Ein italienisches Restaurant in Barmbek diente offenbar als Zentrum eines Mafiaclans in Hamburg, der gefälschte Lederjacken verkaufte.

Barmbek-Süd. Vor der Pizzeria O Sole Mio an der Bachstraße stehen Plastikstühle. Das schmucklose Restaurant am Fuß eines Barmbeker Hochhauses ist geschlossen. Angeblich wegen Renovierung, wie es auf einer mit Kreide beschriebener Tafel heißt. Nach Erkenntnissen der Polizei diente es als Zentrum eines Clans der italienischen Mafia. Hier sollen neue Mitglieder angeworben und in die kriminellen Machenschaften eingewiesen worden sein. Die Beweise der Ermittler waren so erdrückend, dass ein Richter Haftbefehle erließ. Am frühen Dienstagmorgen verhafteten Beamte der Abteilung Organisierte Kriminalität vier mutmaßliche Mitglieder der Camorra in Hamburg und Buchholz. Zeitgleich klickten auch in Neapel, der Heimat der Mafiosi, die Handschellen.

Im O Sole Mio residierte Ugo R., der 61-Jährige lebt bereits seit 30 Jahren in Deutschland und ist nach Erkenntnissen der Ermittler, obwohl kein Familienmitglied, der Statthalter des Clans in Hamburg. Er soll den personellen Nachschub von Mitarbeitern organisiert haben. Eine Art Drückerkolonne von Kriminellen, die mit dem Verkauf von gefälschten Lederjacken zu überhöhten Preisen zumeist ältere Männer betrogen. Die Täter sprachen ihre Opfer auf der Straße an, täuschten eine Notlage vor, etwa fehlendes Benzingeld für die Rückreise nach Italien. Anschließend zahlten die Rentner zwischen 20 und 2500 Euro für Jacken aus chinesischer Herstellung, die lediglich 7 Euro im Einkauf kosteten.

Eine auf den ersten Blick untypische Geldeinnahme im Zusammenhang mit der Mafia. Auf den zweiten Blick allerdings effektiv und gewinnbringend. Seit einem knappen Jahr laufen die Ermittlungen. "Allein seitdem dürfte die Gruppe etwa 500 000 Euro erzielt haben", sagte Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Diese Zahlen gehen auf die bislang bekannt gewordenen Taten zurück. Die Beamten schätzen, dass erst etwa ein Viertel der Taten bekannt geworden ist. Daher dürfte der Gesamtschaden bei rund zwei Millionen Euro liegen. Weitere Opfer können sich unter Telefon 428 65 67 89 melden.

Auch Ugo R. verkaufte von Zeit zu Zeit Jacken. Bei den Ermittlern gilt seine Masche als besonders "niederträchtig", da er bedrohlich gewirkt und eingeschüchtert haben soll. Von seinen Mitarbeitern soll er verlangt haben, jeden Tag 100 Euro abzugeben - egal, ob sie Einnahmen gemacht hatten oder auch nicht.


+++ DIE VIER GROSSEN MAFIA-GRUPPEN +++

Einen Teil der Gewinne führte er an den Clan-Chef Pasquale R., 48, ab. Dieser organisierte laut Ermittler den Warenfluss von Neapel nach Hamburg. Der 48-Jährige, den die Beamten der Abteilung Organisierte Kriminalität in seiner Barmbeker Wohnung an der Weidestraße festgenommen haben, steht dem Clan erst seit Februar dieses Jahres vor. Er folgte auf seinen Bruder Salvatore R., der wegen Schutzgelderpressung gesucht und ebenfalls in Hamburg festgenommen wurde. Laut "Spiegel" hatte er eine neapolitanische Unternehmerin erpresst.

Salvatore R. wiederum war auf einen weiteren Bruder der Familie gefolgt. Auch Gennaro R. wurde in Hamburg, in einem italienischen Café an der Langen Reihe in St. Georg, aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen. Hamburg, da sind sich die Ermittler sicher, diente der mutmaßlichen Mafia-Familie als Rückzugsort. "Hierher sind die Familienmitglieder aufgrund der Ermittlungen in Italien untergetaucht." Die groß angelegte Razzia, so glauben die Fahnder, hat dem Clan einen schweren Schlag zugeführt.

"Sie haben innerhalb kürzester Zeit drei ihrer Oberhäupter verloren", sagte ein Fahnder dem Abendblatt. "Ihr Einfluss innerhalb der Camorra dürfte deutlich gesunken sein."

Die Festnahmen haben auch in Italien für Aufsehen gesorgt. So zeigte sich etwa Laura Garavini, Mitglied im Antimafia-Ausschuss des italienischen Parlaments, erleichtert: "Der Schlag gegen die neapolitanische Camorra zeigt, dass die internationale Zusammenarbeit gegen die Mafia vorankommt."