Hektische Moderation, kaum Substanz: Der Polit-Talk von Sat.1 kann den Wettbewerbern nicht das Wasser reichen.

Hamburg. Seit Sonntagabend ist man bei Sat.1 um eine Erkenntnis reicher: Kaum ein Zuschauer gesteht dem Sender Informationskompetenz zu. Anders lässt sich die miserable Quote nicht erklären, die Sabine Christiansen und Stefan Aust mit der Premiere des neuen Polit-Talks "Ihre Wahl!" erzielten. Gerade mal 830 000 Zuschauer mochten die beiden Moderatoren und ihre Gäste sehen. Die fast zeitgleich ausgestrahlte Talkshow von Anne Will sahen dagegen 3,29 Millionen Zuschauer. Frank Plasberg erreichte auf dem weitaus unattraktiveren Sendeplatz am späten Mittwochabend mit "Hart aber fair" zuletzt 2,5 Millionen Zuseher. Und Maybrit Illners Wahlformat "Illner intensiv" verfolgten vergangenen Dienstag 1,52 Millionen Politik-Interessierte.

Vor zwei Jahren dampfte Sat.1 sein Informationsprogramm gewaltig ein. Dass der Sender schon seit Längerem zurückrudert, hat sich beim geneigten Publikum offenbar noch nicht herumgesprochen. Dabei hatte Sat.1 unüberhörbar für seinen neuen Polit-Talk getrommelt. Viel versprach man sich vom Renommee der beiden Moderatoren. Aber vielleicht war genau das ein Fehler.

Im Vergleich zu Will, Plasberg und Illner sind Christiansen und Aust TV-Dinos, die mancher bereits auf dem Altenteil wähnte.

Folglich musste "Ihre Wahl!", koste es, was es wolle, auf modern getrimmt werden. Das Tempo des Polit-Talks war hoch. Die Kamera stand nie still. Es gab jede Menge Einspielfilme. Und dann wurde das Gespräch ständig durch irgendwelche Zuschauerbeiträge unterbrochen, die nicht etwa, wie in anderen Sendungen üblich, per Telefon hereinkamen. Es mussten schon E-Mail, Twitter, selbst gefertigte wacklige Webcam-Filmchen oder zumindest eine SMS sein.

Gewiss, ohne Einspieler kommt heute kein TV-Talk mehr aus. Und auch bei Plasbergs "Hart aber fair" gibt es einen längeren Block, in dem Zuschauer-Reaktionen verlesen werden. Doch so wie bei "Ihre Wahl" diese Stilmittel eingesetzt wurden, wirkte die Sendung streckenweise wie eine Persiflage auf das Genre.

Man darf aber auch nicht ungerecht sein: Anne Will darf sich ihren Gästen 60, Plasberg seinen gar 75 Minuten widmen. Illners Wahlformat dauerte zwar nur 30 Minuten und war 15 Minuten kürzer als die Nettosendezeit von "Ihre Wahl". Doch "Illner intensiv" wurde im Gegensatz zum Sat.1-Talk nicht von zwei Werbeblöcken zerhackt. Vielleicht lag es auch daran, dass insbesondere Christiansens Moderationen so hektisch wirkten.

Nachfragen gab es kaum. Es schien, als müsse unter größtem Zeitdruck ein vorgegebenes Pensum abgespult werden. Während Christiansen durch die Sendung hetzte, verstummte Aust zwischen erstem und zweitem Werbeblock fast völlig.

Substanzielles blieb kaum hängen. Informationskompetenz ist eben schwer zu erringen.