Mit seiner Firma Agenda Media startet der Ex-“Spiegel“-Chef richtig durch und entwickelt Formate für Print, Fernsehen und Online.

Hamburg. Die Räume im vierten Stock des Büroneubaus an der Großen Elbstraße in Altona verströmen den Charme des Unfertigen. Hier hat die Agenda Media GmbH ihren Sitz, die neue Firma des ehemaligen "Spiegel"-Chefredakteurs Stefan Aust. Auch das Büro des Chefs ist noch ein Provisorium. Außer dem Schreibtisch gibt es zwei fast völlig leere Billy-Regale, zwei Ledersessel und ein Ledersofa, auf dem Aust mit vor der Brust verschränkten Armen sitzt. Als Kaffeetisch dient ein Klappstuhl.

Aust ist mit seiner Firma erst vor wenigen Wochen hier eingezogen. Ein knappes Dutzend Mitarbeiter wuselt über den Flur, 20 sollen es mal werden. Einige von ihnen sind bekannte Mediengrößen, wie etwa der frühere "Max"-Chefredakteur Christian Krug. In dessen Büro sitzt gerade ein Herr mit knallroter Irokesenfrisur. Kein Zweifel, das ist der Web- und Werbepromi Sascha Lobo.

Fragt man Aust, was die Damen und Herren von Agenda Media so machen, sagt er: "Wir entwickeln Formate für Fernsehen, Print und Online." Das klingt recht allgemein. Konkreter wird er nur beim Thema Fernsehen. Die erste TV-Dokumentation von Agenda Media "Wettlauf um die Welt - Aufbruch aus der Krise" lief ja schon vergangenen Dienstag im ZDF. Eine Doku der Aust-Firma über die Linkspartei ist im Zweiten noch vor der Bundestagswahl zu sehen. Über weitere Produktionen wird auch mit der ARD und Privatsendern gesprochen.

Besonderes Interesse hat aber die Zusammenarbeit von Agenda Media mit der Essener "WAZ"-Gruppe erregt. Zunächst ein Jahr lang werden Aust und seine Leute den Zeitungskonzern beraten und Projekte für ihn entwickeln. Schon wurde gemutmaßt, Aust arbeite an einem neuen "Spiegel" für die "WAZ", was der 63-Jährige aber umgehend dementierte.

Auch die Spekulation, am Ende seiner Bemühungen könne eine nachrichtenmagazinähnliche Wochenbeilage für die Zeitungen des Konzerns stehen, mag er nicht bestätigen. "Wer sagt denn, dass wir überhaupt einen Wochentitel entwickeln?", fragt Aust. An was aber arbeiten er und seine Leute denn dann? "Vielleicht", sagt Aust und schaut versonnen in die Ferne, "wird es ja ein Kombinationsmodell aus Print und Internet."

Das klingt geheimnisvoller, als es ist. So gut wie jede Zeitung und jede Zeitschrift bietet neben der gedruckten Ausgabe ihren Lesern ein Internetportal an.

Auskunftsfreudiger ist Aust, wenn er über die Sendung "Ihre Wahl! Die Sat.1 Arena" spricht, für die er zusammen mit Sabine Christiansen Politiker einvernehmen soll. Fünf Folgen à 60 Minuten wird es geben. Die erste ist am 23. August zu sehen. Fragen stellen dürfen außer den beiden Moderatoren und den 165 Zuschauern im Studio auch ausgewählte Leute draußen im Land, an die vorher Kameras verteilt wurden. In der Regel werden sich Aust und Christiansen mit mehreren Politikern pro Sendung befassen. Ausnahmen sind möglich, etwa wenn die Kanzlerin kommen sollte, woran die Redaktion arbeitet.

Ein weiteres Projekt treibt Aust um: Im Herbst soll sein Buch "Deutschland, Deutschland - Expeditionen durch die Wendezeit" erscheinen. Darin arbeitet er "eigene Erfahrungen und Erlebnisse" auf, die er als Chefredakteur von "Spiegel TV" Ende 1989 und 1990 sammelte. 200 von 300 Seiten sind bereits fertig. "Ich schreibe, wann immer ich gerade Zeit habe", sagt er und deutet auf den Schreibtisch, wo sein Laptop steht.

Spricht man ihn auf den "Spiegel" an, den seine Nachfolger produzieren, sagt Aust, er könne "keinen wesentlichen Unterschied zu den Ausgaben erkennen", die er noch selbst verantwortete. Das soll wohl so etwas wie ein Lob sein. Ansonsten, sagt Aust, habe er mit dem Kapitel "Spiegel" abgeschlossen.

Das überrascht, weil er dann doch ziemlich viel über das Nachrichtenmagazin spricht und von der Zeit erzählt, als er das Blatt aus der Krise führte, in der es steckte, als der Wettbewerber "Focus" auf den Markt kam. Dann sagt er noch paar Dinge, die er nicht in der Zeitung lesen möchte. Das Thema "Spiegel" scheint ihn doch noch sehr zu bewegen.

Wie sollte es auch anders sein? Über 20 Jahre stand er in Diensten der "Spiegel"-Gruppe. Anfang letzten Jahres musste er nach Querelen mit dem damaligen Geschäftsführer und den Gesellschaftern gehen. Sein Kompagnon bei Agenda Media, Thorsten Pollfuß, war Manager bei Spiegel TV. Als weiterer Gesellschafter stieß nun der einstige "Spiegel TV"-Journalist Thomas Ammann zur Firma. Abwerben will Aust aber niemanden bei seinem Ex-Arbeitgeber, mit dessen Gehaltsniveau Agenda Media ohnehin nicht mithalten könnte.

Das heißt natürlich nicht, dass es der einstige "Spiegel"-Chef nicht noch einmal allen zeigen wollte. Bei seiner Firma, sagt er, werde schon bald ein Unternehmen aus der Fernsehbranche einsteigen.

Womöglich eröffnen sich dann ganz neue Perspektiven. Aber auch schon jetzt ist Agenda Media für Journalisten offenbar eine gute Adresse. Es gebe viele junge Kollegen mit Abschlüssen bei angesehenen Journalistenschulen und Erfahrungen bei erstklassigen Blättern, die bereit seien, auch für kleines Geld für seine Firma zu arbeiten.

Allein an der spektakulären Aussicht, die man von den Räumen von Agenda Media aus hat, kann das nicht liegen. Das beeindruckende Hafenpanorama lässt selbst einen wie Aust nicht kalt, der sonst stets den Mund zu einem spöttischen Grinsen verzogen hat. "Wenn hier direkt vor meinem Büro so ein dicker Ozeanriese gedreht wird, sehen Sie dem Kapitän auf der Kommandobrücke direkt in die Augen", schwärmt Aust.

Eigentlich fehlt ihm nun nur noch ein Blatt, das ihn auch mit den Kollegen und Wettbewerbern von einst bei "Spiegel", "Stern" und "Focus" wieder auf Augenhöhe bringt.