Plakate mit Prominenten werben für den Volksentscheid. Ole von Beust und Christa Goetsch sind als Abc-Schützen nur im Internet zu sehen.

Hamburg. Isabella Vértes-Schütter herzt ihre Schultüte wie ihr liebstes Kuscheltier und verweist darauf, dass längeres gemeinsames Lernen Kinder Dinge lehre, "die nicht unbedingt auf dem Stundenplan stehen. Toleranz und soziale Kompetenz zum Beispiel." Kostja Ullmann hält seine rote Schultüte wie ein Gewehr und garniert sein charmantes Lächeln mit dem Bekenntnis, dass es während der Pubertät "schon mal Wichtigeres als Schule" gebe. Das sorge aber später für Frust, so der pädagogisch wertvolle Nachsatz. Annegrethe Stoltenberg steht mit goldener Tüte, grüner Jacke und türkisen Kniestrümpfen brav neben ihrer pelzbemäntelten Mutti und fordert: "Höchste Zeit, jedes Kind noch individueller zu fördern."

Die Ernst-Deutsch-Theater-Intendantin, der Jungschauspieler und die Landespastorin - nur drei der elf Prominenten und Unbekannten, die vom 18. Mai an von anfangs 300 und später bis zu 800 Plakaten in Hamburg und aus einem virtuellen Buch im Internet grüßen. Auch Ballett-Intendant John Neumeier, NDR-Urgestein Carlo von Tiedemann, Unternehmer Vural Öger und die Schauspielerin Pheline Roggan sind dabei. Sie alle wirken an der Kampagne des Senats mit, die Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) gestern vorstellten. 200.000 Euro lässt sich der schwarz-grüne Senat die von der Agentur Gürtlerbachmann erstellte Kampagne kosten. Außer den Plakaten beinhaltet sie noch einen Internetauftritt (mitgeben.hamburg.de) mit Fotos und Statements weiterer Prominenter sowie Informationen zur Schulreform.

Über die stimmen die Hamburger am 18. Juli in einem Volksentscheid ab. Ziel der Reformgegner von der Initiative "Wir wollen lernen" ist es, die Einführung der sechsjährigen Primar- anstelle der vierjährigen Grundschule zu verhindern. "Wir bedauern, dass der Senat 200.000 Euro für eine Plakatkampagne gegen die Hamburger Eltern ausgibt", sagte Initiativensprecher Walter Scheuerl. Er unterstellte Schwarz-Grün, die Motive seien "auf Irreführung angelegt". Denn präsentiert würden ausschließlich erfolgreiche Leute, "von denen meines Wissens keiner auf einer sechsjährigen Primarschule war".

Grafik: Würden Sie für oder gegen die Senatspläne stimmen?

Der Senat legt hingegen Wert darauf, dass es bei der Reform nicht nur um eine neue Schulstruktur gehe, sondern auch um kleinere Klassen, mehr individuelle Förderung und mehr Englischunterricht zum Beispiel. Diese Themen fänden sich auf den Plakaten wieder. Beust, Goetsch oder andere Politiker sind dort hingegen nicht zu sehen. "Es geht nicht um eine Polit-Kampagne", sagte der Bürgermeister und betonte, dass es sich um "Informationsmaßnahmen" handele. Dass die Plakate vor allem Aufnahmen aus Kindertagen Prominenter und eher wenig Text bieten, räumt Beust ein: "Wir wollen die Menschen in ansprechender Form für das Thema interessieren und motivieren." Das Wort "Volksentscheid" taucht daher ebenso wenig auf wie eine Aufforderung, für die Reform zu stimmen.

Auf der Internetseite werden hingegen auch Goetsch und Beust mit Schultüte präsentiert. "Jedes Kind in Hamburg kann richtig viel erreichen", schreibt der Bürgermeister zu seinem Kindheitsfoto mit Schultüte und Süßigkeiten. "Darum sollten wir auch jedem Kind die Chance dazu geben." Schon damals im grünen Kleid, aber etwas verkniffen, schaut die heutige Schulsenatorin drein. "Es war heiß, und die Sonne schien mir ins Gesicht", erklärte Goetsch gestern. Ihre Botschaft: "Wir müssen heute unseren Kindern für ihre Zukunft mehr mitgeben, als früher vielleicht noch ausreichend war." Daher die Internetadresse mitgeben.hamburg.de.

Kurios: Eigentlich wollte der Senat auch im Fahrgast-TV in den U-Bahnen sowie auf "Infoscreens" in Bahnhöfen "informieren". Das ärgerte Scheuerl, weil ein entsprechendes Ansinnen der Initiative abgelehnt wurde, wie Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum bestätigte. Allerdings wird auch der Senat nicht in den Verkehrsmitteln werben dürfen. Kreienbaum: "Die Anfrage liegt uns noch nicht vor. Aber sollte sie kommen, müssten wir sie ablehnen. Das gebietet unsere politische Neutralität."