Das ehemalige Stift gilt als die älteste Hilfseinrichtung der Hansestadt und hat sich außerdem zum Spezialisten für Mutter-Kind-Hilfen entwickelt.

Hamburg. Mit "verführten und gefallenen Mädchen" begann vor 190 Jahren die Hamburger Jugendhilfe. Jedenfalls, wenn man das Gründungsdatum einer alten, aber kaum bekannten Institution als Beginn markiert. Damals gründete der damalige Senator und spätere Hamburger Bürgermeister Amandus Augustus Abendroth gemeinsam mit anderen Bürgern das Magdalenenstift im deutschsprachigen Raum. Maria Magdalena, die bekehrte Sünderin, galt als Vorbild für die Mädchen, die das Stift fortan beherbergte: junge oder sogar minderjährige Prostituierte, die ins bürgerliche Leben zurückgeholt werden und hauswirtschaftliche Tätigkeiten lernen sollten.

Heute heißt das ehemalige Stift nach seinem Gründer Abendroth-Haus und ist eine gemeinnützige Jugendhilfe-Institution in Bramfeld. Die Einrichtung hat sich zum Spezialisten für Mutter-Kind-Hilfen entwickelt, unterhält Wohngruppen und Wohnungen für junge Mütter und bietet Unterstützung direkt in den Familien an. "Früher war man der Meinung, man wüsste, was für die Jugendlichen und ihre Familien gut ist", sagt Marion Thom, Geschäftsführerin des Abendroth-Hauses. "Geblieben ist, dass wir ihre Chancen verbessern wollen. Aber heute werden sie selbst gefragt und sollen Ideen und Lösungen für Probleme mitentwickeln."

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Die Einrichtung blickt auf eine bewegte Geschichte zurück, in der sich der Wandel der Jugendhilfe widerspiegelt - weg von der Heimunterbringung hin zur Integration. Im 19. Jahrhundert war der Zwangscharakter der Einrichtungen noch recht ausgeprägt. Auch ins Magdalenenstift wurden viele Mädchen polizeilich eingewiesen und gegen ihren Willen festgehalten. Zwar lockerten sich die Regeln zur Mitte des 19. Jahrhunderts, und man vertraute zunehmend auf den freien Willen der Frauen; doch in ganz Hamburg gab es lange Zeit kaum eine Möglichkeit, Jugendliche außerhalb der Zwangserziehung unterzubringen. Nach der Jahrhundertwende begann das Magdalenenstift, neue Aufgaben zu übernehmen. Auch ledige Mütter wurden nun aufgenommen, und mit der Erweiterung schien auch der Name nicht mehr passend: 1929 wurde es nach seinem Gründer in Abendroth-Haus umbenannt. Als solches erlebte es wie viele andere Einrichtungen im Dritten Reich sein dunkelstes Kapitel: Prostituierte wurden zwangseingewiesen und nach der Diagnose "moralischer Schwachsinn" häufig sterilisiert.

Nach dem Krieg wandelte sich das Haus zum traditionellen Mädchenheim, am Stadtrand gelegen, abseits der Gesellschaft. In den 1970er-Jahren öffnete es sich. Modernen pädagogischen Vorstellungen folgend, schloss die Einrichtung schließlich in den 1990er-Jahren ihr Heim und erwarb Wohnungen in der Stadt.

Vor allem in Bramfeld, Steilshoop und im Alstertal bietet das Abendroth-Haus Hilfe für junge Frauen, Jugendliche und Familien mit Problemen an. Das geschlossene Heim ist kleinen Einrichtungen und Angeboten vor Ort gewichen: "Mitten in der Gesellschaft, nah dran an der Lebenswelt der Jugendlichen", das ist das Credo der ältesten Hilfseinrichtung der Stadt.