In dem Haus einer Familie barsten aufgrund der großen Hitze zwei Fenster. Polizeipräsident Jantosch schickt 100 Zivilfahnder auf die Straße.

Hamburg. Diesmal traf es eine ruhige Wohnstraße mitten im gediegenen Hummelsbüttel: Entlang eines knapp 60 Meter langen Wegstücks am Kirchenredder zündeten die Täter am frühen Dienstagmorgen kurz nach 4 Uhr fünf Autos an. Auf ein weiteres sprangen die Flammen über. Die Wagen der Marken Skoda, BMW, Mercedes, Volkswagen und Saab brannten alle völlig aus. Äußerst brisant ist, dass drei der Wagen noch in ihren Carports standen, die dadurch ebenfalls in Flammen aufgingen. Dabei verbrannten fünf Fahrräder und ein Kinderroller.

Das Feuer drohte zudem auf zwei Einfamilienhäuser überzugreifen. In einem Haus, in dem ein Paar mit seinen beiden kleinen Töchtern wohnt, barsten aufgrund der großen Hitze zwei Fenster. "Nur mit Glück" habe die Feuerwehr verhindern können, dass das Feuer die Familie in Lebensgefahr brachte, erklärte Polizeipräsident Werner Jantosch wenige Stunden nach den Anschlägen. "Jetzt haben wir einen für mich unerträglichen Höhepunkt der Geschichte. Es scheint keine Hemmungen mehr für die Täter zu geben."

Die Brandstifter vom Dienstag sind den Ermittlern des Landeskriminalamts (LKA) nicht unbekannt. Ihnen werden bereits sieben weitere große Brandstiftungen seit Mitte März zur Last gelegt. Allein 200.000 Euro Schaden sollen sie verursacht haben, als sie am 15. März an der Kreuzung Mövenstraße/Blumenstraße in Winterhude sechs luxuriöse Autos anzündeten - die erste Tat, mit der sie in Verbindung gebracht werden.

+++ Chronik der Hamburger Brandanschläge in diesem Jahr +++

Wie viele Täter die Polizei vermutet, ist nicht bekannt. Sicher ist nur, dass die Ermittler sie unter anderem aufgrund der Art, wie sie die Autos anzünden, als Serientäter identifizieren. Am Dienstagmorgen beobachteten Anwohner des Kirchenredders einen weißen Volkswagen Golf Variant, der schnell davon fuhr. Die Polizei vermutet, dass die Täter in dem Kombi flüchteten, und fahndet jetzt nach dem Wagen.

Polizeichef Jantosch kündigte gestern neue Ansätze im Kampf gegen Brandstifter an: 100 zivile Beamte will er ihnen ab sofort entgegenbringen. "Unter Zurückstellung anderer Sachen bis auf Weiteres", so Jantosch, sollen sie auf Brandstifterjagd gehen. "Die werden völlig unberechenbar in unterschiedlichsten Stadtteilen auftauchen. Heute hier, morgen da."

"Ich will die Täter jetzt haben", gab sich der Polizeichef kämpferisch. Seine Einheit soll Verunsicherung bei Trittbrettfahrern schaffen und die Serientäter vom Dienstag fassen. Die Zivilfahnder sollen sich Nacht für Nacht ausschließlich um die Brandanschläge kümmern, "unter Vernachlässigung notfalls auch anderer Aufgaben". Das Thema habe für ihn absolute Priorität. Bislang allerdings haben alle angekündigten Wege keinen vorzeigbaren Erfolg gebracht. Die Aufklärungsquote ist äußerst niedrig. Seien es die Streifen per Polizeihubschrauber "Libelle", die aus Kostengründen nach wenigen Nächten wieder eingestellt wurden. Oder die Belohnung über 2500 Euro, ausgesetzt für Hinweise, die zur Festnahme eines Brandstifters führen, die bislang noch nicht eingelöst wurde.

38 "Brandlegungen" registrierte die Polizei seit Beginn dieses Jahres. "Damit liegen wir im Schnitt", sagte eine Polizeisprecherin. Nach Abendblatt-Zählung brannten dabei bereits 67 Fahrzeuge aus oder wurden schwer beschädigt, oftmals durch überspringende Flammen. Trotz verstärkter Polizeipräsenz ruft Jantosch alle Hamburger zu Wachsamkeit auf. "Wir brauchen die Hilfe aus der Bevölkerung. Denn wir können nicht überall gleichzeitig sein." Ob Bus- oder Taxifahrer, Schichtarbeiter oder diejenigen, die nicht schlafen könnten: Alle sollten die Augen offen halten.