Die Zahl der Taten von Autonomen hat stark zugenommen. Die Hamburger Polizei sucht die Mai-Randalierer jetzt mit Fahndungsfotos.

Hamburg. Ein alarmierender Trend verschärft sich: Die Zahl der politisch motivierten Straftaten aus dem linken Lager ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Polizei und Verfassungsschutz zählten im Jahr 2009 nach Abendblatt-Informationen 757 Taten. Das sind 40 Prozent mehr als noch 2008. Die Zahlen gehen aus dem Verfassungsschutzbericht für die Stadt Hamburg hervor. Innensenator Christoph Ahlhaus und Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck stellen den Bericht in der Innenbehörde vor. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten der rechten Szene hat sich demnach verringert. Nach 385 Delikten im Jahr 2008 zählten die Ermittler im vergangenen Jahr noch 318 Taten.

+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++

Innensenator Christoph Ahlhaus war sehr deutlich, als er vor knapp einem Jahr den Verfassungsschutzbericht für 2008 vorstellte: Recht und Gesetz müssten auch im Schanzenviertel gelten, sagte er. Heute wird der CDU-Politiker verkünden müssen, dass in erster Linie die Klientel gehandelt hat, die er mit "harter Hand" in die Schranken weisen wollte. 40 Prozent mehr linkspolitisch motivierte Kriminaltaten - und das, nachdem die Zahl schon im aktuellen Vergleichsjahr 2008 um 18 Prozent gestiegen war.

Und auch im laufenden Jahr ist gewiss keine Trendwende in Sicht. Bislang erschütterndstes Beispiel: Die Nächte rund um den 1. Mai, als es erneut in der Schanze zu Gewalt und Plünderungen kam. Einige der Beteiligten sucht die Polizei jetzt mit einer Öffentlichkeitsfahndung (Bilder links). Sie hatten den Rossmann-Drogeriemarkt am Schulterblatt geplündert und den Vorraum der dortigen Deutschen-Bank-Filiale mit roher Gewalt verwüstet. Ihnen wird schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Eine Straftat von beträchtlichem Ausmaß, wie der Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers, erklärt.

Die jetzt zur Öffentlichkeitsfahndung ausgeschriebenen jungen Erwachsenen müssen demnach im Fall einer Verurteilung mit Freiheitsstrafen von einem halben bis zu zehn Jahren rechnen. Grund für die Gesetzeshärte: Grobe Sachbeschädigungen und Plünderungen gefährdeten die öffentliche Sicherheit erheblich, so Möllers. Während der Mai-Krawalle am vergangenen Wochenende waren bereits 49 Randalierer festgenommen worden, zumeist nachdem sie Steine und Flaschen auf Polizisten geworfen hatten. Viele der Festgenommenen sind noch Jugendliche, der jüngste erst 13 Jahre alt. 29 Randalierer kamen in Gewahrsam. Ein 18 Jahre alter Österreicher, der mindestens zwei Steine auf Polizisten geworfen hatte, kam bereits in Untersuchungshaft, da die Staatsanwaltschaft seine Flucht in die benachbarte Alpenrepublik befürchtete.

Mit 757 gezählten Delikten - im Schnitt mehr als zwei pro Tag - hat die linksextreme Kriminalität im zurückliegenden Jahr laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht ein Niveau erlangt, wie es bislang nur in der Hauptstadt Berlin mit ihren fast dreieinhalb Millionen Einwohnern zu beklagen war. Dort lag die Zahl der linksextremen Straftaten im Jahr 2008 bei 680, nach 736 im Vorjahr. Der Berliner Verfassungsschutzbericht mit Zahlen für 2009 liegt noch nicht vor. Hauptgrund für den starken Anstieg der Hamburger Zahlen sind zum großen Teil die beiden Schanzenfeste mit ihren jeweiligen Gewaltexzessen. Obwohl die meisten der Randalierer vermutlich aus Spaß an Zerstörung und Krawall agieren, zählen ihre Taten für den Verfassungsschutz zur politisch motivierten Kriminalität.

Aber auch ein Teil der Fälle von Brandstiftungen an Autos, jene nämlich, in denen die Staatsschutzabteilung der Kripo die Ermittlungen übernommen hatte, werden im entsprechenden Deliktsfeld registriert. Die Zahl der linksextremistisch eingestuften Taten (Taten, die sich direkt gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten) ging indes von 92 auf 41 zurück. Zu diesen Taten zählen zum Beispiel Angriffe auf Info-Stände politischer Gegner. Einen Rückgang der Gewalt gab es 2009 nach Informationen des Hamburger Abendblatts auch im Bereich der politisch motivierten Kriminalität von Rechtsextremen. Die Zahl der Vergehen ging hier von 385 auf 318 zurück. Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten sank von 45 auf 30 und liegt damit wieder auf einem Niveau wie im Jahr 2007. Die Erklärung dafür: Am 1. Mai 2008 hatten Neonazis in Barmbek demonstriert und vor allem aus den Blocks der Autonomen Nationalisten Gewalttaten begangen. Im zurückliegenden Jahr gab es keinen so großen Aufmarsch Rechtsextremer in Hamburg.