Die Veränderungen brauchen laut Gymnasial-Pädagogen Zeit, die woanders fehle

Die Schulleiter der Hamburger Gymnasien halten die erfolgreiche Umsetzung der Schulreform für gefährdet. "Von der Schulreform werden eine höhere Leistungsfähigkeit des Schulwesens und mehr Bildungsgerechtigkeit erwartet. Es muss aber bezweifelt werden, dass diese Ziele unter den augenblicklichen Rahmenbedingungen erreicht werden", sagt Dagmar Bendt, Vorsitzende der Vereinigung der Leiter Hamburger Gymnasien und Studienseminare (VLHGS) - und spricht damit auch im Namen vieler Kollegen.

Sämtliche Systeme, Strukturen und Kulturen der Schulen würden in der Reform erfasst und verändert. Betroffen seien die Struktur an sich, die Unterrichtskultur, Bildungspläne und Inhalte, die Prüfungsordnung, die innere Schulorganisation und auch die Stundentaktung. Dagmar Berndt: "In den kommenden Jahren wird dieses System mit sich selbst und seiner Veränderung beschäftigt sein - und zwar mit viel Zeit und Energie, die an anderen Stellen dringend gebraucht werden."

In einer drei Seiten langen Stellungnahme nennt die Schulleiterversammlung die aus ihrer Sicht drohenden Probleme. Sie kritisiert unter anderem die Reduzierung der Mindeststundenzahl in den natur- und geisteswissenschaftlichen Unterrichtsfächern bei gleichzeitiger Erhöhung der Stunden für die Fächer Religion und Philosophie sowie die geforderte Form der zusätzlichen Leistungsrückmeldung. "Allein die Durchführung der Lernentwicklungsgespräche wird bei einer Klasse mit 28 Schülern etwa 14 Stunden dauern", heißt es in der Stellungnahme. "Unterrichtsausfall ist programmiert." Mit der Umsteuerung der Bildungspläne auf Kompetenzorientierung würden zudem die verbindlichen Lerninhalte deutlich reduziert. Das Gremium fordert den Erhalt und die Definition des Kernbestands des jeweiligen Faches. Generell sei festzustellen, dass die extreme Deregulierung der verbindlichen Stundentafeln zu einem weiteren Auseinanderdriften der Gymnasien führe. "Damit wird den Schülern nicht nur ein Schulwechsel zwischen den Bundesländern, sondern auch innerhalb Hamburgs massiv erschwert."

Die Pädagogen der Gymnasien halten es darüber hinaus für organisatorisch problematisch, wenn sie zum Teil stundenweise als Lehrkräfte in die fünften und sechsten Klassen der Primarschulen abgeordnet werden sollten. Zuletzt befürchtet die Schulleiterversammlung der Gymnasien eine Fülle nicht zu bewältigender neuer Aufgaben wie die notwendige Personalentwicklung, die Neugestaltung der Lehrpläne und die mit der Reform geforderte Vernetzung in der Region.

Zu den Forderungen des Gremiums an die Reform zählen höhere Mindeststundenzahlen für die Natur- und Geisteswissenschaften an Gymnasien, Modellentwürfe der Hamburger Bildungsbehörde für neue Lehrpläne, den Verzicht auf eine Teilabordnung der Pädagogen an Primarschulen sowie die Einstellung von gymnasialen Vollzeitlehrern im Primarschulbereich.