Dieter Lenzen reagiert mit dieser Forderung auf den Volksentscheid, durch den die Einführung der Primarschule in Hamburg gestoppt wurde.

Hamburg. Kinder sollten bereits im Alter von vier oder fünf Jahren eingeschult werden können. Diese Forderung des Aktionsrats Bildung hat Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, gestern erneuert. Er reagierte damit auf den Volksentscheid vom Sonntag, durch den die Einführung der Primarschule gestoppt wurde.

Lenzen ist Befürworter des längeren gemeinsamen Lernens. Hätten die Hamburger der Schulreform zugestimmt, wäre das für Lenzen der richtige Schritt gewesen. "Jetzt stellt sich für die Stadt das Problem, wie sie mit den unteren 25 Prozent umgeht." Denn jeder vierte Schüler sei nicht berufsbildungsfähig. "Das ist eine Zeitbombe. Ein großer Teil der Bevölkerung kann sich nicht am Erwerbsleben beteiligen, wenn er erwachsen wird. Das kann nicht so bleiben", sagte Lenzen.

Sein Gegenentwurf: eine frühere Einschulung vor allem der Kinder mit großem Förderbedarf. Sie sollten mit vier oder fünf Jahren zur Schule gehen können, damit sie "einen guten Einstieg in die Sprache haben und dann auch in der Lage sind, dem Unterricht zu folgen". Lenzen fordert einen "flexiblen Einstieg abhängig vom Entwicklungsstand des Kindes". Die Folge: Schulen stünden vor einer Differenzierungsaufgabe, Unterricht könne dann nicht mehr für alle Grundschüler gleich sein. "Das ist nicht beliebt bei Lehrern. Denn es setzt voraus, dass sie den Unterricht mehrfach vorbereiten. Eine einzelne Person kann das nicht machen."

Als positiv bewertet der Uni-Chef das Versprechen der Stadt, mehr Lehrer einzustellen. "Wenn Personal nicht abgebaut wird, obwohl es weniger Kinder gibt, und die Lehrerzahlen stabil gehalten werden, kann der Unterricht tendenziell besser werden." Falls es die Politik wünsche, erklärten er und die Universität sich bereit, ihr Wissen in die Diskussion über die Zukunft der Schule einzubringen, so Lenzen. "Universität hat die Pflicht, für die Gesellschaft, von der sie alimentiert wird, etwas zu tun."

In Deutschland existierten mehr als 90 verschiedene Schultypen. "Das ist nicht nur eine Mobilitätsbremse. Es hat auch zur Folge, dass die Durchsetzungskraft deutscher Positionen etwa in Europa gegen null tendiert", sagt Lenzen. Trotz des Gegenarguments ("wenn Fehler gemacht werden, werden sie nicht gleich in der ganzen Republik gemacht") sei die Möglichkeit der Gestaltung eines professionellen Bildungswesens auf nationaler Ebene eher zu realisieren, als wenn man das 16-mal mache. "Die Tendenz muss dahin gehen", sagte Lenzen und forderte damit ein Ende der bildungspolitischen Kleinstaaterei.

Hinzu komme, dass die Länder nicht mehr zahlen könnten. "Zurzeit haben wir die Situation, dass häufig der Bund zahlt und die Gestaltung woanders stattfindet", sagt Lenzen. Das werde auf Dauer politisch nicht durchhaltbar sein. "Deshalb vermute ich, dass wir die Verfassungsdiskussion bekommen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit."