Die Konferenz “Music City Hamburg?!“ des Landesmusikrats und der Uni Lüneburg zeigt eine musikalische Annäherung an die “Kreative Stadt“.

Hamburg. Bei einem Vortrag mit dem Titel "Die Hamburger Schule - vom Entstehen und Vergehen eines Musikclusters" drängen sich unweigerlich Fragen auf: Freuen auf das Thema? Schreiend wegrennen ob der theoretischen Anmutung? Oder einschlafen aufgrund des Beginns um 9.30 Uhr an einem Sonnabend, eine Zeit also, in der Macher und Anwender feingeistiger Musik gerne noch im Bett liegen (oder erst in selbiges gehen)? Doch der Inhalt heiligte den Termin. Denn letztlich schilderte Alexander Grimm von der Goethe-Universität Frankfurt kenntnisreich, wie aus einem freundschaftlichen Verbund um Bands wie Die Sterne, Tocotronic und Blumfeld eine Strömung entstand, die Hamburg Ende der 90er-Jahre zu dem machte, was nun drei Tage lang verhandelt wurde - zur "Music City Hamburg".

Die Konferenz, die der Landesmusikrat mit der Leuphana-Universität Lüneburg veranstaltete, fügte dem Trendbegriff noch ein Frage- und ein Ausrufezeichen hinzu. Eine gesunde Skepsis, die auch die knapp 100 Fachbesucher in der Hochschule für Musik und Theater teilten. Das politische Ziel, quasi als Unterbau für das Leuchtturmprojekt Elbphilharmonie nun auch Musikstadt sein zu wollen, realisiere sich nicht durch die bloße Absichtserklärung, waren sich die Zweifler einig.

Wer sich Wohlklingendes auf die Fahne schreibt, muss auch die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Die Realität jedoch konterkariert bisher an vielen Stellen die Fiktion, wie zum Beispiel Robin Kuchar von der Uni Lüneburg in seiner Studie über den "musikalischen Arbeitsplatz Hamburg" darlegte. Gut 50 Prozent der Musikschaffenden haben einen Hochschulabschluss, aber 40 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Wer behauptet da noch, bloß Berlin sei "arm, aber sexy". Neben günstigen Proberäumen mangele es an der Elbe vor allem unbekannteren Bands an Auftrittsmöglichkeiten.

Immer wieder wurde die Forderung deutlich, die Regierung möge sich "um Himmels willen" nicht in die Kunst selbst einmischen, aber Freiräume erhalten und schaffen. Alexander Steinhilber, seit knapp drei Wochen neu in der Kulturbehörde, sagte in einer der Diskussionsrunden wenig konkret, der viel zitierte Humus und die Subkultur seien "nach Möglichkeit zu fördern". Einschnitte wegen der explodierenden Kosten der Elbphilharmonie solle es nicht geben. Das Gelächter im Saal zeigte jedoch, dass der Sarkasmus in der Szene schon weit vorangeschritten ist.

"Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Dialog", erklärte Andrea Rothaug vom Musikerverein RockCity. Die Förderstrukturen seien vorhanden, würden aber in Entwicklungsprozessen nicht ausreichend genutzt. Auch Wolfhagen Sobirey vom Landesmusikrat erklärte: "Die Kulturpolitik sieht die dezentralen Angebote nicht genug."

Was Tocotronic im Osten angerichtet hat

Dass das kreative Potenzial der Stadt zu wenig wahrgenommen und wertgeschätzt wird, zeichnete sich als ein roter Faden der knapp 20 Programmpunkte ab. Ein Eindruck, der sich in Hinblick auf Hamburger Musiker mit Migrationshintergrund noch verschärfte. Ein Schwerpunkt des Wochenendes war denn auch der kulturellen Vielfalt gewidmet, die angenehm ernsthaft verhandelt wurde. Ein Bereich, der auch als eigenständiges Thema einer zweiten Konferenz angedacht wird. Nicht zuletzt, da die Unesco-Konvention zur Sicherung der kulturellen Vielfalt noch lange nicht effektiv eingesetzt wird, wie Christian Höppner vom Deutschen Musikrat ausführte.

Die Bedeutung der Konferenz als "musikalische Annäherung an die kreative Stadt", als Infopool und Impulsgeber, kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Zeigte sie doch die Bandbreite des Musikschaffens in Hamburg, ob nun um Laeiszhalle oder Bürgerhaus Wilhelmsburg, mit Ethno-Sound oder Hamburger Schule. Letztere veranschaulicht exemplarisch, dass auch Strahlkraft entwickeln kann, was im Ursprung nicht auf ökonomische oder touristische Verwertbarkeit angelegt ist. Oder, um mit Tocotronic zu sprechen: "Pure Vernunft darf niemals siegen."