Die festgenommene Camorra-Familie hatte ihre Macht in Neapel verloren und war nach Hamburg geflüchtet. Fünf Clans leben noch in der Stadt.

Hamburg. Die Geschichte des in Hamburg zerschlagenen Mafia-Clans ist eine Geschichte des langsamen Niedergangs. Einst hatte die Camorra-Familie um den am Dienstag verhafteten Pasquale R. in einem Viertel von Neapel das Sagen. Doch eine mutige Unternehmerin und der Krieg mit einem rivalisierenden Mafia-Clan machte der Familie das Leben schwer. Hamburg sollte als ruhiger Rückzugsort dienen. Das gelang nur wenige Jahre.

Wie berichtet, hat die Polizei am Dienstag in einer international angelegten Aktion fünf mutmaßliche Mafiosi in Hamburg, Buchholz und Neapel festgenommen. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen insgesamt 13 Verdächtige. In Hamburg und im Umland hat der Camorra-Clan sein Geld mit Betrügereien verdient. Die Mitglieder verkauften minderwertige Imitate teurer Marken-Lederjacken zu überteuerten Preisen. Es war einträgliches Geschäft. So wird der Schaden allein in den vergangenen zwölf Monaten auf etwa zwei Millionen Euro geschätzt. "Doch mit dieser mühsamen Art der Geldbeschaffung befinden sie sich am Ende der Nahrungskette", sagt Kriminalrat Jörg Tobaben. Der Sachgebietsleiter für deliktübergreifende Ermittlungen in der organisierten Kriminalität ist so etwas wie Hamburgs oberster Mafia-Jäger.


+++ DIE VIER GROSSEN MAFIA-GRUPPEN +++

Das Betätigungsfeld der Familie war aus der Not heraus geboren. Ihr Einfluss in Neapel, wo sie im Stadtteil San Giovanni a Teduccio das Sagen hatten, ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken. So machte ihnen ein weiterer Clan auf ihrem Terrain die Macht streitig. Mit den "klassischen" Verbrechen wie Schutzgelderpressung und Drogenhandel war nach dem verlorenen Bandenkrieg immer weniger Geld zu verdienen. Es folgte die Flucht der Familie nach Hamburg.

Vor etwa zehn Jahren kam Pasquale R. nach Deutschland, um die Familie in Italien mit dem "Lederjacken-Geschäft" über Wasser zu halten. Allein seine Wohnung in einem Hochhaus in Barmbek-Süd verrät, dass für ein klassisches Mafioso-Leben in Saus und Braus nicht viel übrig blieb. Zudem ging ein Teil des Gewinns an das eigentliche Oberhaupt Gennaro R. nach Neapel.

Doch dieser flüchtete vor gut drei Jahren vor den italienischen Ermittlern zu seinem Bruder nach Hamburg. Die Inhaberin eines Farbenhandels wollte kein Schutzgeld mehr an ihn und den dritten Bruder Salvatore R. zahlen und ging zur Polizei. Sie wählten Hamburg als Fluchtort aus, tauchten in Barmbek-Süd unter. Vergebens. Jetzt wurden beide hier verhaftet.

"Hamburg ist aber keine Hochburg der italienischen Mafia", sagt Tobaben. So würden Drogen-, Waffen- und Menschenhandel von Banden aus Osteuropa oder dem Balkan kontrolliert. Wenn die italienische Mafia nach Hamburg kommt, dann eher, um unterzutauchen, sagt Tobaben.

Davon geht auch Laura Garavini, Mitglied im Antimafia-Ausschuss des italienischen Parlaments, aus. Nach ihren Erkenntnissen leben derzeit vier Clans der Camorra und einer der Cosa Nostra in der Hansestadt. Zum Vergleich: In ganz Deutschland wird die Zahl der Mafia-Clans auf 150 geschätzt.

Garavini sagt aber auch: "Viele Clan-Mitglieder in Hamburg sind keine Kleinkriminellen." Sie würden illegales Geld aus Italien in legale Geschäfte in Deutschland investieren. So sei die Mafia im Immobilien-Bereich sowie in der Hotellerie und Gastronomie aktiv, aber auch in Finanzgeschäften an der Börse. "Die haben es gar nicht mehr nötig, Schutzgeld zu erpressen. In Deutschland investieren sie das Geld." Dass der Schlag gegen den Camorra-Clan der Familie R. aber deren Ende bedeutet, glauben weder Laura Garavini noch Hamburgs Mafia-Jäger Tobaben. "Die Mafia ist wie eine Hydra", sagt die Abgeordnete des italienischen Parlaments. "Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei wieder nach."

Auch aus dem italienischen Gefängnis heraus lassen sich kriminelle Geschäfte machen, glauben Ermittler. Kriminalrat Tobaben: "Und zur Not haben die Ehefrauen der einsitzenden Männer für die Haftzeit das Sagen."