Musik, die brodelt, befreit und beruhigt: DJ Phonos erstes Soloalbum ist wie ein Sog. Bekannt wurde er als Teil der Elektro-Kombo Deichkind.

Hamburg. Vor dem Grau des Betons wirkt DJ Phono wie ausgeschnitten. Sein Blick ist von freundlicher Traurigkeit, nicht zu verwechseln mit Verzweiflung. DJ Phono schaut vielmehr wie einer, der weiß, dass Glück nicht gleichzusetzen ist mit einem Euphoriepegel, der immer auf Anschlag stehen muss. Das Glück, es kann so sein wie die Sonne, die an diesem Vormittag lange wie hinter einer Milchglasscheibe scheint. Eine diffuse Schönheit, die sich in verschiedene Richtungen entwickeln kann, in Wolkenwetter oder blauen Himmel, die aber auch im Dazwischen verweilen kann. Ähnlich der Musik, die auf DJ Phonos neuem, sehr zu empfehlenden Album zu hören ist. "Welcome To Wherever You're Not" versammelt zwölf elektronische Kompositionen, die unterschiedliche Gefühlswelten durchlaufen. Ihnen allen ist gemein, dass sie nie in emotionale Schwarz-Weiß-Zustände kippen. Sie berühren fein.

"Das Ruhige ist mit Sicherheit ein großer Teil meines Charakters", sagt DJ Phono, der mit bürgerlichem Namen Henning Besser heißt. Zur Anzughose trägt er ein gestreiftes Hemd, das aus dünnem Sweatshirtstoff gearbeitet zu sein scheint. Ein Stil mit subversivem Witz. Er hat zwei bunte Campingstühle, eine Flasche Wasser und zwei Gläser auf das Dach des Feldstraßenbunkers getragen. Ein urbanes Picknick. Zwei Stockwerke tiefer liegt sein Studio, wo er in den vergangenen zwei Jahren an seiner Soloplatte gearbeitet hat. Das "Solo" ist deshalb wichtig, weil der 32-Jährige vielen von der Elektro-Kombo Deichkind bekannt ist. Ein Kollektiv zwischen Sozialkritik und Krawall. Avantgardistisch. DJ Phono verantwortet als künstlerischer Kopf die Shows, deren Mix aus Kinderspielwiese und Computeranimation legendär ist.

Deichkind sei ein "wichtiges, großes, experimentelles Projekt" für ihn. Aber das Soloalbum entspreche seiner Persönlichkeit wesentlich mehr. Seine Stimme klingt so sicher und zurückgenommen wie seine Musik. Die Stadt unten pulsiert gedämpft. Ein wenig so wie einige der Klänge auf seinem Album. Diese akustische Distanz, dieses Fast-da-Sein, macht den Reiz vieler Tracks aus. Da hat der Hörer den Eindruck, als stünde er vor der Türe eines Klubs, hinter der die Bässe wummern.

Bei Deichkind würden sie laut ertönen. Mittendrin im Klub. Für "Welcome To Wherever You're Not" horchte DJ Phono hingegen nach Innen und ließ sich gemeinsam mit Produzent Jimi Siebels viel Zeit, eine ganz eigene Soundästhetik zu entwickeln. Sie griffen die Arbeit an ihren Stücken immer wieder auf, um Stimmungen zu vertiefen und komplexer zu gestalten. "Wie bei einem Wein, in dem 15 feine Aromen zusammenkommen. Ein Stück kann sehr melancholisch sein, aber trotzdem Hoffnung in sich tragen", sagt er.

DJ Phono möchte "Interpretationsspielräume" bieten. Die Platte startet sanft und verheißungsvoll, gerät ins Driften und lädt sich auf, bis die Musik nicht nur untergründig brodelt und hell irisiert, sondern beschleunigt, befreit, auch beunruhigt. Der Beat ist dann wie ein Jucken, das nicht aufhören will, bis es sich am Ende doch legt und ein dunkles Piano erklingt. Der Spannungsbogen korrespondiere mit dem Prozess des Plattenauflegens, erklärt DJ Phono. "Wenn ich früh am Abend beginne, fange ich mit ruhiger Musik an." Zum Ankommen. Erst dann entstehe nach und nach ein Sog. "Ich will die Leute an einen Ort führen, an dem sie in dem Moment noch nicht sind", sagt er und guckt verschmitzt. Das kann er auch gut.

Die Emotionen zum Schwingen zu bringen, darin ist er seit seiner Jugend gewachsen. Mit 15 Jahren fing er als Hip-Hop-DJ an und war unter anderem 1998 Vize-Europameister im Scratchen. Dadurch lernte er Deichkind kennen, die ihn als Tour-DJ engagierten. Mit Anfang 20 zog er von Rendsburg nach Hamburg, wo er verstärkt Funk, Soul, French House und Elektro für sich entdeckte und in Klubs spielte. DJ Phono ist ebenso Künstler wie Pragmatiker.

"Ich bin kein Typ, der nur am Rechner arbeitet. Jimi und ich haben sehr viele Mikrofonaufnahmen gemacht", erzählt er. Im ersten Stück beispielsweise ist ein Flügelhorn zu hören, im zweiten ein Rattern. Lediglich im letzten Drittel ist mit "Harry" eine Nummer zu finden, in der eine Stimme singt. Aber sie äußert sich lediglich in Wortfetzen. Es bleibt spannend.

DJ Phono Das Album "Welcome To Wherever You're Not" erscheint am 13.6. bei Dynamic, Release-Party 28.5., 23.59, Ego (S Reeperbahn), Talstraße 9; www.djphono.de