Die Familie des Messerstechers vom Jungfernstieg muss ihre Wohnung verlassen. Sie soll die Nachbarschaft in Angst versetzt haben.

Der Gerichtsvollzieherin war die Brisanz ihres Einsatzes überaus bewusst. Ohne Polizei würde sie ihre Mission nicht erfüllen können. In ihrer Aktentasche hatte sie einen Beschluss zur Zwangsräumung einer Wohnung. Es handelte sich um die Wohnung der Familie A. Einer Familie, die laut Vermieter ihre Nachbarschaft in Angst und Schrecken versetzt hat. Es ist die Familie des Messerstechers vom Jungfernstieg, des 16 Jahre alte Elias.

Sechs Peterwagenbesatzungen sandte die Polizei gestern Abend zur Unterstützung der Gerichtsvollzieherin aus. Während ein Streifenwagen die Markusstraße (Neustadt) abriegelte, verteilten sich die übrigen Beamten in der Wohnung, am Haupt- und Hintereingang des Mehrfamilienhauses. Ein vom Vermieter, der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter (BGFG), beauftragtes Umzugsunternehmen war mit zwei Möbelwagen in der kleinen Seitenstraße vorgefahren.

"Wir haben der Familie fristlos gekündigt, weil von ihr eine hohe Belastung für die Hausgemeinschaft ausgegangen ist", sagte BGFG-Vorstand Ingo Theel, der persönlich die Wohnung in Augenschein nahm. Auf Nachfrage wurde er konkreter. Er berichtete von Drohungen gegen die Nachbarn, angezündeten Fußmatten, Kellereinbrüchen, Sachbeschädigungen, Lärmbelästigungen. "Die Bewohner hatten Angst, ohne Schutz in den Keller zu gehen." Die Genossenschaft hatte unlängst ein Sicherheitsunternehmen für die Nachbarn beauftragt.

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Wie berichtet, hatte die Polizei Ali A., den Vater von Elias, in der vergangenen Woche festgenommen, nachdem er von seinem Balkon aus mit einer Waffe auf zwei Wachleute gezielt und sie bedroht hatte. Bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten zwei Schreckschusspistolen, Spielzeugwaffen und Reizgas.

Auch bei dieser Aktion war ein Großaufgebot der Polizei vonnöten. Mehrere Jugendliche aus dem Umfeld von Elias und seinen beiden ebenfalls polizeibekannten Brüdern hatten lautstark gegen den Einsatz protestiert.

Gestern kamen erneut einige Mitglieder der "Neustädter Jungs" an die Markusstraße, nahmen einen der Brüder von Elias in Empfang. Vater Ali A. hatte bereits zuvor mit seiner Frau und einer Handvoll Habseligkeiten die Wohnung verlassen. Die beiden fuhren im Wagen mit unbekanntem Ziel fort.

"Wir wissen nicht, wo sie nun unterkommen", sagte BGFG-Vorstand Ingo Theel. Die fristlose Kündigung sei bereits vor "geraumer Zeit" ausgesprochen worden. Die Familie habe allerdings weder telefonisch noch schriftlich reagiert. Da sie offenbar nicht freiwillig ausziehen wollte, bestellte die Genossenschaft nun die Gerichtsvollzieherin. Das Hab und Gut werde nun eingelagert.

Die Rechnung für das Umzugsunternehmen zahle zunächst die BGFG. Ob und wann die Genossenschaft das Geld zurückverlangen werde, darüber gab Theel gestern keine Auskunft. Nach seiner Aussage handele es sich bei der Zwangsräumung um eine äußerst seltene Maßnahme. "So etwas kommt bei uns nicht häufig vor. Wir haben insgesamt 7600 Wohnungen."

Das Aufatmen in der Nachbarschaft nach der Räumung ist groß. Einige Hausbewohner sahen von ihren Balkonen den Möbelpackern bei ihrer Arbeit zu. Immer wieder, so berichteten sie, hätten sie die Brüder mit deren Bandenmitgliedern auf dem angrenzenden Spielplatz beobachtet. Dort sei auch ein Hund der Familie A. mit Schlägen scharf gemacht worden. Immer wieder haben Mitarbeiter des benachbarten Kindergartens die Polizei gerufen.

BGFG-Vorstand Ingo Theel hob hervor, dass die Bluttat vom Jungfernstieg in keinem Zusammenhang mit der nun erfolgten Zwangsräumung stehe. "Dies schreckliche Tat hat nichts damit zu tun." Kann sie rechtlich auch nicht. Die Kündigung sei bereits sehr viel früher ausgesprochen worden.

Während Eltern und Brüder sich nun nach einer neuen Unterkunft umsehen müssen, sitzt Elias noch immer in Untersuchungshaft. Dort wartet er, nachdem er Mitte Mai den 19 Jahre alten Mel D. erstochen hatte, auf die Anklage. Diese soll in den kommenden Tagen erhoben werden.