schlagloch marschiert und auf dem nicht mehr so flachen Bauch landet, ist sicher jemand da, hilft ihr auf und gibt ihr seine Telefonnummer (sie rückt ihre ja nicht raus). Ein Paraderollenspiel, mit dem sie als Sängerin und als Moderatorin Erfolge feiert. Das ist ihre "Gleichberechtigung", die sie im gleichnamigen Lied aus Männersicht dekonstruiert und damit verteidigt. Auch Frauen hängen am Tresen und machen blöde Sprüche, für die sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. Dabei geht es aber eher um penetrante Heiratsanträge ("Ja ich will").

Wer davon nichts wissen will, muss einen weiten Bogen um Ina Müllers Alben, um Facebook, StudiVZ, Twitter, YouTube und die anderen Spielzeuge von "Podkarsten" machen, denn dort "findste auch mich". Nicht zu vergessen den Boulevard, der vor allem bei einem Song zur nächsten "Paparazzia" blasen wird: In "Mit Mitte 20" sind die Jungs "noch süß, nicht so ranzig, feist und fies". Man kann sich kümmern, kann sie bemuttern. Wir haben keine Ahnung, wen Ina damit meint, gewidmet ist das Lied jedenfalls einem gewissen "J.", der auch den Song "Fremdgehen" mit komponiert hat: "Komm, lass uns küssen, bis wir abgehen, bis es sich anfühlt wie Fremdgehen." So viel zu Inas Nacht.

Ina Müller: "Das wär dein Lied gewesen" CD (105 Music) im Handel, Konzert: Fr 16.12., O2 World, Karten ab 33,40 im Vorverkauf; www.inamueller.de