Hamburger Polizei nahm mutmaßlichen Serien-Brandstifter nach Anschlag fest. Er könnte auch der “Feuerteufel von Lurup“ sein.

Hamburg. Er bedrohte seine Nachbarn mit Waffen, beschimpfte regelmäßig den Hausmeister und lebte jahrelang zurückgezogen in einer vermüllten Mietwohnung in Lurup. Anwohner beschreiben Wilfried M. als "widerlichen und unberechenbaren" Menschen. Dass ihr Nachbar vermutlich ein Serien-Brandstifter ist, hätte an der Wohnanlage am Rugenbarg aber niemand für möglich gehalten. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft.

Lange ermittelte die Polizei vergebens, während eine beispiellose Serie von Autobrandstiftungen die Stadt in Atem hielt. Hunderte Polizisten patrouillierten nächtelang auf der Straße, Beamte sprachen gezielt verdächtige Jugendliche an - und doch brannten in diesem Jahr 290 Autos in Hamburg. Nur in Einzelfällen konnte die Polizei Verdächtigen die Taten nachweisen. Mit Wilfried M. hat sie jetzt erstmals offenbar einen Serientäter erwischt.

Mindestens vier Autobrandanschläge - insgesamt brannten dabei elf Fahrzeuge - sollen auf das Konto des 55 Jahre alten Arbeitslosen gehen, den die Polizei in der Nacht zu Mittwoch gefasst hat. Er wird verdächtigt, Autos am Kroonhorst (Lurup), an der Luruper Hauptstraße, am Osteroder Weg (Bramfeld) und an der Claudiusstraße (Marienthal) angezündet zu haben. "Wir gehen davon aus, dass er für eine deutlich höhere Zahl verantwortlich ist", sagt Polizeisprecher Holger Vehren. Bei seiner Vernehmung habe Wilfried M. zwar die Taten abgestritten. Doch sind sich die Ermittler sicher: Ihnen ist hier ein Serienbrandstifter ins Netz gegangen.

+++ Harte Arbeit zahlt sich aus +++

+++ Auch wer "Schmiere" steht, wird wie ein Täter belangt +++

"Er lebte in seiner eigenen Welt. Man konnte ihn nicht einschätzen", sagt sein Nachbar. Wilfried M. habe tagsüber geschlafen und sich nachts auf der Reeperbahn herumgetrieben. Eine Anwohnerin erzählt, dass er nachts häufig ein Bad nahm. Doch ein gepflegter Mann war er nicht. Er sei verwahrlost herumgelaufen, berichtet die Nachbarin über den schmächtigen Mann mit den langen, graublonden Haaren. Nahezu täglich besuchte er um 3 Uhr morgens eine Tankstelle in Bahrenfeld, bestellte einen Kaffee, ein Brötchen, eine Tageszeitung. Mitarbeiter beschreiben ihn als "netten Stammkunden".

Die Ermittler gehen davon aus, Wilfried M. sogar 20 bis 30 Fälle nachweisen zu können. Nach Abendblatt-Informationen schließt die Polizei nicht aus, dass es sich bei ihm um den "Feuerteufel von Lurup" handeln könnte. Er ist für eine Vielzahl von Brandanschlägen in dem Stadtteil verantwortlich und soll allein 2009 in nur drei Monaten 60 Müllcontainer angezündet haben.

Die Festnahme von Wilfried M. war kein Zufallstreffer. Bereits am 29. Mai war der Mann Zivilfahndern am Kroonhorst in Lurup durch sein ungewöhnliches Verhalten aufgefallen. Kurz darauf brannten vier Autos. Als Wilfried M. flüchten wollte, rissen ihn die Ermittler vom Rad, nahmen ihn fest. Im September hat die Staatsanwaltschaft schon Anklage wegen Brandstiftung erhoben.

Seit der Brandstiftung im Mai gehörte Wilfried M. zur Gruppe der Verdächtigen, Zivilfahnder beschatteten ihn - dabei schöpfte der 55-Jährige offenbar Verdacht. War es dieser Druck, der ihn zeitweise von weiteren Zündeleien abhielt? In den Sommermonaten sei die Zahl der Brandstiftungen merklich zurückgegangen, teilte die Polizei mit. Doch im Herbst bekamen die Beamten Hinweise, dass Wilfried M. erneut gezündelt haben sollte. Bei Anschlägen am 18. und 22. Dezember hielt er sich in unmittelbarer Nähe brennender Autos auf.

Am 28. Dezember schließlich beobachteten Zivilfahnder, wie der 55-Jährige mehrere Kanister mit Benzin füllte, in sein Auto lud und durch die Claudiusstraße in Marienthal fuhr. Unmittelbar danach brannten dort drei Luxusautos. Beamte überprüften Wilfried M. wenig später in St. Georg und stellten fest, dass einer der Benzinkanister leer war. Sie nahmen ihn fest. Gestern erging Haftbefehl.

Der 55-Jährige ist bereits mehrmals verurteilt worden, in den vergangenen fünf Jahren unter anderem wegen Betrugs, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Drogendelikten.

Was könnte Wilfried M. getrieben haben? Blinder Hass auf die Gesellschaft - wie bei dem 27 Jahre alten Arbeitslosen, den die Berliner Polizei im Herbst gefasst hat und der für mehr als 100 Autobrandstiftungen verantwortlich sein soll? War es Zerstörungswut oder schlicht die Lust am Zündeln?

Möglicherweise war es eine Mischung aus allem - einen politischen Hintergrund schließt die Polizei aus. Auf den krankhaften Zwang, Dinge anzuzünden, deuten mehrere Funde in der Wohnung von Wilfried M. Dort beschlagnahmten Beamte 100 Schuss scharfe Munition, Brandbeschleuniger und 100 Videos - darunter auch Filme, die Brandstiftungen glorifizieren.