Wegen Zensur will sich Google aus China zurückziehen. Nicht unbedingt ein finanzieller Nachteil. Denn Marktführer ist die Suchmaschine Baidu.

Hamburg. Ein korrekteres Leitmotiv ist kaum vorstellbar: "Don't be evil", tue nichts Böses. Unter diesem Motto gehen die rund 20.000 Mitarbeiter des Suchmaschinenanbieters Google weltweit ihrem Tagewerk nach.

Doch spätestens seit 2006, als das Unternehmen eine chinesische Version seiner Suchmaschine startete, gibt es Zweifel, dass seine Firmenlenker sich immer an diese hehre Devise halten. Google lässt nämlich zu, dass die chinesische Regierung die Suchergebnisse seiner Tochter mit Sitz in Shanghai zensiert. Informationen etwa über die gewaltsame Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung sucht man bei Google China vergebens.

Nun aber ist ein Ende dieses unschönen Kapitels der Firmengeschichte absehbar. Google will nicht länger zulassen, dass die Chinesen seine Suchmaschine zensieren. Zu diesem Schritt sieht sich die Unternehmensspitze wegen fortgesetzter Hacker-Angriffe aus dem Reich der Mitte gegen Google-Server veranlasst. Dabei soll versucht worden sein, E-Mail-Konten chinesischer Menschenrechtler und ihrer Anwälte beim Google-Dienst Gmail zu knacken.

Von der groß angelegten Cyber-Attacke ist aber nicht nur Google betroffen. Ziel der chinesischen Hacker sollen mindestens 20 Unternehmen in den USA und Europa gewesen sein. US-Außenministerin Hillary Clinton erwartet eine Erklärung der chinesischen Regierung.

Google will mit den Machthabern in Peking nun über den Start einer unzensierten chinesischen Suchmaschine sprechen. Dass die Chinesen einem solchen Projekt zustimmen, ist aber so gut wie ausgeschlossen. Die Tage von Google China sind wohl gezählt.

Das muss für den Konzern nicht unbedingt von Nachteil sein. In China hat er nie ein Bein auf den Boden bekommen. Marktführer ist die chinesische Suchmaschine Baidu. Googles Marktanteil stagniert bei 30 Prozent. Interessanter als die Suchmaschine sind für Google chinesische Unternehmen, die auf seinen europäischen und amerikanischen Seiten werben. Nichts spricht dafür, dass sie dies nach dem Abschalten von Google China nicht mehr tun würden.

Schon kursieren Spekulationen, Google inszeniere den ohnehin geplanten Rückzug aus China als PR-Coup. Das sei "zynisch", sagt ein Unternehmenssprecher.

Dabei ist unbestritten, dass Google ein Imageproblem hat - und zwar nicht nur wegen der jahrelangen Duldung chinesischer Zensoren. Mit seiner Datensammelwut gerät das Unternehmen zunehmend in die Kritik. In seiner aktuellen Titelgeschichte beklagt der "Spiegel" das "Ende der Privatheit". Dem Management scheint es an jeglichem Problembewusstsein zu mangeln: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun", gab unlängst der Vorstandsvorsitzende von Google, Eric Schmidt, zu Protokoll.

Vielleicht hilft es ja, wenn sich die Führungskräfte des Unternehmens etwas häufiger ihr Firmenmotto vergegenwärtigen.